Arzneimittel und Therapie

Dreifachschlag gegen die Schwindsucht

Orale Kombinationstherapie bei multi- und hochresistenter Tuberkulose effektiv

Für Patienten mit multi- oder hochresistenter Tuberkulose gibt es nur begrenzte Therapiemöglichkeiten – die Prognose ist meist schlecht. In einer offenen, einarmigen Studie konnte nun gezeigt werden, dass eine Dreifachkombination aus Pretomanid, Bedaquilin und Linezolid hier wirksam sein könnte.

Die Tuberkulose (Tb oder Tbc) zählt zu den häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Jährlich erkranken schätzungsweise zehn Millionen Menschen, rund 1,5 Millionen sterben an der Lungenkrankheit. Problematisch ist, dass die Erreger (Mycobacterium tuberculosis) gegenüber der Standard­therapie zunehmend resistent werden. Bei Patienten mit multiresistenter Tuber­kulose (MDR-Tb) liegt eine Resistenz gegenüber den Erstlinien-Tuberkulostatika (Isoniazid, Rifampicin) vor; sind die Bakterien zusätzlich auch gegen die Zweitlinien-Therapie (alle Fluorochinolone und mindestens einen der injizierbaren Wirkstoffe Capre­omycin, Kanamycin, Amikacin) resistent, spricht man von einer extrem arzneimittelresistenten Tuberkulose (XDR-Tb). Diese Formen sind sehr schwer zu behandeln: In Südafrika lag die Erfolgsrate zuletzt bei knapp 20%.

Pretomanid, Bedaquilin und Linezolid

Pretomanid wurde im August 2019 von der Food and Drug Administration (FDA) in den USA zugelassen, im März 2020 hat sich auch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für eine Zulassung ausgesprochen. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um ein Nitro­imidazol-Prodrug, welches durch das Coenzym F420 des Tb-Erregers in vivo in die aktive Wirkform umgewandelt wird und die Zellwandproduktion hemmt.

Foto: Juri – stock.adobe.com

Bedaquilin wirkt bakterizid, indem es selektiv die mycobakterielle ATP-Synth­ase hemmt. Das Diarylchinolin ist unter dem Namen Sirturo® im Handel.

Das Reserveantibiotikum Linezolid (Zyvoxid®, Generika) ist zur Behandlung von Infektionen mit aeroben grampositiven Bakterien zugelassen. Das Oxazolidinon hemmt die bakterielle Proteinsynthese, indem es an die Bindungsstelle des bakteriellen Ribosoms (23S der 50S-Untereinheit) bindet und so die Bildung eines funktionellen 70S-Initiationskomplexes verhindert.

In der Nix-TB-Studie wurde nun die Wirksamkeit von Pretomanid und Beda­quilin in Kombination mit dem Reserveantibiotikum Linezolid untersucht (s. Kasten). Insgesamt wurden 109 Patienten mit pulmonaler MDR/XDR-Tb in die Studie eingeschlossen und über einen Zeitraum von 26 Wochen mit den oral wirksamen Arzneistoffen behandelt. Die Studie wurde im Zeitraum von April 2015 bis November 2017 an drei Standorten in Südafrika (Johannesburg, Kapstadt, Durban) durchgeführt. Das mittlere Alter der Studienteilnehmer lag bei 35 Jahren, 51% waren HIV-positiv, und 84% hatten Kavitäten im Röntgen-Thorax. Die Tb-Diagnose war im Median zwölf Monate vor Einschluss in die Studie gestellt worden. Vor der Rekrutierung hatten die Probanden im Median sieben Tuberkulostatika erhalten. Primärer Endpunkt war ein ungünstiges Ergebnis, definiert als Therapieversagen oder Rückfall in den ersten sechs Monaten nach Therapieende. Ein ungünstiges Ergebnis trat nur bei 11 (10%) Studienteilnehmern ein. Von ihnen verstarben sieben, sechs davon während der Behandlung. 90% der Patienten konnten von ihrer Tb geheilt werden. Von 71 Teilnehmern mit XDR-Tb konnten 63 (89%) erfolgreich behandelt werden. Bei den 38 MDR-Tb-Patienten waren es 35 (92%). Die Ergebnisse waren unabhängig vom HIV-Status oder dem Line­zolid-Dosierungsschema. Ins­gesamt erlitten zwei Studienteilnehmer einen Rückfall.

Die Studie zeigte allerdings auch, dass die Dreifachkombination mit zahlreichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen behaftet ist, was insbesondere auf Linezolid zurückgeführt wird. Bei 88 (81%) Teilnehmern entwickelte sich eine periphere Neuropathie, bei 52 (48%) kam es während der Behandlung zu einer Myelosuppression. Infolgedessen musste bei einigen Studienteilnehmern die Linezolid-Therapie vorüber­gehend unterbrochen bzw. die Dosis reduziert werden.

Insgesamt sind die Ergebnisse der Studie vielversprechend. Da es sich jedoch nicht um eine randomisierte, kontrollierte klinische Studie handelt, ist die Aussagekraft limitiert. Zudem bleibt abzuwarten, ob auch unter diesem Therapieregime Resistenzen entstehen können. |

 

Literatur

Conradie F et al. Treatment of Highly Drug-Resistant Pulmonary Tuberculosis. N Engl J Med 2020;382(10):893-902

Thwaites G, Nahid P. Triumph and Tragedy of 21st Century Tuberculosis Drug Development. N Engl J Med 2020;382(10):959-960

Mutschler Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage, 2020. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH; Stuttgart

KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung. Gesundheitsinfos Tuberkulose. www.kbv.de; Abruf am 23. März 2020

Hircin E, Antwerpes F. Multiresistente Tuberkulose. DocCheck Flexikon. www.flexikon.doccheck.com; Abruf am 24. März 2020

Wirth C et al. Extrem arzneimittelresistente Tuberkulose. DocCheck Flexikon. www.flexikon.doccheck.com; Abruf am 24. März 2020

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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