Pandemie Spezial

Klinken putzen schützt

SARS-CoV-2 hält sich vermutlich lange in der Luft und auf Oberflächen

In der vergangenen Woche erschienen zwei Publikationen einer US-amerikanischen Forschergruppe, die sich mit der Stabilität von SARS-CoV-1 und SARS-CoV-2 als Aerosol und auf unterschiedlichen Oberflächen befassen. Beide Viren sind bis zu mehrere Tage nachweisbar, ihre Konzentration nimmt jedoch exponenziell ab. Die Ergebnisse legen den Verdacht nahe, dass die Viren durch die Berührung kontaminierter Oberflächen und durch engen Kontakt übertragen werden können.
Foto: surfmedia – stock.adobe.com

Das neue SARS-CoV-2 ist auf Oberflächen bis zu mehrere Stunden haltbar. Daher sollten auch Türklinken oder Griffe regelmäßig desinfiziert werden.

Für die Untersuchung wurden die Viren mit einem speziellen Nebulizer in ein rotierendes Gefäß gesprüht. Unmittelbar danach sowie 30, 60, 120 und 180 Minuten später wurde die Konzentration der sich auf einem Gelatinefilter absetzenden Viren bestimmt. Des Weiteren wurden Oberflächen aus Polypropylen, Edelstahl, Kupfer und Pappe mit Viren besprüht und deren Konzentration nach einer, vier und acht Stunden sowie nach ein, zwei, drei und vier Tagen bestimmt. Bis zum Ende der Experimente waren die Viren sowohl im Aerosol als auch auf den Oberflächen nachweisbar. Ihre Konzentration nahm jedoch exponenziell ab.

Übersteht das Virus den Geschirrspüler oder große Kälte?

Auf die Frage, ob Coronaviren außerhalb menschlicher oder tierischer Organismen auf festen und trockenen Oberflächen überleben und infektiös bleiben können, gibt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) folgende Antwort:

„Die Stabilität von Coronaviren in der Umwelt hängt von vielen Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Beschaffenheit der Oberfläche sowie vom speziellen Virusstamm und der Virus­menge ab. Im Allgemeinen sind humane Coronaviren nicht besonders stabil auf trockenen Oberflächen. In der Regel erfolgt die Inaktivierung in getrocknetem Zustand innerhalb von Stunden bis einigen Tagen. ... Theoretisch kann das Coronavirus SARS-CoV-2 durch direktes Niesen oder Husten einer infizierten Person auf Türklinken, Smartphones, Griffen von Einkaufswagen oder über Geschirr und Besteck übertragen werden. Eine Schmierinfektion erscheint dann möglich, wenn das Virus über den Gegenstand oder über die Hände auf die Schleimhäute des Mund- und Rachenraumes oder die Augen übertragen wird. Dem BfR sind jedoch bisher keine Infektionen mit SARS-CoV-2 über diese Übertragungswege bekannt. Als behüllte Viren, deren Erbgut von einer Lipidschicht umhüllt ist, reagieren Coronaviren empfindlich auf fettlösende Substanzen wie Alkohole oder Tenside, die als Fettlöser in Seifen und Geschirrspülmitteln enthalten sind. Auch wenn hierfür noch keine spezifischen Daten vorliegen, ist es hoch wahrscheinlich, dass durch diese Substanzen die Virusober­fläche beschädigt und das Virus inaktiviert wird. Das gilt insbesondere auch dann, wenn im Geschirrspüler das Geschirr mit 60 Grad Celsius oder höherer Temperatur gereinigt und getrocknet wird. Die bekannten Coronaviren SARS und MERS sind kälteunempfindlich und können bei minus 20 Grad Celsius bis zu zwei Jahre im gefrorenen Status infektiös bleiben. Bisher gibt es aber keine Hinweise zu Infektketten von SARS-CoV-2 über den Verzehr von Lebensmitteln, inklusive tiefgekühlter Lebensmittel.“


Aktualisierte Fragen und Antworten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 23. März 2020

www.bfr.bund.de/de/
kann_das_neuartige_coronavirus_ueber_lebensmittel_und_gegenstaende_uebertragen_werden_-244062.html

Die Angaben der Halbwertszeiten unterscheiden sich in den beiden Publikationen. Die ersten Zahlen wurden am 13. März 2020 als Preprint [1] veröffentlicht, vier Tage später folgten die aktualisierten Daten [2] [Anmerkung: Die im Preprint veröffentlichten Zahlen werden im Folgenden in Klammern gesetzt]. Die Halbwertszeiten für den Virennachweis in der Luft lagen für SARS-CoV-2 bei 1,09 Stunden, für SARS-CoV-1 bei 1,18 Stunden (alte Angaben 2,74 Stunden für beide Virus­arten). Die Halbwertzeiten des SARS-CoV-2 auf Kupferoberflächen betragen nach der neuen Publikation 0,774 Stunden (alte Angabe 3,4 Stunden). Auf Pappe vergingen 3,46 Stunden (alte Angabe 8,45 Stunden), auf Stahl 5,63 Stunden (alte Angabe 13,1 Stunden) und auf Plastik 6,81 Stunden (alte Angabe 15,9 Stunden), bis die Hälfte der Viren verschwunden war. Für SARS-CoV-1 sind die Werte (bis auf Pappe) ähnlich.

Auf eine lange Verweildauer von Coronaviren auf Oberflächen weist auch eine im Februar veröffentlichte Review hin, die auf der Auswertung von 22 Studien basiert. Sie zeigte unter anderem, dass sich SERS- und MERS-Coronaviren – für SARS-CoV-2 lagen bis dato noch keine Studien vor – bei Raumtemperatur mehrere Tage auf Oberflächen aus Metall, Glas oder Plastik halten und infektiös bleiben können. Desinfektionsmittellösungen auf der Basis von Ethanol, Wasserstoffperoxid oder Natriumhypochlorid zeigen eine rasch einsetzende keim­-ab­tötende Wirksamkeit [3].

Wie desinfiziert man Plexiglas?

Foto: imago images / Rene Traut

Viele Apotheken schützen ihre HV-Mit­arbeiter mittlerweile durch Plexi- bzw. Acrylglasscheiben (aus Polymethyl­meth­acrylat, kurz: PMMA), die – wie alle potenziell kontaminierten Flächen – von Zeit zu Zeit desinfiziert werden sollten. Dafür sind jedoch nicht alle Desinfektionsmittel geeignet. Insbesondere wenn Plexiglas unter Spannung steht, führen kurzkettige Alkohole in hoher Konzentration bzw. bei häufiger Anwendung zur Bildung von Spannungsrissen (sog. Craquelée), die dafür sorgen, dass die Scheibe zunächst trüb und schließlich blind wird. Die Biozid-Produkte, die derzeit in vielen Apotheken auf Grundlage der Allgemeinverfügung der Bundesstelle für Chemikalien hergestellt werden, sind aufgrund des hohen Alkoholgehalts demnach nicht geeignet, wenn die Scheibe dauerhaft in ihrer transparenten und klaren Struktur erhalten bleiben soll. Eingesetzt werden können hingegen Flächendesinfektionsmittel, die explizit für Plexi- bzw. Acrylglas, Polymethylmethacrylat bzw. alkohol­empfindliche Oberflächen geeignet sind. Um auch dem Coronavirus den Garaus zu machen, müssen diese darüber hinaus „bedingt viruzid“ sein. Produkte, die beide Kriterien (PMMA-Eignung und bedingte Viruzidie) erfüllen, sind beispielsweise Hexaquart® plus/forte (B. Braun), Mikrobac® forte/tissues (Hartmann) oder acryl-des® (Schülke).

SARS-CoV-2 im Krankenzimmer

Wie groß ist die Viruslast in Krankenzimmern, in denen SARS-CoV2-Patienten untergebracht sind? Mit dieser Frage befassten sich Infektiologen aus Singapur und untersuchten die Patientenzimmer von drei isolierten Erkrankten. Nach der Reinigung war das Virus auf den Oberflächen nicht mehr nachweisbar, positive Nachweise (auf der Toilettenschüssel, im Waschbecken, am Türgriff zum Badezimmer und am Abluftventilator) fanden sich hingegen in einem Krankenzimmer vor der Reinigung. Die Luftproben waren negativ, auf der persönlichen Schutzausrüstung des medizinischen Personals wurde das Virus am Schuh nachgewiesen [4].

SARS-CoV2 in Ausscheidungen

Chinesische Virologen untersuchten die Ausscheidungen von 205 SARS-CoV2-Patienten. Das Virus wurde in unterschiedlicher Häufigkeit nachgewiesen. Es fand sich vorwiegend in der Flüssigkeit zur Bronchiallavage (bei 93%), im Sputum (72%), im Nasenabstrich (63%), bei der bronchosko­pischen Bürstenbiopsie (46%) und im Rachenabstrich (32%), aber auch in Stuhlproben (29%) und in Blutproben (1%). Die Urinproben waren allesamt negativ [5, 6]. |

 

Literatur

[1] Van Doremalen N et al. Aerosol and surface stability of HCoV-19 (SARS-CoV-2) compared to SARS-CoV-1. www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.03.09.20033217v2

[2] Van Doremalen N, et al. Aerosol and surface stability of HCoV-19 (SARS-CoV-2) compared to SARS-CoV-1. NEJM 2020, DOI: 10.1056/NEJMc2004973

[3] Kampf G et al. Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and their inactivation with biocidal agents. J Hosp Infect 2020;104(3):246-251, doi: 10.1016/jjhin.2020.01.022. Epub 6. Februar 2020

[4] Ong SWX et al. Air, Surface Environmental, and Personal Protective Equipment Contamination by Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) From a Symptomatic Patient. JAMA, Published online 4. März 2020, doi:10.1001/jama.2020.3227

[5] Wang W et al. Detection of SARS-CoV-2 in Different Types of Clinical Specimens. JAMA. Published online 11. März 2020, doi:10.1001/jama.2020.3786

[6] NN. Neue Studie: Wie lange SARS-CoV-2 in der Luft und auf Oberflächen nachweisbar bleibt. Ärzteblatt.online 18. März 2020, www.aerzteblatt.de/nachrichten/111137/Neue-Studie-Wie-lange-SARS-CoV-2-in-der-Luft-und-auf-Oberflaechen-nachweisbar-bleibt

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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