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Fakten gegen Fake News

Wie Ibuprofen, ACE-Hemmer und Sartane einzuordnen sind

du | Nach wie vor sorgt eine in den sozialen Medien verbreitete Sprachnachricht für große Verunsicherung, nach der die Universität Wien den Verdacht hegt, dass die Einnahme von Ibuprofen den Verlauf einer COVID-19-Infektion massiv verschlechtern soll und eine entsprechende Studie durchführt. Dies hat die Medizinische Universität Wien umgehend dementiert. Doch der Verdacht ist nicht aus der Welt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prüft die Lage und rät, bei COVID-19-Verdacht nicht ohne ärztlichen Rat Ibuprofen zu nehmen. Im Verdachtsfall soll im Rahmen der Selbstmedikation auf Paracetamol ausgewichen werden.

Eine Quelle, die die potenziell schädliche Wirkung von Ibuprofen untermauern soll, ist ein am 11. März 2020 im „Lancet Respiratory Medicine“ erschienener Leserbrief, ein sogenannter Letter, von Fang L, Karakiulakis G und Roth M [1]. Die Autoren dieses Letters erklären, dass ACE2 – also der Rezeptor, der den SARS-Viren den Eintritt in die Zellen ermöglicht (s. Abb.) – nicht nur durch ACE-Hemmer und Angiotensin-1-Rezeptor-Antagonisten (Sartane) hochreguliert wird. Auch Thiazolidindione und Ibuprofen sollen dies verursachen. Während zur Hochregulation von ACE2 durch ACE-Hemmer und Angiotensin-1-Rezeptor-Antagonisten auf eine Arbeit von Li CX, Zhang JJ und Zhuo JL in „Pharmacology Research“ verwiesen wird, findet sich zu Thiazolidindionen und Ibuprofen keine Literaturangabe [2].

Abb.: Wie SARS-Viren über das ACE-System die Lunge schädigen sollen. Angiotensin I wird durch das Angiotensin Converting Enzyme (ACE) in Angiotensin II gespalten. Angiotensin II seinerseits kann sowohl an die Angiotensin-II-Rezeptoren AT2R als auch an AT1R binden. Die Bindung an AT1-Rezeptoren fördert Gewebeschäden und ein Lungenödem, die Bindung an AT2-Rezeptoren soll dem entgegenwirken. Das Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) spaltet Angiotensin II in Angiotensin1-7, das nicht mehr an AT1R bindet. SARS-Viren nutzen den ACE2-Rezeptor zum Eintritt in die Zelle und starten dann die Virusreplikation. Parallel dazu nimmt die ACE2-Expression in den Zellen ab und damit auch die Möglichkeit, Angiotensin II durch Umwandlung in Angiotensin1-7 zu entschärfen. AT1R-Antagonisten wie Sartane (ATA) können nach dieser Hypothese die schädliche Angiotensin-II-Wirkung antagonisieren. Rekombinantes lösliches ACE (rACE) mit erhaltener Enzymfunktion soll nicht nur die Viren abfangen, sondern auch die Bildung des protektiven Angiotensin1-7 fördern [nach Nicholls J, Peiris M, Nature Medicine 2005;11(8):821; Penninger JM et al. Nature Medicine 2005;11(8):875].

An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass im Tierversuch mit Ratten eine Hochregulation von ACE2 in Herzzellen durch ACE-Hemmer und Angiotensin-1-Rezeptorblocker gezeigt werden konnte. Auch gibt es Versuche an diabetischen Ratten, die einen Einfluss von Ibuprofen auf das System zeigen [3]. Doch gibt es bislang keinen Beleg dafür, dass diese Arzneistoffe den COVID-19-Verlauf verschlimmern. Im Falle von ACE-Hemmern und Sartanen könnte auch das Gegenteil der Fall sein. Denn es gibt ebenso experimentelle Daten und Hypothesen, nach denen ACE-Hemmer und Angiotensin-1-Rezeptorblocker vor dem Eindringen von SARS-CoV-2 schützen könnten. Keine dieser widersprüchlichen Hypothesen ist bislang in klinischen Studien untermauert oder widerlegt worden. Deshalb wird eindringlich davor gewarnt, eine ACE-Hemmer- oder Sartan-Therapie einfach abzusetzen.

Einfluss von Medikamenten auf COVID-19 nicht nachgewiesen

Seit Bekanntwerden der auch als Fake News bezeichneten Whats-App-Nachricht bemühen sich Mediziner und Fachportale, die Sachlage verständlich dar- und richtigzustellen. So auch das Schweizer Online-Portal Infomed. In einer Telegrammmeldung vom 15. März 2020 titelt es: „Corona: aktuell kein Einfluss von Medikamenten nachgewiesen.“ Auch hier wird der Lancet-Leserbrief als Quelle der Gerüchte vermutet. Auch hier wird darauf verwiesen, dass es durchaus Hinweise dafür gibt, dass ACE-Hemmer und Sartane sich vorteilhaft auf einen COVID-19-Verlauf auswirken könnten. Darüber hinaus finden sich hier folgende empfehlenswerte Links auf weitere Stellungnahmen von Fach­gesellschaften:

Cave Triple Whammy

Als allgemeiner Konsens gilt, dass vor allem Patienten mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen zu den Risikogruppen zählen, die prädestiniert für schwerere COVID-19-Verläufe sind. Oft werden sie mit einer Kombinationstherapie beispielsweise bestehend aus Sartan plus Diuretikum oder einem ACE-Hemmer plus Diuretikum behandelt. Werden dann noch nichtsteroidale Antirheumatika wie Ibuprofen oder Diclofenac eingesetzt, droht eine Abnahme des glomerulären Filtrationsdrucks durch die Kombination von NSAR plus ACE-Hemmer bzw. Sartan und eine durch das Diuretikum ausgelöste Hypovolämie. Das kann in einem akuten Nierenversagen münden. Vor diesem auch als „Triple Whammy“ bekannten Dreifachschlag gegen die Nieren wird immer wieder gewarnt.

Schon vor diesem Hintergrund ist allen Patienten mit einer entsprechenden Therapie bestehend aus Sartan plus Diuretikum oder ACE-Hemmer plus Diuretikum dringend zu raten, Fieber nicht mit NSAR, sondern nach Möglichkeit mit Paracetamol zu behandeln.

WHO: Ibuprofen nicht ohne ärztlichen Rat

Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Meldung, dass die WHO rät, bei einem COVID-19-Verdacht Paracetamol und nicht Ibuprofen einzunehmen. Diese Empfehlung bezieht sich ausdrücklich auf die Therapie ohne ärztlichen Rat. Es wird betont, dass es keine Studien gibt, aus denen hervorgeht, dass eine Ibuprofen-Einnahme mit einer höheren Sterblichkeit bei COVID-19 einhergeht. Die Lage werde derzeit geprüft.  |

Literatur

[1] Fang L et al. Lancet Resp Med; 11. März 2020 https://www.thelancet.com/journals/lanres/article/PIIS2213-2600(20)30116-8/fulltext).

[2] Li CX, Zhang JJ, Zhuo JL. Pharmacology Research 2017;125:21-38

[3] Qiao W1, Wang C, Chen B, Zhang F, Liu Y, Lu Q, Guo H, Yan C, Sun H, Hu G, Yin X. Ibuprofen attenuates cardiac fibrosis in streptozotocin-induced diabetic rats. Cardiology. 2015;131(2):97-106.

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