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DAZ aktuell
Masernimpfpflicht wird ein Fall für das Bundesverfassungsgericht
Erste Verfassungsbeschwerden gegen das neue Masernschutzgesetz sind eingereicht
Das Masernschutzgesetz ist in Kraft getreten. Für Apotheker ist es vor allem wegen seiner Regelungen zu Grippeschutzimpfungen und Wiederholungsrezepte von Interesse – beides sind jedoch Vorhaben, für die noch weitere Vorarbeit nötig ist, ehe sie Einzug in den Apothekenalltag halten können. Im Zentrum des Gesetzes steht ohnehin die neue Masernimpfpflicht, die unter anderem Kinder trifft (sie gilt auch für viele im Gesundheitswesen tätige Personen – Mitarbeiter von Apotheken gehören jedoch nicht dazu). Eltern, deren Kinder in eine Kita, eine Tagespflege oder Schule aufgenommen werden sollen, müssen jetzt nachweisen, dass diese vollständig geimpft sind. Kinder ohne Masernimpfung können vom Besuch einer Kindertagesstätte ausgeschlossen werden. Ein Schulausschuss ist wegen der bestehenden Schulpflicht hingegen nicht möglich. Gegen Eltern, die ihre in Gemeinschaftseinrichtungen betreuten Kinder nicht impfen lassen, kann aber ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro verhängt werden.
Schon während des Gesetzgebungsverfahrens gab es Kritik an der neuen Masernimpfpflicht – Klagen gegen das Gesetz wurden angedroht. Nun haben die Vereine „Initiative freie Impfentscheidung e. V.“ sowie „Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V .“ bekannt gegeben, dass die ersten Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe eingereicht werden. „Mindestens vier Familien sowie eine Ärztin und ein Arzt“ würden klagen, hieß es. Die beiden Vereine, die sich nicht als Impfgegner verstanden wissen wollen, sondern ihrer eigenen Darstellung zufolge lediglich die Möglichkeit einer freien und mündigen Entscheidung pro oder contra Impfen verfechten, unterstützen sie dabei.
Zwei Eilanträge gestellt
Laut Pressemitteilung der Vereine sind die ersten Beschwerdeführer zwei Familien aus Hessen und Sachsen, die ihr Kind demnächst in eine Kita- oder Kindergarten-Betreuung geben wollen, sowie zwei Familien aus Schleswig-Holstein und Sachsen, die ihr Kind ab 1. April 2020 bzw. 1. Mai 2020 bei einer Tagesmutter zur Kindertagespflege angemeldet haben. Doch nach dem neuen Gesetz dürfen die Kinder nicht aufgenommen werden – denn sie sind nicht geimpft, und die Eltern wollen sich auch nicht zu einer Impfung zwingen lassen.
In zwei Fällen, in denen die Eltern nach der Elternzeit wieder in ihren Beruf zurückkehren müssten und die Kinderbetreuung deshalb von existenzieller Bedeutung sei, würden die Verfassungsbeschwerden mit einem Eilantrag zur vorläufigen Aussetzung des Masernschutzgesetzes verbunden.
Weitere Verfassungsbeschwerden sollen bereits in Vorbereitung sein. Hier wird es um Kinder gehen, die im Sommer in die Schule kommen sollen.
Für eine Verfassungsbeschwerde müssen die Beschwerdeführer darlegen, durch das Gesetz in ihren Grundrechten verletzt zu sein. Hier stützen sich die Eltern auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit der Kinder (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie auf ihr eigenes Grundrecht auf Erziehung (Art. 6 Abs. 2 GG). Zudem rügen sie eine Verletzung der Gleichheitsrechte (Art. 3 Abs. 1 GG). Aus Sicht der klagenden Familien ist Impfzwang aus mehreren Gründen unverhältnismäßig und nicht akzeptabel.
Unter anderem meinen sie, dass die Durchimpfungsraten in Deutschland bereits sehr hoch seien – gerade gegen Masern. Auch gebe es vergleichsweise wenige Fälle von Masernerkrankungen – und diese zögen eine relativ geringe Zahl von Spätfolgen und Todesfällen nach sich. Betroffen seien überdies weitaus mehr Erwachsene als Kinder – doch diese würden vom Gesetz nicht umfänglich adressiert. Ein weiterer Grund für ihren Widerstand: In Deutschland gibt es zurzeit keinen Einzelimpfstoff gegen Masern. Das Gesetz sieht daher ausdrücklich auch die Impfung gegen Mumps und Röteln und gegebenenfalls auch gegen Windpocken mit vor.
Die klagenden Kinderärzte stützen ihre Beschwerden darauf, dass mit der Impfpflicht staatlich in das Arzt-Patienten-Verhältnis eingegriffen werde. Zudem werde die Einwilligung der Eltern in die Impfung dadurch entwertet, dass sie erzwungen werde.
Den Vereinen zufolge sind neben den Verfassungsbeschwerden auch mehrere Klagen eines einfachgerichtlichen Rechtsschutzes in Vorbereitung. Hier ist das Ziel, über die Instanzgerichte ebenfalls eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen – aber über ein anderes Verfahren, die konkrete Normenkontrolle. Diese Zweigleisigkeit dürfte darauf zurückzuführen sein, dass nur sehr wenige Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe Erfolg haben. |
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