Wirtschaft

Einblicke in die AvP-Struktur

Abrechnungsgelder nicht Teil der Bilanz

eda | Der Insolvenzexperte und Rechtsanwalt Dr. Rainer Eckert präsentierte im Rahmen eines Live-Talks auf DAZ.online Einblicke in die Konzernstruktur des angeschlagenen Düsseldorfer Rechenzentrums. Dabei fällt auf: Die Abrechnungsgelder sind nicht in den AvP-Bilanzen auf­geführt. Eckert wertet dies als Indiz dafür, wie diese Beträge nach dem Willen von AvP zu behandeln seien – nämlich nicht als eigene Betriebsmittel.

Bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf läuft im Fall des zahlungs­unfähigen Apothekenrechen­zentrums AvP ein Ermittlungs­verfahren gegen zwei Personen wegen betrügerischer Insolvenz. Gegen wen genau ermittelt wird, dazu will sich die Staatsanwaltschaft noch nicht konkret äußern. Fest steht, auf den AvP-Konten muss ein signifikantes Finanzloch klaffen. Anfang September 2020 kündigten die finanzierenden Banken den Konsortialkredit gegenüber der AvP Deutschland GmbH, setzten den Sonderbeauftragten der Bankenaufsicht BaFin Ralf R. Bauer ein, der dann – vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Heuking – am 15. September den Insolvenzantrag stellte.

Dr. Rainer Eckert, Fachanwalt für Insolvenzrecht aus Hannover, vertritt in diesem Fall zahlreiche betroffene öffentliche Apotheken und Krankenhausapotheken sowie weitere Leistungserbringer. In einem Live-Talk-Format auf DAZ.online skizzierte er die bisherigen Geschehnisse und präsentierte exklusive Einblicke in die Konzernstruktur der angeschlagenen Unternehmensgruppe AvP.

Mit Rechtsanwalt Dr. Jan-Phillip Hoos von der Kanzlei White & Case ist seit dem 16. September nun ein vorläufiger Insolvenzverwalter vom Amtsgericht Düsseldorf bestellt worden, der eine Insolvenzgeldvorfinanzierung für die Gehälter der Mitarbeiter des Unternehmens initiiert hat. Der Insolvenzgeldzeitraum wird mit September bis November 2020 angegeben, daher ist mit einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Dezember zu rechnen. Hoos und Geschäftsleiter Bauer führen nur noch das Abrechnungsgeschäft mit Krankenhausapotheken fort.

Nur ein Tochterunternehmen ist betroffen – bis jetzt

Die AvP-Unternehmensgruppe besteht aus der AvP Service AG, deren alleiniger Anteilseigner Mathias Wettstein ist, mit einem eingebrachten Stammkapital von 600.000 Euro. Der AG untergeordnet sind vier hundertprozentige Tochterunternehmen:

  • Die AvP Deutschland GmbH wird in der Unternehmensdatenbank der Bankenaufsicht BaFin als Finanzdienstleistungsinstitut geführt. Über sie wickelt AvP die Finanztransaktionen mit den Leistungserbringern ab. Historisch gesehen ist die AvP Deutschland GmbH aus vielen einzelnen Gesellschaften entstanden, die regional organisiert waren. In der Tochter werden die Fremdmittel verwaltet und der Abrechnungsprozess koordiniert. Außerdem finden hier der Vertrieb, die Kundenbetreuung sowie das Vertragsmanagement mit den Offizinapotheken statt.
  • Über die AvP Dienstleistung GmbH wird die Rezeptabholung organisiert und findet die Datenerfassung der Rezepte im Rahmen des Abrechnungsprozesses statt. Außerdem ist in diesem Tochterunternehmen die Informations- und Belegbereitstellung an Rechnungsempfänger lokalisiert. Das Vertragsmanagement mit den Krankenhaus­apotheken ist Aufgabe dieser GmbH. Insolvenzrechtler Eckert erwartet „händeringend“ den Insolvenzantrag der AvP Dienstleistung GmbH. So könne sichergestellt werden, dass dort keine Rezepte abfließen.
  • In der AvP IT GmbH geht es um Softwareentwicklung und -support, Datenbankmanagement sowie IT-Beschaffung. Außerdem findet hier der Support für die IT-Infrastruktur der AvP-Unternehmensgruppe statt und der technische Support für die Erstellung von Rezept- und Herstellerrabattabrechnung. Geschäftsführer ist AvP-AG-Vorstand Mathias Wettstein.
  • Die Dialog im Gesundheits­wesen GmbH verwaltet den Zahlungsverkehr mit den Kos­tenträgern und das Mahnwesen gegenüber Herstellern. Außerdem rechnet sie die pharmazeutischen Herstellerrabatte ab.

Dr. Rainer Eckert rechnet damit, dass kurzfristig weitere Insolvenzanträge innerhalb der AvP-Unternehmensgruppe folgen könnten. Denn die anderen Unternehmen der Gruppe seien auf Zahlungen der AvP Deutschland GmbH angewiesen. Darüber hinaus weist er darauf hin, dass Mathias Wettstein eine weitere Firma in Polen hält, mit der eine Software entwickelt und vertrieben wird, die Krankenhausambulanzen in der Abrechnung von Zytostatika unterstützt.

Insgesamt zählt die AvP-Unter­nehmensgruppe 277 Mitarbeiter. 2019 erzielte die AvP Deutschland GmbH Umsatzerlöse in Höhe von 26,5 Millionen Euro. In den Büchern befindet sich eine Bilanzsumme von 11 Millionen Euro. Markant: Nicht in den Bilanzen aufgeführt ist das Abrechnungsvolumen von über sieben Milliarden Euro für das vergangene Jahr. Insolvenzrechtler Dr. Rainer Eckert wertet dies als Indiz dafür, wie diese Beträge nach dem Willen von AvP zu behandeln seien – nämlich nicht als eigene Betriebsmittel. |

Webcast zur AvP-Insolvenz

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