Arzneimittel und Therapie

Enzephalopathien unter Baclofen

Bei chronischen Nierenerkrankungen ist Vorsicht geboten

Baclofen stimuliert als zentral wirk­sames Muskelrelaxans den GABAB-­Rezeptor. Eingesetzt wird der Wirkstoff zur Behandlung von Spastizitäten der Skelettmuskulatur. Während Benzodiazepine – deren pharmakologische Wirkung auf einem allosterischen Angriff am GABAA-Rezeptor beruht – vor Ausscheidung extensiv metabolisiert werden, wird Baclofen überwiegend unverändert renal eliminiert. Dem­zufolge nimmt die Eliminationshalbwertszeit mit abnehmender Nierenfunktion zu, was zur Akkumulation des Arzneistoffs führt. Mindestens 30 Fallberichte über Erkrankungen oder Schädigungen des Gehirns (Enzephalopathien) bei Patienten mit chro­nischen Nierenerkrankungen nach Baclo­fen-Neuverordnung liegen vor. Kontrollierte Daten, die einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Baclofen und dem Auftreten von Enzephalopathien belegen, fehlen jedoch.

In einer retrospektiven Kohortenstudie wurde nun bei 300.205 Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen zwischen drei Gruppen das Risiko verglichen, innerhalb von 30 Tagen aufgrund einer Enzephalopathie in eine Klinik eingewiesen zu werden: 9707 Patienten erhielten hierbei eine Therapie mit Baclofen ≥ 20 mg/Tag, 6235 Patienten erhielten < 20 mg/Tag, und 284.263 Patienten nahmen kein Baclofen ein. Hospitalisierungen aufgrund einer Enzephalopathie wurden bei 1,11% der Patienten unter Baclofen ≥ 20 mg/Tag und bei 0,42% der Patienten unter Baclofen < 20 mg/Tag dokumentiert. Der Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen war statistisch signifikant. Beide Baclofen-­Behandlungsgruppen wiesen darüber hinaus im Vergleich zu den nicht mit Baclofen behandelten Patienten (0,06% Enzephalopathie-Fälle) ein deutlich erhöh­tes Enzephalopathie-Risiko auf. Die Studienautoren stellen klar, dass die Studie nicht einer generellen Überprüfung des Nutzen-Risiko-­Profils des Wirkstoffs diente. Sie empfehlen, die möglichen Risiken und den zu erwartenden Nutzen einer Baclo­fen-Therapie patientenindivi­duell abzuwägen. |

Literatur

Muanda FT et al. Association of Baclofen With Encephalopathy in Patients With Chronic Kidney Disease. JAMA 2019; doi: 10.1001/jama.2019.17725

Apotheker Dr. Peter Meiser

Das könnte Sie auch interessieren

Effektivere Blutdrucksenkung mit gleich drei Antihypertensiva in halber Dosierung

Drei auf einen Streich

Welche Antipsychotika das Pneumonie-Risiko erhöhen

Anticholinerge Effekte im Verdacht

Anticholinerge Effekte im Verdacht

Welche Antipsychotika das Pneumonie-Risiko erhöhen

Erster nichtsteroidaler Mineralcorticoid-Rezeptor-Antagonist für Typ-2-Diabetiker zugelassen

Finerenon schützt Nieren und Herz

Risiko für gastrointestinale Blutungen ist nahezu verdoppelt

Gefährliches Duo: orale Glucocorticoide und NOAK

Von perioperativer Gabe bei Herzoperationen wird abgeraten

Statine können Nieren nicht schützen

Finerenon soll vor kardiovaskulären Ereignissen und Nierenversagen schützen

Auf Herz und Nieren geprüft

Was tun bei auffälligen Leber- und Nierenwerten?

Eine Patientin mit Leberzirrhose und eingeschränkter Nierenfunktion

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.