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Arzneimittel und Therapie
Zahl der Migränetage reduzieren
Prophylaxe mit CGRP-Antagonisten und CGRP-Antikörpern
Eine Migräne verläuft in verschiedenen Phasen, von denen die erste oft übersehen wird (Abb. 1). Vor allem bei der Migräne mit einer Aura treten vorübergehende fokale neurologische Symptome auf, die den Kopfschmerzen meist vorangehen oder sie begleiten. Dazu gehören Übelkeit und Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Heißhungerattacken, häufiges Gähnen, Müdigkeit und Nackensteifheit. Bei der Migräne ohne Aura ist der regionale zerebrale Blutfluss während Migräneattacken im Gegensatz zur Migräne mit Aura unverändert. Mittlerweile wird das Migränegeschehen nicht mehr als rein vaskulär bedingt angesehen. Die Sensibilisierung von Schmerzbahnen und die Möglichkeit, dass Attacken im Zentralnervensystem generiert werden, rückt immer mehr in den Mittelpunkt, so Prof. Dr. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel im Rahmen der Scheele-Tagung am 10. November in Warnemünde. Es konnte gezeigt werden, dass das trigemino-vaskuläre System und Neurotransmitter wichtig sind: Botenmoleküle wie Stickoxid (NO), Serotonin (5-Hydroxytryptamin; 5-HT) und Calcitonin-Gene-Related Peptide (CGRP) sind in das Migränegeschehen involviert. Analgetika wie Acetylsalicylsäure und nicht steroidale Antirheumatika sind zwar bei der Behandlung der Migräne wirksam, und leichtere und mittelstarke Migräneattacken sollten zunächst mit diesen Substanzen behandelt werden. Eine Migräneattacke verhindern können die Substanzen aber nicht. Die 5-HT1B/1D-Agonisten (Triptane) gelten als die Substanzen mit der besten Wirksamkeit bei akuten Migräneattacken und sollten eingesetzt werden bei Migräneattacken, die nicht auf Analgetika oder NSAR ansprechen.
Über Calcitonin gene-related Peptide Migräne verhindern
Bei der Migräne steigt getriggert durch äußere und innere Stimuli der neuronale Energieverbrauch, so dass es zu einer Überlastung der neuronalen Energiepumpen, Aktivierung des trigemino-vaskulären Systems und zu einer Ausschüttung verschiedener Neuropeptide und der Freisetzung des Calcitonin gene-related Peptids (CGRP) kommt. CGRP gilt als der stärkste Vasodilatator intrakranieller Arterien und ist in neuroinflammatorische Prozesse involviert. Der CGRP-Spiegel im Blut steigt bei einer Migräneattacke und ist zwischen den Attacken bei chronisch Migränekranken erhöht. Experimentell konnte gezeigt werden, dass eine CGRP-Infusion Migränattacken triggern kann. Große Hoffnung wird daher auf monoklonale Antikörper gesetzt, die die Wirkung dieses Schlüsselmediators für Migräneschmerzen hemmen sollen. Sie binden an die Liganden und verhindern so die Aktivierung des Rezeptors oder sie blockieren direkt den CGRP-Rezeptor. Durch die Blockade von CGRP kommt es zu einer Reduktion der Schmerztransmission, der neurogenen Entzündung und der Vasoinflammation. Könnte es gelingen, die Rezeptoren ständig zu blockieren, so würde keine Migräne auftreten. Durch die lange Halbwertszeit der Antikörper von ca. 30 Tagen (s. Tab.) gelingt es zumindest, die Migräneanfälligkeit zu reduzieren. Nach der Einführung von Erenumab (Aimovig®) im Jahr 2018 kamen im April 2019 mit Galcanezumab (Emgality®) und Fremanezumab (Ajovy®) zwei weitere Antikörper zur Migräneprophylaxe auf den deutschen Markt. Sie sind indiziert bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat. Fremanezumab und Galcanezumab binden direkt an das Neuropeptid CGRP und verhindern so die Aktivierung des Rezeptors, Erenumab blockiert den CGRP-Rezeptorkomplex. Galcanezumab und Erenumab werden einmal monatlich subkutan mit einem Fertigpen injiziert, bei Fremanezumab reicht auch eine vierteljährliche Applikation, allerdings steht noch keine spezielle Dreimonatsspritze zur Verfügung. Die Wirksamkeit der drei Antikörper ist ähnlich, es gelingt mit ihnen, die Zahl der Migräne-Kopfschmerztage pro Monat um einige Tage zu reduzieren. So hatten beispielsweise unter Fremanezumab Patienten mit episodischer Migräne 3,4 bis 3,7 Migränetage weniger pro Monat, unter Placebo waren es 2,2 Tage weniger. Bei Patienten mit chronischer Migräne konnten mit Fremanezumab die monatlichen Migränetage um 4,9 bis 5 Tage verringert werden, unter Placebo waren es 3,2 Tage. Beachtet werden sollte, dass CGRP im Organismus eine protektive Rolle in Bezug auf Atherosklerose, ischämische Herzerkrankung oder Hypertension spielt. Das heißt, bei einem hemmenden Eingriff in dieses System sind arterieller Hypertonus, Herzinfarkt, Schlaganfall sowie chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder Inflammation denkbar. Auch liegen noch keine Langzeiterfahrungen vor.
Erenumab (Aimovig®) | Fremanezumab (Ajovy®) | Galcanezumab (Emgality®) | Eptinezumab | |
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Target | CGRP-Rezeptor | CGRP | CGRP | CGRP |
untersuchte Migräneform | episodisch chronisch | episodisch chronisch | episodisch chronisch Cluster-Kopfschmerz | episodisch chronisch |
Applikation | s.c. monatlich | s.c. monatlich, dreimonatlich | s.c. monatlich | i.v. |
Halbwertszeit (Tage) | 21 | 31 | 27 | 28 |
Entwicklungsphase | zugelassen | zugelassen | zugelassen (Cluster-Kopfschmerz nur in den USA) | Phase III (episodische Migräne) Phase II (chronische Migräne) |
Zu den kleinen Molekülen (small Molecules), die an die CGRP-Rezeptoren binden und als CGRP-Antagonisten wirken, gehört Ubrogepant, für das in den USA die Zulassung zur Akuttherapie beantragt ist. Nachdem die Entwicklung von Olcegepant und Telgecepant eingestellt wurde, befinden sich mit Atogepant (zur Migräne-Prophylaxe) und Rimegepant (zur Akuttherapie und Migräne-Prophylaxe) zwei weitere Wirkstoffe in der Phase III der klinischen Entwicklung. In einer aktuellen Studie konnte gezeigt werden, dass die akute Behandlung von Migräne mit Ubrogepant zu deutlich mehr Schmerzfreiheit nach zwei Stunden im Vergleich zu Placebo führte. Da die „Gepante“ nicht vasokonstriktorisch wirken, könnten sie eine Option bei kardiovaskulären Vorerkrankungen sein, bei denen Triptane kontraindiziert sind.
Auf Komorbiditäten achten
Mit dem Migränegeschehen eng verbunden ist das Risiko für Komorbiditäten, die nicht unterschätzt werden dürfen, so Göbel. Migränepatienten haben ein acht- bis zehnfach erhöhtes Risiko für emotionale und affektive Störungen, das Risiko für Depressionen ist vierfach erhöht. Belegt ist ein Zusammenhang mit Angsterkrankungen: das Risiko für Panikattacken, Phobien und generalisierte Ängste ist zwei- bis sechsfach erhöht. Migränepatienten machen sich sehr viel mehr Sorgen und haben schon Befürchtungen, was alles eintreten könnte, bevor irgendetwas eintritt. Das Suizidrisiko ist erhöht und es besteht eine große Gefahr eines Medikamentenübergebrauchs. Migränepatienten haben sehr große Bedenken vor Nebenwirkungen – und sie spüren auch viel häufiger Nebenwirkungen als Nichtmigräniker. Diese Ängste sollte man in der Beratung ernst nehmen. |
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