Aus der Hochschule

Deutsch-amerikanischer Workshop zur Medikationsanalyse

Studierende aus Minnesota waren zu Gast an der Universität Bonn

Wer sein Staatsexamen in Pharmazie macht, erfährt normalerweise nichts über das amerikanische Studiensystem für angehende Apotheker. Doch wir Pharmaziestudierende des 8. Semesters der Univer­sität Bonn bekamen diese Gelegenheit. In unserem internationalen Workshop mit Gästen von der University of Minnesota ging es einen Tag lang um den persönlichen und fachlichen Austausch.

„Auf dem Workshop können Sie Ihren Wissensstand und Ihre Vorgehensweise bei der Medikationsanalyse mit den Standards der amerikanischen Studierenden vergleichen, das wird sicherlich spannend“, so kündigte Professor Dr. Ulrich Jaehde im Vorfeld die Veranstaltung an. Unsere Gäste waren fünf Studierende der University of Minnesota, Prof. Dr. Henning Schröder, Leiter des Internationalen Austauschprogramms, und Dr. Jochen Pfeifer, Associate Professor am College of Pharmacy der University of Minnesota und Inhaber der Adler-Apotheke in Velbert, der den Austausch zusammen mit den beiden Bonner Pharmazie-Alumni Andreas Niclas Förster, Pharm. D., und Marius Paul organisiert hatte.

Foto: Ulrich Jaehde, Bonn

Die Studierenden aus Minnesota und Bonn freuen sich auf das Kennenlernen und den fachlichen Austausch.

Klinische Pharmazie – von Anfang an

Nach einem Rundgang über den Campus informierten die Gäste aus Minnesota über das Pharm.-D.-Studium am College of Pharmacy der Univer­sity of Minnesota. In den USA muss man vor Beginn des Studiums zum Beispiel einen Bachelorstudiengang mit vorgeschriebenen Fächern, zu denen vor allem auch Chemie gehört, absolvieren. Das Studium ist kostenpflichtig, der Abschluss eröffnet ähnliche Berufsmöglichkeiten wie in Deutschland. Trotz vieler inhaltlicher Übereinstimmungen unterscheidet sich der Studienverlauf im „Pharm. D. Program“ aber wesentlich vom deutschen Hauptstudium. Denn in Minnesota werden bereits ab dem ersten Semester durchgängig Veranstaltungen in Klinischer Pharmazie angeboten. Bei dem Vortrag über das deutsche Curriculum zeigten sich die Gäste aus Minnesota überrascht, dass dieser wichtige Bereich hierzulande erst am Ende des Hauptstudiums angeboten wird. Immerhin konnten die Gastgeber darauf hinweisen, dass in Bonn bereits die Erstsemester eine Vorlesung „Einführung in die patienten­orientierte Pharmazie“ hören können.

Unterschiedliche Ansätze ...

Der fachliche Austausch wurde dann bei einer gemeinsamen Medikationsanalyse weiter vertieft. In Klein­gruppen wurden reale Patientenfälle bearbeitet. Die Studierenden der Universität Bonn hatten in ihrem Wahlpflichtfach „Pharmazeutische Betreuung“ diese Patienten und ihre arzneimittelbezogenen Probleme kennengelernt und sie eine Woche lang auf einer kardiologischen, internistischen und pneumologischen Station des Universitätsklinikums Bonn begleitet. Gespannt gingen sie in die Diskussion mit den Amerikanern, um gemeinsam die Medikation zu optimieren. Erstaunlich einfach gelang der Austausch auf Englisch. Dabei stellte sich schnell heraus, dass trotz eines vergleichbaren Kenntnisstands die Studierenden aus Minnesota und Bonn unterschiedlich an die Fälle herangingen. Die Studierenden aus Minnesota gingen direkt von der ärztlichen Dia­gnosestellung aus und überprüften danach die Medikation entsprechend der Leitlinien. Die Bonner Studierenden prüften zunächst die eingesetzten Arzneistoffe und ihre möglichen Interaktionen, um dann zu beurteilen, ob sie eine angemessene Therapie für die Indikation darstellen. Im gemischten Team konnte man sich gut ergänzen und die teils unterschiedlichen Einschätzungen diskutieren.

Foto: Ulrich Jaehde, Bonn

In kleinen deutsch-amerikanischen Arbeitsgruppen wurde engagiert über die Patientenfälle aus dem Uniklinikum Bonn diskutiert.

... und unterschiedliche Empfehlungen

In einem Fallbeispiel erhielt ein Patient das Schmerzmittel Oxycodon, für die Bonner Studierenden eine unbedenkliche ärztliche Verordnung. Doch Gäste aus den USA waren sensibilisiert für die potenziellen Risiken dieser Therapie und berichteten von der Opioidkrise in den Vereinigten Staaten. Sie wollten herausfinden, inwieweit alle anderen Therapieoptionen bereits ausgeschöpft waren und ob Oxycodon womöglich durch ein Nicht-Opioid-Analgetikum ersetzt werden könnte. Bei der Reinfarktprophylaxe wählten die Bonner für den Patienten ein direktes orales Antikoagulans, dessen Einsatz gegenwärtig in Deutschland bevorzugt wird, wegen der einfacheren Anwendung im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten. Anders die amerikanischen Studierenden: Sie plädierten für einen Vitamin-K-Antagonisten, denn obgleich dessen Dosierung schwieriger einzustellen ist, könne man so den Erfolg der Therapie durch die INR-Messung besser verfolgen.

Grundsätzlich waren sich Gäste und Gastgeber jedoch bei der Medikationsanalyse meistens relativ schnell einig. Insgesamt waren die Pharm.-D.-Studierenden in der Medikationsanalyse dank ihres praxisnahen Curriculums routinierter. Bei der Präsentation der Lösungen zeigte sich Prof. Jaehde zufrieden: „Die transatlantische Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert.“

Flächendeckend Stations­apotheker in den USA

Beim Ausklang der Veranstaltung in einem Bonner Biergarten fragten die Gäste nach, warum sie bei ihrer insgesamt dreiwöchigen Deutschlandtour keine Stationsapotheker angetroffen hätten. Als sie erfuhren, dass es diese in Deutschland noch nicht flächendeckend gibt, zeigten sie sich schockiert: „Wer überprüft denn dann die Verordnung der Ärzte?“

Diese Begegnung hat verdeutlicht, wie unterschiedlich die Tradition der Klinischen Pharmazie in den USA und Deutschland ist. Der Perspektivwechsel war spannend und zeigte auch Perspektiven für eine Weiterentwicklung des deutschen Pharmaziestudiums auf. |

Nadja Haas, Studentin der Pharmazie an der Universität Bonn im 8. Semester

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