DAZ aktuell

Gleiches Geld – mehr Arbeit

Hohe Belastungen für Apotheken in England erwartet

SÜSEL (tmb) | Im Juli wurde die neue Vereinbarung für die Honorierung der öffentlichen Apotheken in England in den nächsten fünf Jahren veröffentlicht. Die Apotheken sollen wie bisher jährlich 2,59 Milliarden Pfund für ihre Arbeit erhalten. Doch für die klassische Distributionsleistung wird dabei weniger Geld zur Verfügung stehen. Viele Apotheker fürchten daher inzwischen, dass sie ihre Apotheken aufgeben oder sich zusammenschließen zu müssen.

Der neue „Community Pharmacy Contract” für 2019/20 bis 2023/24 sieht ein festes Budget von 13 Milliarden Pfund für die Leistungen der Apotheken vor. Das ergibt ab dem 1. Oktober 2019 jährlich 2,59 Milliarden Pfund (etwa 2,91 Milliarden Euro). Ein In­flationsausgleich findet nicht statt.

Weniger Geld für Distribution

Künftig stehen weiterhin pro Jahr 1315 Millionen Pfund für den preisunabhängigen Abgabetarif und 800 Millionen Pfund für die prozentuale Marge auf Arzneimittel zur Verfügung, aber ab 2020/21 soll das „establishment payment“ wegfallen, das bisher 167 Millionen Pfund ausmacht. Damit werden Apotheken mit einem festen Betrag zusätzlich honoriert, sofern sie mindestens 2500 Packungen pro Monat abrechnen. Das hierfür verwendete Geld soll künftig anders verteilt werden, insbesondere für neue Dienstleistungen.

Bei der klassischen Distribution wird Rationalisierungspotenzial durch neue Technologien und erweiterte Befugnisse für PTA erwartet. In einer Veröffentlichung von Apothekerseite werden insbesondere Deprescribing, beschränkte Erstattungsfähigkeit von OTC-Arzneimitteln, Prävention und Reduzierung des Antibiotika­verbrauchs als Ansätze für die Ver­ringerung der Verschreibungszahl ­genannt.

Erschreckende Modellrechnungen

Hemant Patel, Geschäftsführer des North East London Pharmaceutical Committee, hat daraufhin ein Modell programmiert, das die wirtschaftlichen Folgen für die Apotheken anhand der neuen Honorarvereinbarung und der erwarteten Kostenentwicklung apothekenindividuell voraus­berechnen soll. Im „Pharmaceutical Journal“ wurde dazu berichtet, von 14 Apothekern hätten acht aus den Ergebnissen gefolgert, dass sie in den nächsten fünf Jahren ihre Apotheke aufgeben müssten. Vermutlich nutzen einen solchen Test zuerst die Apotheker, die sich als besonders betroffen wahrnehmen. Dies würde das Ergebnis verzerren. Doch es erscheint plausibel, dass für weniger Arzneimittelabgaben weniger Apotheken ­benötigt werden.

Einige weitere Honorarbestandteile sollen unverändert bleiben, aber auch bei den Dienstleistungen sind erheb­liche Veränderungen geplant. Die bei der fachlichen Diskussion in Deutschland viel beachteten „medicines use reviews“ (MUR), die etwa mit Medikationsanalysen übersetzt werden können, sollen nach dem Geschäftsjahr 2020/21 in öffentlichen Apotheken eingestellt werden. Stattdessen sind für die Apotheken neue „clinical ser­vices“ geplant, deren Inhalte offenbar noch nicht feststehen, für die aber bereits 223 Millionen Pfund im Geschäftsjahr 2020/21 vorgesehen sind.

Beim neuen „community pharmacist consultation service“ (CPCS) sollen die Apotheken künftig eine größere Rolle in der Akutversorgung einnehmen. Der neue Service soll bisherige Angebote der Apotheken bei einfachen Erkrankungen ersetzen. Letztlich zielen diese Leistungen darauf, ärztliche Tätigkeiten zu substituieren und so die Ärzte entlasten. Die Apotheken sollen dafür 4 Millionen Pfund im Geschäftsjahr 2019/20 ­erhalten. Bis zum Geschäftsjahr 2023/24 soll der Betrag auf 19 Millionen Pfund steigen. Hinzu kommen 900 Pfund pro Apotheke als Unterstützung für die Anschaffung der ­nötigen IT-Systeme.

Außerdem sollen die Apotheken einen Hepatitis-C-Test einführen und einige Pilotmodelle erarbeiten, beispielsweise zum Rauchstopp und zur Identifizierung unerkannter Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen. Bis April 2020 sollen alle Apotheken E-Rezepte bearbeiten können.

Mehr Arbeit – weniger Apotheken

Im Ergebnis bedeutet dies alles, dass die englischen Apotheken in den nächsten fünf Jahren bei gleichem ­Gesamthonorar und inflationsbedingt steigenden Kosten mehr Dienstleistungen erbringen müssen. Damit sollen offenbar Anreize geschaffen werden, die Zahl der abgegebenen Arzneimittel und auch die Zahl der Apotheken zu senken. |

Quellen:

Lewis G, 5-year pharmacy funding deal revealed with greater focus on services. ­Community pharmacy news, analysis and CPD, 22. Juli 2019

Clews G, Robinson J, PSNC holding ‚urgent talks‘ with government on new contract funding. The Pharmaceutical Journal, 5. September 2019

Wickware C. Five important features of the new community pharmacy contract. The Pharmaceutical Journal, 9. September 2019

N. N. The New Pharmacy Contract - CPCF 2019/20 - 2023/24. NEL LPC Profit and loss five year predictor. newcpcf.nellpc.org.uk 

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