Die Seite 3

Was wird bleiben?

Klaus G. Brauer, ­Herausgeber der DAZ

Was wird bleiben – von diesem Apothekertag in Düsseldorf? Vielleicht, dass dort von der verfassten Apothekerschaft der Einstieg in den Ausstieg vom System fester, gleicher Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel akzeptiert wurde? Eine Geschichte vom Kämpfen und Kuschen, nach dem Drehbuch von „Kabale und Hiebe“? In Düsseldorf denkt man unwillkürlich an Heinrich Heine und sein Wortspiel: erst „vorlaut“ dann „nachstill“. Sind wir das, wir Apotheker? Über uns erkennen wir einen Gesundheitsminister, ­geschickt, jung, trotzdem schon mit allen Wassern gewaschen. Einer, der in Düsseldorf zeigte, dass er einen Apothekertag spielerisch ins Wanken und auf (seine) Linie bringen kann. Auf Machiavellis Streitfrage, ob es für einen Politiker besser ist, geliebt als gefürchtet zu werden oder umgekehrt, beherrscht er die Antwort: beides sollte er sein, im Konfliktfall aber ist es sicherer, gefürchtet als geliebt zu sein.

Vom Ende her betrachtet könnte man den diesjährigen Apothekertag unter der Rubrik „Friede, Freude, Eierkuchen“ abheften. Dabei war die Ausgangssituation schwierig – für Spahn und für die ABDA-Führung. Für die Vorbereitung seines Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG), so viel scheint klar, hatte Spahn frühzeitig ABDA-Vertreter mit ins Boot geholt. Die Vermutung, dass man sich dabei – do ut des – einiges zugesagt hat, liegt nahe. Darunter auch zur Frage, wie man mit der verlorenen Gleichpreisigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (Rx) umgehen soll?

So ließe sich jedenfalls erklären, warum sich nicht nur Spahn, sondern auch die ABDA-Spitze so wenig amused zeigte, als der Bundesrat sich überraschenderweise darauf verständigte, die beste Lösung sei die Rückkehr zum Verbot des Versandes verschreibungspflichtiger Arzneimittel (RxVV) – so wie es in der Mehrzahl der EU-Staaten existiert. Eine Regelung aber, die Spahn ablehnt wie der Teufel das Weihwasser. Warum wohl?

Rx-Versand soll nach Spahn erlaubt bleiben, Boni aber nur bei PKV-Patienten und Selbstzahlern. Für den Bereich der GKV will er (weil europarechtlich angeblich besser begründbar) Gleichpreisigkeit über eine Regelung im SGB V sichern. Aber: Würde diese Ungleichbehandlung juristische Scharmützel nicht geradezu herausfordern? Andererseits: Für die verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit von RxVV sprechen etliche Gutachten namhafter Juristen, nicht zuletzt auch des EuGH-Generalanwalts Szpunar. Er war 2016 für das Boni-Urteil zuständig. In seinem Schlussantrag heißt es, es könne durchaus Gründe geben, die ein „Verbot des Versandhandels für Rx-Arzneimittel rechtfertigen“.

Spahn lässt sich von solchen Argumenten nicht irritieren. Er verlasse sich auf die Regierungsjuristen (im BMG, im BMJ und BMWi). Die ABDA steht damit vor einem Dilemma. Öffentlich hatte sie sich und ihre Truppen für das RxVV stark gemacht. Ihre Überzeugungsarbeit war durchaus erfolgreich, in den Ländern und im Bund. Davon abzurücken, wäre ein enormer Gesichtsverlust. Unter­stützer würden düpiert.

Aber auch Spahn machte Druck. Der Apothekertag zeigte erneut: Spahn will die ABDA zur Not auf seinen Kurs zwingen. Wenig dezent wies er darauf hin, er könne sich auch aus dem Gesetzesvorhaben ganz zurück­ziehen. Die Apotheker könnten dann ja versuchen, eine Bundesratsinitiative anzustoßen, in der Hoffnung, auf diesem Weg mehr zu erreichen.

Die ABDA weiß: Dies wird kaum möglich sein. Schon aus Zeitgründen nicht – wie lange hält die Groko noch, was passiert in den Ländern? Aber man brauche das Gesetz – dringend. Angst vor der eigenen Courage machte sich breit. Man sah sich gezwungen, klein beizudrehen. Kurz vor dem Ende des Apothekertags wurde fast einstimmig ein Antrag durchgewinkt, der wie ein vom Apothekertag ausgestellter Freifahrtschein für Spahn zu lesen ist. Für mich lese ich ihn so: Spahn möge doch – bitte, bitte – seinen vorliegenden Entwurf für das VOASG schnellstmöglich in den Bundestag einbringen. Und, versprochen: die Apothekerschaft würde das Gesetz im parlamentarischen Prozess konstruktiv/kritisch begleiten. Das war es dann.

Klaus G. Brauer

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