Deutscher Apothekertag 2019

Spahns Kabinettsstückchen

Ein Kommentar von Armin Edalat

Dr. Armin Edalat,
Chefredakteur der DAZ

Nach der Fertigstellung des neuen ABDA-Domizils in der Berliner Heidestraße sind es glücklicherweise nur noch vier Großbaustellen, mit denen sich die Apotheker derzeit beschäftigen müssen: Versandhandelskonflikt, Honorarfrage, Dienstleistungen und Digitalisierung.

Zugegeben, jedes Thema für sich wäre schon ein gesundheitspolitisches Mammutprojekt. Alles zusammen könnte selbst einen „Apothekenminister“ – wenn es ihn denn gäbe – in der noch verbleibenden Legislaturperiode zur Verzweiflung treiben.

Nun existiert mit Jens Spahn aber ein Supergesundheitsminister, der diese vier Baustellen kurzerhand zusammengeführt und in die Ausmaße eines Braunkohletagebaus umgewandelt hat. (Unbestreitbar dreht sich dabei ja vieles um das Thema „Kohle“) Es wird gebuddelt und gewerkelt, hin und wieder auch protestiert. Niemand kann sicher sagen, worauf man stoßen wird und welche Bilanz am Schluss steht.

Es wäre von Vorteil gewesen, wenn man sich in den vergangenen Jahren mit dem Versandhandelskonflikt, der Honorarfrage, den Dienstleistungen oder der Digitalisierung jeweils separat und ernsthaft beschäftigt hätte – und zwar als Standesvertretung und als Gesetzgeber. Das eine hat mit dem anderen nämlich nicht unbedingt etwas zu tun. Ganz im Gegenteil, häufig wird das eine als Vorwand für das andere genommen. Oder es handelt sich um einen faulen Kuhhandel, bei dem man sich das eine mit dem anderen abkaufen lässt. Spahns „Apothekenstärkungsgesetz“ beinhaltet beides, sowohl den Vorwand als auch den faulen Kuhhandel.

Natürlich ist es wichtig, dass es ein Makelverbot für elektronische Verordnungen gibt. Und es ist endlich an der Zeit, dass unser akademischer Berufsstand mit honorierbaren, pharmazeutischen Dienstleistungen gefordert wird. Auch gegen eine bessere Vergütung bei der Versorgung mit Betäubungsmitteln wäre ja nichts einzuwenden, wenn da nicht im selben Reformpaket das äußerst wackelige Sozialrechtskon­strukt stehen würde, mit dem sich der Minister zu „90 Prozent“ dem Versandhandelskonflikt widmen möchte.

Nun ist jedem halbwegs seriösen und klar denkenden Beobachter am Freitag vergangener Woche bewusst geworden: Das Sprichwort „Der Westfale hält, was der Rheinländer verspricht“ gilt spätestens seit Spahn und seinem Amtsvorgänger Hermann Gröhe nicht mehr. Das Rx-Versandverbot wird es mit Spahn nicht geben. Umso wichtiger ist es, dass sich die Apothekerschaft diese ordnungspolitische Forderung per Leitantrag ins Stammbuch geschrieben hat.

Weshalb sich die meisten Delegierten und die ABDA an das „Apothekenstärkungsgesetz“ nach dem Motto „Besser dieses Gesetz als gar keines“ klammern, ist offensichtlich: Makelverbot, Dienstleistungen, besseres Honorar – wahrscheinlich genau in dieser Reihenfolge.

Dabei ist der Taschenspielertrick, dass im Kabinettsentwurf Regelungen kombiniert werden, die man auch an anderer Stelle hätte einzeln einbringen können. Warum wurde das Makelverbot für elektronische Verordnungen nicht schon im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), dem Ursprung des E-Rezeptes, bedacht? Wenn Spahn den Berufsstand wirklich ins Zeitalter der Dienstleistungen führen möchte, würde sich doch eine eigene Gesetzesinitiative anbieten, die das neue Kapitel wesentlich umfangreicher und detaillierter angeht.

So ist es leider sehr offensichtlich, dass eine Drohkulisse aufgebaut wird und sich den Apothekern keine andere Chance bietet, als dem Paket inklusive Rx-Versandhandel zuzustimmen.

Irgendwie wird es auch ohne Rx-Versandverbot gehen müssen. Die Frage ist nur: wie und wohin? Ein neues Vergütungsmodell könnte beispielsweise die Leistungen speziell in den Vor-Ort-Apotheken abbilden: Honorarverbesserungen bei Betäubungsmitteln, Rezepturen, Nacht- und Notdiensten und jetzt auch noch durch pharmazeutische Dienstleistungen. Die reine Distributionstätigkeit würde dabei in den Hintergrund geraten. Der ABDA-Vorstand hat sich in den vergangenen Monaten schon häufiger hinter vorgehaltener Hand für solch eine Reform ausgesprochen.

Nur leider wird über solche Konzepte öffentlich überhaupt nicht diskutiert. Die ABDA-Arbeitsgruppe Honorar tagt seit Jahren und kommt offensichtlich zu dem Ergebnis, dass alles so bleiben soll wie gehabt. Ein entsprechender Ad-hoc-Antrag zur Bildung einer produktiveren Honorar-Taskforce wurde übergangen. Ähnliche Situation bei den pharmazeutischen Dienstleistungen: Noch immer wird gemunkelt, um welche Tätigkeiten und welche Honorierung es sich handeln könnte. Auch der diesjährige Apothekertag brachte hierbei nicht mehr Licht ins Dunkel.

 

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