Deutscher Apothekertag 2019

Dienstleistungen für alle – aber welche?

Angekündigte Gesetzesgrundlage für pharmazeutische Dienstleistungen bietet Diskussionsstoff

du | Im Vorgriff und in Erwartung des Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) stand auf der Tagesordnung des DAT 2019 das Themenforum „Zukunftsperspektive pharmazeutische Dienstleistungen“. Nach zwei Inputvorträgen folgte eine von ABDA-Pressesprecher Reiner Kern geleitete Diskussionsrunde. Wer jedoch erwartet hatte, dass hier das Geheimnis geplanter und mit den ersten in Aussicht gestellten 150 Millionen Euro zu honorierender Dienstleistungen gelüftet wird, wurde enttäuscht.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

Thomas Bodmer (2. v. r.), DAK Gesundheit, möchte nicht doppelt bezahlen. Dass das nicht der Punkt ist, machten Philipp Wälde (1. v. r.), Cynthia Milz (Mitte) und Andrea Brügger (2. v. l.) deutlich. Moderiert wurde die Runde von ABDA-Pressesprecher Reiner Kern (1. v. l.).


Über honorierte pharmazeutische Dienstleistungen wird schon lange diskutiert. Jetzt gibt es, so Kern, mit dem VOASG erstmals die realistische Chance, dass die gesetzliche Grundlage für diesen pharmazeutischen Traum gelegt werden kann.

Cynthia Milz, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der ABDA, hatte die Aufgabe, näher in das Thema einzuführen. Sie verkündete, dass Apothekerinnen und Apotheker nicht nur versorgen möchten, sondern auch Dienst tun und diese Dienste der Bevölkerung anbieten wollen. Jetzt sei es an der Zeit zu springen. Wie bei jedem Sprung in unbekannte Gewässer kämen Fragen auf: „Kann ich schwimmen, ist das Wasser ausreichend oder zu hoch, ist es zu kalt? Springe ich, ja oder nein?“

Milz ist überzeugt, der Patient sieht in dem Apotheker zur Zeit ganz klar den Arzneimittelfachmann, aber auch die Vertrauensperson. Zudem sei man auch Problemlöser zum Beispiel für Lieferengpässe. „Aber mit neuen Dienstleistungen wollen wir uns als Experten für Arzneimitteltherapie­sicherheit profilieren, wir wollen arzneimittelbezogene Probleme aufspüren und lösen!“, so Milz. Man müsse dies einfach nur wollen, können und tun.

Wille im Perspektivpapier 2030 verankert

Der Wille dazu sei im Perspektiv­papier Apotheke 2030 vor fünf Jahren verankert worden. Dort habe man sich dazu bekannt und zur Instrumentenentwicklung verpflichtet. Wichtig sei, dass alle Patienten von dem Dienstleistungsangebot der Apotheken profitieren können, Selektivverträge mit einzelnen Krankenkasse schloss sie strikt aus. Alle Apotheken sollen mitmachen können und selbstverständlich wolle man angemessene Honorare, die wirtschaftlich attraktiv sind.

Können bewiesen!

Das Können habe man mit unterschiedlichen Projekten unter Beweis gestellt. So habe die PharmCHF-­Studie gezeigt, dass Apotheker die Einnahmetreue und die Lebensqua­lität von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz verbessern, in der Glicemia-­Studie sei durch apothekerliche Interventionen das Diabetes­risiko gesenkt worden. Eine Patientin, die am Modellprojekt ARMIN beteiligt ist, kam zu Wort und zeigte sich begeistert, dass sie nun wisse, warum sie welches Medikament wie wofür einnehmen muss.

Die Kriterien

Mit dem VOASG, sei man kurz davor, die erste Hürde zu den honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen zu nehmen. Dabei seien besondere Kriterien anzulegen. Die neuen Dienstleistungen müssten über die bestehenden Beratungspflichten hinausgehen, die Versorgung auch im ländlichen Raum mit geringerer Versorgungsdichte verbessern sowie die Wirksamkeit und die Therapie­sicherheit erhöhen. Im Fokus müssten Patienten mit besonderem Betreuungsbedarf stehen, wie solche mit schweren Erkrankungen oder mit Polymedikation.

Weit über hundert konkrete Vorschläge für honorierte Dienstleistungen hat die ABDA wohl in ihrer Schublade. Welche denn in Zukunft angeboten werden sollen, darüber konnte und wollte Milz keine Auskunft geben. Allerdings stehen einige Kriterien zum Filtern und Priorisieren schon fest. Die honorierten Leistungen müssen den Patienten, der Gesellschaft und der Solidargemeinschaft einen Nutzen bringen, so Milz. Sie müssten zudem von den Versicherten akzeptiert und nachgefragt werden, müssten apothekenspezifisch sein, nur durch Präsenzapotheken erbracht werden können sowie leicht abrechenbar sein. Weitere wichtige Kriterien sind die kurzfristige Implementierbarkeit und eine gute Integrierbarkeit in bestehende Apothekenprozesse.

„Wir müssen springen!“

Der bisher diskutierte Honorartopf von 150 Mio. Euro ist auch für Milz nicht ausreichend. Für ein flächendeckendes Angebot müsse er mehr als verdoppelt werden. Sollte das Gesetz in Kraft treten, habe man sechs Monate Zeit, sich mit dem GKV-Spitzenverband auf ein Dienstleistungspaket zu einigen, danach stünden den Apotheken sechs Monate zur Verfügung, um die Leistungen in den Apotheken zu etablieren. Milz schloss mit den Worten: „Jetzt müssen wir springen, lassen Sie uns die Chance nutzen!“ Und: „Die pharmazeutischen Dienstleistungen tragen dazu bei, dass wir auch in Zukunft unverzichtbar bleiben!“

Die Schweiz ist schon gesprungen

Andrea Brügger, Abteilungsleiterin „Innovation und Internationales“ des Schweizerischen Apothekerverbandes PharmaSuisse, konnte im zweiten Inputvortrag von den Erfahrungen der Schweiz berichten. „Wir sind schon gesprungen!“ so ihre Botschaft. Als Beispiel führte sie das Impfen durch Apotheker an. Nahezu alle Kantone haben dafür den Weg freigemacht. Als Folge sei die Zahl der Impfungen stark gestiegen, mindestens 25.000 Menschen sollen in der vergangenen Saison zusätzlich geimpft worden sein. Zunächst seien die Ärzte skeptisch gewesen, doch inzwischen ist klar, dass es zu keinem Verdrängungskampf gekommen ist. In der Apotheke werden zusätzliche Zielgruppen erreicht. Da in der Schweiz die Kosten für die Impfung von den Kunden getragen werden müssen, seien auch Grenzen erkennbar. So sei die HPV-Impfung in der Apotheke für eine hohe Akzeptanz zu teuer. In Sachen Qualitätssteigerung der Arzneimitteltherapie steht man jedoch auch in der Schweiz noch am Anfang.

Champions League kostet!

In der anschließenden Diskussionsrunde, an der neben den Referentinnen der Input-Vorträge noch Thomas Bodmer, Vorstandsmitglied der DAK Gesundheit, und Apotheker Philipp Wälde, Göppingen, teilnahmen, zeigte sich der Vertreter der Krankenkassen besonders skeptisch. Er betonte, dass er sich immer freue, wenn man die Versorgung der Versicherten optimieren kann. Allerdings möchte er dies erreichen, ohne mehr Geld auszugeben. Apotheker Philipp Wälde machte deutlich, dass man pharmazeutische Dienstleistungen wie Medikations­analysen anbieten möchte, seine junge Kollegen möchten das, sie bereiten sich schon intensiv vor. Aber das sei Champions League, dazu brauche er ein besseres Team und dafür benötige man mehr Geld. Das möchte der DAK-Vertreter durch Umschichtung generieren. Es könne nicht sein, dass der Arzt beispielsweise im Falle der Impfungen noch zusätzlich Geld bekomme. Dem wurde entgegengehalten, dass ja im Falle der Impfungen durchaus eine Mengenausweitung gewünscht ist und in der Schweiz gezeigt wurde, dass zusätzliche Gruppen geimpft wurden. Angesprochen auf ARMIN erklärte Milz, dass dies ein großes Projekt war und viel Kraft gekostet habe. Aber nun konnte man zeigen, dass alle davon profitieren: der Arzt, der Apotheker, der Patient und die Krankenkasse.

Und sie machte klar: Wo zusätzliche Leistungen erbracht werden, wird es immer mehr Geld kosten. Mehr Impfungen werden mehr Geld kosten, aber sie werden am Ende die Versorgung verbessern. Milz‘ Credo: „Wir wollen das System zum Wohle der Menschen verbessern!“ Woraufhin der DAK-Vertreter einwarf, dass man die Systeme auch nicht überfordern dürfe. Man müsse noch dicke Bretter bohren. Die Notwendigkeit und der Nutzen müssen herausgearbeitet und nachgewiesen werden. |

 

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