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Phytotherapie

Die Mistel in der adjuvanten Krebstherapie

Hintergründe und Fakten

Krebspatienten sind oft auf der Suche nach Behandlungen, die sie ergänzend zur schulmedizinischen Therapie anwenden möchten. Man schätzt, dass 40 bis 50% aller Krebspatienten in Deutschland komplementäre oder alternative Therapiemöglichkeiten im Sinne einer adjuvanten Krebstherapie nutzen. Am häufigsten eingesetzt werden Mistelpräparate, Vitamine und Spurenelemente. Von Mistelpräparaten verspricht man sich insbesondere eine Steigerung der Lebensqualität aber auch eine positive Auswirkung auf die Überlebenszeit. Ein aktueller Review führte dazu, dass über die Wirksamkeit der Misteltherapie kontrovers diskutiert wird – Grund genug, die Pflanze, die für soviel Wirbel sorgt, einmal genauer vorzustellen. | Von Kristina Jenett-Siems

Wer hat das nicht schon beobachtet: Bäume, die von kugelig wachsenden immergrünen Sträuchern mit ledrigen Blättern und klebrigen weißen Beerenfrüchten übersät sind? Die in Europa und Asien heimische Mistel (Viscum album) gehört zur Familie der Sandelholzgewächse (Santalaceae) und ist ein sogenannter Halbschmarotzer (siehe Kasten „Was ist eine Mistel“). Das bedeutet, dass sie für ihr Wachstum auf Wirtspflanzen angewiesen ist. Sie entzieht diesen mithilfe spezieller Haustorien, die in die Leitbahnen des Wirts vordringen, Wasser und Nährsalze, produziert aber organische Nährstoffe mithilfe der Photosynthese selbst. Als Wirtsbäume kommen praktisch alle Laubbäume infrage, nur wenige Arten gelten als „mistelfest“ wie zum Beispiel die Buche. Einige Unterarten der Mistel sind auf Nadelbäume spezialisiert. In Europa hat die Mistel eine lange Tradition als symbolträchtige Heilpflanze – man denke an Miraculix, der mit goldener Sichel Misteln für seinen Zaubertrank erntet. Traditionell wird der Mistel ein positiver Effekt auf das Herz-Kreislauf-System und eine blutdrucksenkende Aktivität zugeschrieben. Es gibt Tees, Presssäfte und Extrakte (auch in Kombination mit Weißdorn, Knoblauch etc.) für ein entsprechendes Anwendungsgebiet auf dem Markt und tatsächlich deuten ältere Versuche an verschiedenen Tierarten auf eine mögliche Blutdrucksenkung hin. Eine Evidenz aus klinischen Studien ist für diese traditionelle Anwendung allerdings nicht vorhanden [1]. Der Einsatz von Mistelextrakten in der Krebstherapie ist dagegen vergleichsweise jung. Erst zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde die Pflanze vom Anthroposophen Rudolf Steiner erstmals zur Behandlung von Krebserkrankungen empfohlen. Steiner meinte Parallelen zwischen der Mistel und dem Wesen der Krankheit zu erkennen. So sagte er 1920 in einem Vortrag [2]: bei der Mistel sei „die wirksame Natur irrsinnig geworden, sie macht alles zur Unzeit“. Und weiter führte er aus: „Das ist gerade dasjenige, was man (...) benützen muss, wenn auf der anderen Seite der menschliche Organismus physisch irrsinnig wird, und das wird er ja zum Beispiel gerade in der Karzinombildung.“

Was ist eine Mistel?

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Die Mistel ist ein immergrüner, zweihäusiger strauchartiger Halbschmarotzer, der auf Laub- oder Nadelbäumen lebt. Sie bezieht von der Wirtspflanze Wasser und Mineralstoffe. In Mitteleuropa gibt es drei Unterarten von Viscum album: Laubholzmistel V. album L. ssp. platyspermum, Tannenmistel L. album L. ss. abietis und Kiefernmistel V. album L. ssp. laxum. Die Blüten der Viscum-Arten sind unscheinbar, nur wenige Millimeter klein und grünlich gelb (oben). Es entstehen weiße Beerenfrüchte, die einzelne Samen enthalten. Mistel­samen werden von Vögeln gefressen und gelangen mit deren Ausscheidungen wieder auf die Bäume (Mitte). 

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Die klebrigen Samen keimen und bilden eine Haftscheibe auf den Bäumen, durch die Rinde des Wirtsastes hindurch dringen sie in die Saftbahnen zwischen Rinde und Holz ein (unten). Im Laufe der Jahre wachsen kugelige Büsche, die bis zu 1 Meter Durchmesser erreichen können. Als Folge des Parasitismus der Mistel kann der Ast der Wirtspflanze oder auch der ganze Baum absterben.

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Genutzt werden meist Misteln der Wirtsbäume Tanne, Apfelbaum und Kiefer. Die Gewinnung der Droge erfolgt aus Wildvorkommen, teilweise auch aus Kulturen der Hersteller von Mistelpräparaten. Von der Mistel können Blätter, Stängel, Blüten und Beeren verwendet werden. Sie werden sortenrein meist von Hand gepflückt und mechanisch zerkleinert. Auf diese Weise soll ein gesamter Jahres­zyklus im Mistel-Gesamtextrakt abgebildet werden. Der Mistel-Gesamtextrakt wird sterilfiltriert und in Ampullen abgefüllt. Oral aufgenommen sind Mistelkraut und seine Extrakte untoxisch, da sie nur in geringem Umfang resorbiert werden. Werden Extrakte aus frischem Mistelkraut parenteral appliziert, so wirken sie immunstimulierend. In der Krebstherapie werden Mistelprodukte meist subkutan appliziert.

Phytochemie

Tatsächlich enthält die Mistel eine Reihe pharmakologisch hochaktiver Inhaltsstoffe wie Lektine, Viscotoxine, Flavonoide, Phenylpropane, Lignane, Alkaloide und Polysaccharide. Bei den Lektinen handelt es sich um sogenannte Ribosomen-inaktivierende Proteine mit spezifischem Bindungsvermögen für bestimmte Zucker. Über diese Eigenschaft und über das Molekulargewicht werden die einzelnen Mistellektine (ML) in drei Typen unterteilt: ML-I, ML-II und ML-III. Sie bestehen aus zwei Peptidketten, von denen die A-Kette für die enzymatische Aktivität (Endonuklease) und die damit verbundenen toxischen Eigenschaften verantwortlich ist, während die B-Kette das spezifische Zuckerbindungsvermögen besitzt. Die B-Kette ermöglicht der zytotoxischen A-Kette in das Zellinnere einzutreten. Dort löst diese die Apoptose aus, das heißt den geregelten Zelltod. Die Viscotoxine sind ebenfalls zytotoxische Oligopeptide aus 46 bis 50 Aminosäuren. Bei den Flavonoiden handelt es sich unter anderem um Glykoside des Isorhamnetins, das Flavonoid-Muster kann zu Identifizierung der Unterarten genutzt werden. Die Konzentrationen der verschiedenen Inhaltsstoffe sind abhängig vom Erntezeitpunkt (Jahreszeit), Erntejahr, Bodenbeschaffenheit und vom Wirtsbaum der Mistel recht variabel.

Pharmakologie

In hohen Konzentrationen weisen die Mistellektine sowohl in Zellkulturen als auch in Tierexperimenten eine direkte zytotoxische Wirkung auf [3]. Die klinische Relevanz dieser Zytotoxizität ist jedoch sehr umstritten, ein entsprechender Effekt kann wohl nur bei der intratumoralen Applikation von hochkonzentrierten Extrakten erwartet werden. Statt dessen wird die immunmodulatorische Wirkung der Mistellektine als in erster Linie bedeutsam für die Therapie von Tumorpatienten angesehen [4]. Die Lektine fördern die Freisetzung immunmodulierender Cytokine, z. B. TNF α, Interleukin 1 und 6 sowie Interferon γ, wodurch das komplexe Netzwerk des zellulären Immunsystems aktiviert wird [5]. Die Phagozytoseaktivität der Granulozyten wird verstärkt, die Aktivität von natürlichen Killerzellen wird gesteigert, und T-Lymphozyten treten vermehrt auf. Diese immunologische Aktivierung soll zu einer Verbesserung der antitumoralen Antwort der eigenen Abwehrkräfte führen. Außerdem hemmen Mistelextrakte die Angiogenese, was zu einer reduzierten Blutzufuhr im Bereich solider Tumore führt [6]. Schließlich konnten die vermehrte Freisetzung von körpereigenen Endorphinen durch Mistelextrakte [7] und eine entzündungshemmende Aktivität [8] beobachtet werden, beides Effekte, die zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen könnten.

Mistelpräparate

Die aktuell für die Anwendung in der adjuvanten Krebs­therapie auf dem Markt befindlichen Mistelpräparate lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Es gibt

  • phytotherapeutische Präparate, die auf einen bestimmten Gehalt an Mistellektinen normiert sind (z. B. Lektinol®) und
  • Präparate, die nach anthroposophischen, gelegentlich auch homöopathischen, Regeln hergestellt werden (z. B. Helixor®, Iscador®, AbnobaViscum®).

Herstellung und Zusammensetzung dieser Präparate weisen gravierende Unterschiede auf, was eine gemeinsame Betrachtung klinischer Studien erschwert bzw. unmöglich macht. Das Phytotherapeutikum Lektinol®, das in Form von Ampullen zur subkutanen Injektion angeboten wird, enthält einen wässrigen Auszug [DEV 1 : 1,1 bis 1,5] aus unverholzten Mistelzweigen mit Blättern normiert auf 15 ng aktives Mistellektin pro Ampulle. Für die anthroposophischen Präparate werden Misteln nach Wirtsbäumen getrennt aufbereitet. Von welchem Baum der Extrakt stammt, ist am Präparatenamen erkennbar. So steht der Buchstabe M für „malus“ (Apfelbaum), P für „pinus“ (Kiefer), A für „abies“ (Tanne) und Qu für „quercus“ (Eiche). Sommer- und Winterernte ­sowie weibliche und männliche Pflanzen werden getrennt gesammelt, je nach Herstellerfirma mit unterschiedlichen Verfahren aufbereitet und später gemischt. Als Extraktionsmittel wird Wasser verwendet, im Zuge des Herstellungs­prozesses findet häufig noch eine Fermentation statt. Teilweise sind weitere Zusätze enthalten, wie Kupfercarbonat (Cu-­Serie), Silbercarbonat (Arg-Serie) oder Quecksilbersulfat (Hg-Serie). Die ­Extrakte stehen in Serien mit ansteigender Dosierung zur Verfügung, die in Abhängigkeit von der ­Reaktion des Patienten als subkutane Injektion verabreicht werden können. Andere Darreichungsformen spielen in der adjuvanten Krebstherapie keine Rolle, da sie oral nicht wirksam sind.

Klinische Studien

Seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts ist eine Reihe klinischer Studien durchgeführt worden, die positive Effekte der Misteltherapie für die Lebensqualität und hinsichtlich des Gesamtüberlebens bei Krebspatienten belegen sollen. Im gleichen Zeitraum sind immer wieder kontroverse Diskussionen aufgeflammt, sei es hinsichtlich der Qualität einzelner Studien, sei es hinsichtlich der Frage, ob überhaupt eine Wirksamkeit vorhanden sei. Zweifellos ergeben sich bei der klinischen Untersuchung von Mistelpräparaten Problematiken, die bei anderen Arzneimitteln so nicht unbedingt gegeben sind. Beispielsweise führt die Injektion der Extrakte klassischerweise zu einer deutlichen Reaktion an der Einstichstelle, womit eine Verblindung zumindest auf der Seite der Studienärzte, möglicherweise aber auch bei den Studienteilnehmern, praktisch nicht erreicht werden kann. Zudem scheint es schwierig zu sein, ausreichend Patienten für randomisierte Studien zu rekrutieren. Dennoch existieren eine Reihe meist kleinerer Studien, die zwischenzeitlich in mehreren Übersichtsarbeiten zusammengefasst wurden. So erschien 2008 ein Cochrane Review, der 21 randomisierte Studien einschloss [9]. Von diesen Studien lieferten 13 Daten hinsichtlich des Überlebens, 16 bezüglich Lebensqualität bzw. Beeinflussung Chemotherapie-assoziierter unerwünschter Wirkungen und zwölf Studien machten Angaben zu Nebenwirkungen der Misteltherapie. Insgesamt nahmen an den Studien 3484 randomisierte Krebspatienten teil. Verwendet wurden fünf verschiedene Präparate, die Qualität der Studien wurde überwiegend als gering bewertet. Lediglich in sechs von 13 Studien zeigte sich eine gewisse Evidenz für einen Vorteil der Misteltherapie hinsichtlich des Überlebens. Dagegen zeigten 14 von 16 Studien positive Effekte in Bezug auf die Lebensqualität bzw. eine Verbesserung der Verträglichkeit einer Chemotherapie. Allerdings waren auch hier nur zwei Studien von höherer Qualität, darunter eine an Brustkrebspatientinnen während einer Chemotherapie. Die Verträglichkeit der Misteltherapie wurde in den Studien überwiegend als gut bewertet. Abschließend kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass es gewisse Hinweise auf eine positive Beeinflussung der Lebensqualität, insbesondere bei Brustkrebspatientinnen, gebe, die Evidenz aber insgesamt zu schwach sei, um eine eindeutige Bewertung abzugeben.

Kombination aus pharmakologischen Effekten und psychologischen Aspekten vermutet

Nur ein Jahr später publizierten ­Ostermann und Mitarbeiter eine Metaanalyse, die sich auf Studien zum Präparat Iscador® beschränkte und insbesondere die Gesamtüberlebenszeit im Blick hatte [10]. Eingeschlossen waren 41 Studien mit unterschiedlichen Designs, eine Differenzierung bezüglich eingesetzter Dosierungen oder hinsichtlich der Wirtsbäume wurde nicht durchgeführt. Insgesamt bewerten auch diese Autoren die Qualität der Studien als niedrig, kommen allerdings zu dem Schluss, dass auf Basis der Daten ein positiver Effekt des Studienpräparates auf das Überleben der Patienten angenommen werden kann. Allerdings ist der Effekt in randomisierten Studien schwächer ausgeprägt als in nichtrandomisierten. Die gleiche Arbeitsgruppe befasste sich 2012 mit der Verbesserung der Lebensqualität durch Iscador® [11]. Auch hier wurde ein leichter Vorteil für das Studien­präparat gefunden, als Erklärungsansatz postulieren die Autoren eine Kombination aus pharmakologischen Effekten und psychologischen Aspekten, da Patienten durch die Misteltherapie aus ihrer passiv-erleidenden Position heraustreten könnten, ein Aspekt, der bei der Bewertung der eigenen Lebensqualität nicht unerheblich sein könnte. Seit der Publikation dieser Übersichtsarbeiten wurden weitere Studien zur klinischen Effektivität veröffentlicht, insbesondere durch Tröger und Mitarbeiter, die unter anderem den Einsatz von Mistelpräparaten bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom untersucht haben [12, 13]. Die in Serbien durchgeführten Studien zeigten einen deutlichen Überlebensvorteil für die Patienten in der Mistelgruppe ebenso wie eine Verbesserung der Lebensqualität. Die Ergebnisse wurden allerdings in einer Vielzahl von Leserbriefen, die auf die Publikationen folgten, relativiert. Insbesondere wurde das Fehlen eines Placebo-Arms kritisiert, außerdem die ungenaue Definition der bestmöglichen unterstützenden Behandlung in der Vergleichsgruppe.

Aktuell ist im Anschluss an zwei Übersichtsarbeiten [14, 15] von Medizinern aus Jena, Bielefeld und Nordhausen erneut eine hitzige Diskussion entbrannt. Die Autoren analysierten die Ergebnisse von 28 Publikationen hinsichtlich Gesamtüberleben, Lebensqualität und Verringerung therapiebedingter Nebenwirkungen und kamen zu dem Ergebnis, dass auf Basis der vorhandenen Studien keine Vorteile einer Misteltherapie erkennbar seien (siehe Jungmayr P. Misteln auf dem Prüfstand – Nutzen-Risiko-Verhältnis ­weiterhin unklar. DAZ 2019, Nr. 24, S. 27). Dieser Ansicht widersprach allerdings eine Gruppe von Medizinern um Prof. Dr. med. Matthes von der Charité in Berlin [16]. Insbesondere kritisieren sie, dass keine Metaanalyse durchgeführt wurde, darüber hinaus sei das Verzerrungsrisiko für mehrere Studien falsch bestimmt worden, im Ergebnis wurde eine Korrektur oder gar eine Rücknahme der Übersichts­arbeiten gefordert, was wiederum von deren Autoren zurückgewiesen wurde [17].

Auf einen Blick

  • Mistelpräparate spielen insbesondere in Deutschland eine wichtige Rolle in der adjuvanten Krebstherapie, die meisten im Handel ­befindlichen Präparate sind der anthroposo­phischen Medizin zuzuordnen.
  • Als wesentliche pharmakologisch aktive Inhaltsstoffgruppe gelten die Mistellektine, bei denen es sich um Ribosomen-inaktivierende Proteine handelt.
  • Mistellektine sind zytotoxisch und besitzen eine immunmodulatorische Aktivität, die als wesentlich für die Therapie angesehen wird.
  • Es existiert eine Reihe kleinerer Studien von eher geringer Qualität, die die Wirksamkeit belegen soll, dennoch oder gerade deswegen bleibt die Bewertung der Therapie äußerst umstritten.
  • Bei der Beratung sollte für eine offene Kommunikation aller verwendeten Präparate gegenüber allen behandelnden Ärzten geworben werden.

Nebenwirkungen und Verträglichkeit

In den durchgeführten Studien hat sich die Misteltherapie überwiegend als gut verträglich erwiesen, meist wurden nur leichte Nebenwirkungen berichtet, insbesondere die bereits oben erwähnte Reaktion an der Einstichstelle. Gelegentlich kann es zu Fieber, Kopfschmerzen, und Kreislaufstörungen kommen, in Einzelfällen sind anaphylaktische Reaktionen beobachtet worden. Die Autoren der aktuellen Übersichtsarbeit weisen allerdings – basierend auf In-vitro-Daten – darauf hin, dass bei bestimmten Tumoren das Risiko einer Wachstumsstimulation durch Mistel gegeben sein könnte, daher sollten vor allem bei Leukämie, Lymphomen, Nierenkrebs und Melanomen keine Mistelpräparate verordnet werden. Zusätzlich diskutieren sie die Möglichkeit von verstärkten allergischen Reaktionen bei gleichzeitiger Einnahme bestimmter Zytostatika und weisen auf das bisher unzureichend bekannte Wechselwirkungspotenzial der ­Mistelextrakte hin [14].

Fazit

Tatsächlich scheinen sich, was die Bewertung der Misteltherapie betrifft, weiterhin zwei Lager recht unversöhnlich gegenüberzustehen. Auf der einen Seite deren Befürworter, die sich durch eine Reihe von Studien bestätigt sehen, und auf der anderen Seite Mediziner, die die Wirksamkeit für nicht erwiesen halten, da sie bei den gleichen Studien eine geringe Qualität und ein hohes Verzerrungsrisiko wahrnehmen. In der Praxis ist dies sicherlich eine unbefriedigende Situation, es bleibt nur eine sachliche Darstellung des derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstandes gegenüber dem Patienten, damit dieser das Für und Wider bei seiner Entscheidung abwägen kann. Außerdem sollte im Sinne der Therapiesicherheit für eine offene Kommunikation aller eingesetzten Präparate gegenüber allen behandelnden Ärzten geworben werden, denn nur unter dieser Voraussetzung können mögliche Probleme und Wechselwirkungen erkannt werden. |

 

Literatur

 [1] Assessment report on Viscum album L. herba. www.ema.europa.eu/en/documents/herbal-report/final-assessment-report-viscum-album-l-herba_en.pdf

 [2] Wissenswertes rund um die Mistel. www.mistel-therapie.de/informationen-fuer-patientinnen/wissenswertes-rund-um-die-mistel, Abruf 18. Juli 2019

 [3] Bussing A, Suzar K, Bergmann J et al. Induction of apoptosis in human lymphocytes treated with Viscum album L. is mediated by the mistletoe lectins. Cancer Letters 1996;99:59–72

 [4] Kienle GS, Kiene H. Mistel und immunologische Forschung. In: Die Mistel in der Onkologie. Fakten und konzeptionelle Grundlagen. Stuttgart, New York 2003:194

 [5] Hajto T, Hostanska K, Frei K et al. Increased secretion of tumor nekrosis factors alpha, interleukin 1, and interleukin 6 by human mononuclear cells exposed to beta-galactoside specific lectin from clinically applied mistletoe extract. Cancer Research 1990;50:3322-3326

 [6] Elluru SR, Duong Van Huyen JP, Delignat S et al. Antiangiogenic properties of Viscum album extracts are associated with endothelial cytotoxicity. Anticancer Research 2009;29:2945-2950

 [7] Heiny BM, Beuth J. Mistletoe extract standardized for the galactoside – Specific lectin (ML-1) induces beta-endorphin release and immunopotenziation in breast cancer patients. Anticancer Research 1994;14:1339-1342

 [8] Hegde P, Maddur MS, Friboulet A et al. Viscum album exerts anti-inflammatory effect by selectively inhibiting cytokine-induced expression of cyclooxygenase-2. PLoS One 2011;6:e26312

 [9] Horneber M, Bueschel G, Huber R et al. Mistletoe therapy in oncology. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008;2, DOI: 10.1002/14651858.CD003297.pub2

[10] Ostermann T, Raak C, Büssing A. Survival of cancer patients treated with mistletoe extract (Iscador): a systematic literature review. BMC Cancer 2009;9:451-459

[11] Büssing A, Raak C, Ostermann T. Quality of life and related dimensions in cancer patients treated with mistletoe extract (iscador): a meta-analysis. Evidence Based Complementary and Alternative Medicine 2012;2012:219402

[12] Tröger W, Galun D, Reif M et al. Viscum album [L.] extract therapy in patients with locally advanced or metastatic pancreatic cancer: a randomised clinical trial on overall survival. European Journal of Cancer 2013;49:3788-3797

[13] Tröger W, Galun D, Reif M. Quality of life of patients with advanced pancreatic cancer during treatment with mistletoe: a randomized controlled trial. Deutsches Ärzteblatt international 2014;111:493-502

[14] Freuding M, Keinki C, Micke O et al. Mistletoe in oncological treatment: a systematic review. Part 1: survival and safety. Journal of Cancer Research and Clinical Oncology 2019;145:695-707

[15] Freuding M, Keinki C, Kutchan S et al. Mistletoe in oncological treatment: a systematic review. Part 2: quality of life and toxicity of cancer treatment. Journal of Cancer Research and Clinical Oncology 2019;145:927-939

[16] Matthes H, Hofheinz RD, Bar-Sela G et al. Letter to the Editor. Journal of Cancer Research and Clinical Oncology 2019; https://doi.org/10.1007/s00432-019-02926-y

[17] Freuding M et al. Answer to the letter to the editors by Matthes and colleagues regarding our systematic reviews on mistletoe [noch nicht veröffentlicht]

Autorin

Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems studierte Pharmazie an der Freien Universität Berlin, wurde dort promoviert und hat sich 2003 für Pharmazeutische Biologie habilitiert. Forschungsschwerpunkte: Phytochemie und Pharmakologie traditioneller Arzneipflanzen.

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