Arzneimittel und Therapie

„Werwolfsyndrom“ durch Verwechslung

Minoxidil statt Omeprazol in spanischer Bulkware

cel/cst | „Pharmaunternehmen aus Málaga verursacht Werwolfsyndrom bei 17 Babys“. So titelte „El País“, die größte spanische Tageszeitung, vergangene Woche. Was nach reiner Effekthascherei und Horrorfilm klingt, wird jedoch von der spanischen Arzneimittelbehörde bestätigt – als Hypertrichose.
Foto: natalialeb – stock.adobe.com

Ein gastro-ösophagealer Reflux kommt bei Säuglingen häufig vor. Wenn eine medikamentöse Behandlung unumgänglich ist, werden Protonenpumpenhemmer wie Omeprazol eingesetzt.


Werwölfe kennt man heute vor allem aus Horrorfilmen. Früher wurden Menschen mit ausgeprägter Hyper­trichose und Gesichtsbehaarung als „Werwolf-Attraktion“ auf Jahrmärkten vorgeführt. Mittlerweile ist man schlauer und weiß, dass der starken Körperbehaarung unter anderem hormonelle Ursachen zugrunde liegen, sie als Symptom anderer Grunderkrankungen auftreten kann oder auch als Nebenwirkung von Arzneimitteln.

„Interner Fehler“ als Ursache

So auch im Fall der 17 spanischen Kinder. Die Babys entwickelten eine ausgeprägte Hypertrichose, nachdem sie vermeintlich Omeprazol zur Behandlung ihres Refluxes bekommen hatten. Erste Meldungen diesbezüglich gingen beim spanischen Pharmakovigilanzsystem bereits vor Wochen ein. Die spanische Arznei­mittelagentur Agencia Española de Medicamentos y Productos Sanitarios (AEMPS) wurde aktiv und fand als gemeinsame Ursache, dass alle Kinder in Apotheken hergestellte Omeprazol-haltige Individualrezepturen erhalten hatten – der Wirkstoff stammte jeweils von Farma-Química Sur aus Málaga. Dort hat ein „interner Fehler“ letztlich dafür gesorgt, dass die Babys das falsche Arzneimittel erhielten. Eine von AEMPS durchgeführte Analyse ergab, dass die als Omeprazol deklarierte Bulkware von Farma-Química Sur in Wirklichkeit Minoxidil enthielt. Minoxidil wurde ursprünglich als Antihypertonikum entwickelt, seine bekannteste Nebenwirkung – Hypertrichose – wird mittlerweile als Hauptwirkung genutzt, bei Alopezie.

Bereits am 11. Juli 2019 ordnete AEMPS an, dass Farma-Química Sur eine Charge der vermeintlichen Omeprazol-Bulkware zurückruft. Am 6. August, nachdem weitere Fälle von Hypertrichose auftraten (13 Meldungen bis zu diesem Zeitpunkt), weitete die Behörde den Rückruf auf weitere 22 Chargen aus. Nach Information der AEMPS ist bei Farma-Química Sur die Genehmigung zur Herstellung, zum Import und Vertrieb von pharmazeutischen Wirkstoffen seit Juli ausgesetzt. Der Deutschen Presse-Agentur liegen Informationen vor, dass Farma-Química Sur wegen „schwerer Nichteinhaltung der Kontrollregeln“ für unbestimmte Zeit geschlossen wurde.

Chaos bei der Abfüllung

Die ursprüngliche Ware stammt nach Informationen von „El País“ aus Indien. Allerdings war die nach Spanien importierte Ware wohl in tadellosem Zustand. Der Fehler passierte erst intern bei Farma-Química Sur bei der weiteren Portionierung zu kleineren Chargen. Wie „El País“ schreibt, herrschte dabei offenbar „ein schlimmes Chaos“. Omeprazol sei dabei jedoch nicht mit Minoxidil vermischt worden. Vielmehr sei bei der Zuordnung der korrekten Begleitdokumentation zum Wirkstoff einiges schief gelaufen.

Keine Hypertrichose bei Tieren

Nach Angaben der spanischen Arzneimittel-Agentur lieferte Farma-Química Sur den vermeintlichen Omeprazol-Wirkstoff nicht nur zur Herstellung von Humanarzneimitteln, sondern auch zur Verwendung bei Tieren aus. Hier gibt die Behörde jedoch Entwarnung: Es lägen zum jetzigen Zeitpunkt keine Verdachtsmeldungen zu unerwünschten Wirkungen bei der für Vete­rinärarzneimittel zuständigen Behör­de vor. |

Literatur

Pharmaceutical error in southern Spain leaves 17 babies with “werewolf syndrome”. Nachricht in El País am 28. August 2019. https://elpais.com; Abruf am 28. August 2019

Agencia Española de Medicamentos y Productos Sanitarios (AEMPS) Información sobre la retirada de lotes del principio activo omeprazol Farma-Química Sur S.L. Mitteilung vom 8. August 2019; www.aemps.gob.es; Abruf am 28. August 2019

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