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Königsweg Wirkstoffverordnung

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Der neue Rahmenvertrag hat schon für viele Diskussionen gesorgt. Manches ist unausgereift und bedarf der Nachbesserung. So zum Beispiel, wenn es zwei Originale gibt, aber keine Generika. Dann wird bei einer Verordnung das zweite Original wie ein Generikum behandelt. Es gelten die Regeln für den generischen Markt, preisgünstigere Importe sind, so vorhanden, abzugeben. Erst bei Nicht­verfügbarkeit und entsprechendem Nachweis ist das verordnete Original abzugeben.

Weitaus mehr Sand ins Getriebe streuen jedoch die Verordnungen, die dank optimierter Software in den Arzt­praxen inzwischen häufig besonders niedrigpreisig sind. Denn die ärztliche Verordnung setzt den Preisanker. Das wächst sich in Zeiten zunehmender Lieferengpässe zu einem besonderen Problem aus, da der Arzt bei jedem Überschreiten des Preisankers konsultiert werden muss – irrwitzigerweise trotz verpflichtendem Nachweis der Nichtverfügbarkeit von Rabatt­arzneimitteln, den preisgünstigsten Alternativen und des verordneten Arzneimittels.

Der DAV hatte signalisiert, die Probleme erkannt zu haben, und Klärung versprochen. Am 31. Juli 2019 sollte mit dem GKV-Spitzenverband nachverhandelt werden. Doch wohl ohne Erfolg. Laut einer dürftigen Mitteilung im ABDA-Newsroom sollen die auf­getretenen Problemfälle vorgelegt worden und Gegenstand weiterer Verhandlungen sein. Kein Satz dazu, wie sich der GKV-Spitzenverband dazu positioniert hat, kein Satz dazu, warum man sich nicht einfach auf schnell umzusetzende Lösungen einigen konnte. So müssen die Apotheken vor Ort weiter mit den Kinderkrankheiten des Rahmenvertrages kämpfen, inklusive zeitraubender Versuche, Rücksprache mit dem Arzt zu halten.

Aber auch die Ärzte sind inzwischen wohl so genervt von den vielen Rückfragen durch die Apotheken, dass sich einige kassenärztliche Vereinigungen nun tatsächlich in der Pflicht sehen, die Ärzteschaft über den neuen Rahmenvertrag aufzuklären (s. S. 9). Dabei hat sich bei einigen die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Patentrezept zur Vermeidung von lästigen Anrufen, aber auch von Regressen, die Wirkstoffverordnung ist.

In der Tat hat die Wirkstoffverordnung sowohl für die Apotheken als auch die Ärzte überzeugende Vorteile zu bieten. In den Apotheken wird so der Handlungsspielraum bei Lieferengpässen deutlich erweitert, da der Preisanker entfällt. Ärzte können auf diese Weise ihr wirtschaftliches Risiko auf die Apotheken abwälzen. Das ist ein starkes Argument, um auch die auf ihre Therapiehoheit pochenden ärztlichen Kollegen zu überzeugen.

Mit der Wirkstoffverordnung könnte also fast alles gut sein. Wären da nicht die Patienten, die zutiefst verun­sichert sind, weil ihre Arzneimittel immer wieder anders aussehen und andere Namen tragen. Aber sie sind ja inzwischen Kummer gewohnt. Angesichts wechselnder Rabattverträge und ständig neu auftretender Lieferengpässe kann sich heute kein Patient mehr darauf verlassen, auf Dauer immer mit ein und demselben Arzneimittel versorgt zu werden. Die Patienten, die trotzdem auf ihrem Wunscharzneimittel bestehen, könnten es bei Verfügbarkeit aus eigener Tasche bezahlen oder für eine Aut-idem-Verordnung mit freundlichen Worten zurück in die Arztpraxis geschickt werden. Apotheken müssten dazu noch nicht einmal den Arzt bzw. die Arzthelferin mit Telefonanrufen nerven. Es spricht also vieles dafür, auch von Apothekerseite den Königsweg Wirkstoffverordnung zu propagieren. Am besten ab sofort bei jedem Arztkontakt.

Doris Uhl

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