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Nachgerechnet: Was bringt das Apotheken-Stärkungsgesetz den Apotheken wirklich?

Angebliche und tatsächliche Zugewinne

SÜSEL (tmb) | Einige Darstellungen versprechen den Apotheken 50 Millionen Euro mehr für den Notdienst, doch voraussichtlich wird das Apotheken-Stärkungsgesetz 36 Millionen Euro mehr für den Notdienstfonds bringen. Außerdem kursieren Meldungen über eine angebliche Nachbesserung bei der Mehrwertsteuer für Dienstleistungen. Diese ist anhand der geplanten Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung jedoch nicht nachvollziehbar.

Der Zuschlag für den Notdienstfonds sollte nach den im Herbst 2018 veröffentlichten Eckpunkten um 16 Cent pro Rx-Fertigarzneimittelpackung steigen. Im Referentenentwurf vom April 2019 wurden daraus 5 Cent. Dabei blieb es seitdem und so wurde es vom Kabinett beschlossen. Der Zuschlag soll von 16 auf 21 Cent steigen. Das Bundesgesundheitsministerium folgerte daraus zunächst Mehrausgaben von 40 Millionen Euro für die Kostenträger. Der Deutsche Apothekerverband ermittelte in seinem Apothekenwirtschaftsbericht einen Einnahmezuwachs von 36 Millionen Euro (720 Millionen Rx-Fertigarzneimittelpackungen multipliziert mit 5 Cent) für die Apotheken und eine Belastung der Zahler von 43 Millionen Euro (einschließlich Mehrwertsteuer). Das passt zu den Erfahrungen mit dem Notdienstfonds. Denn aus diesem erhielten die Apotheken 2018 gemäß Angaben der ABDA 114 Millionen Euro aufgrund des bisherigen Zuschlags von 16 Cent. Demnach müssten weitere 5 Cent zusätzliche 35,6 Millionen Euro ergeben.

Wundersame Geldvermehrung

Doch in der geplanten Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebs­ordnung und der Arzneimittelpreisverordnung heißt es inzwischen, die Erhöhung des Zuschlags für den Notdienst werde zu Mehrausgaben von 50 Millionen Euro einschließlich Mehrwertsteuer führen. Offenbar wurden 43 Millionen Euro zu 50 Millionen Euro aufgerundet. Die „Pharmazeutische Zeitung“ ging dann in ihrer Nr. 29 vom 18. Juli im Beitrag „Honorarplus für die Offizinen“ noch weiter und erklärte: „Demnach bekommen die Vor-Ort-Apotheken künftig 50 Millionen Euro mehr pro Jahr für Nacht- und Notdienste“. Nach den obigen Rechnungen sind es nur etwa 36 Millionen Euro.

Bei der Erhöhung der Dokumenta­tionsgebühr von 2,91 Euro auf 4,26 Euro gibt es dagegen keine unterschiedlichen Bewertungen. Bundesgesundheitsministerium und Deutscher Apothekerverband erwarten 15 Millionen Euro zusätz­liches Apothekenhonorar zuzüglich Mehrwertsteuer. Das entspricht jährlich etwa 11,1 Millionen dokumentationspflichtigen Vorgängen aufgrund von BtM- oder T-Rezepten.

Durchschnittlich 2600 Euro mehr pro Apotheke

Zusammen mit 36 Millionen Euro für den Notdienstfonds ergibt dies ein Plus von 51 Millionen Euro für die Apotheken. Dem stehen keine zusätzlichen Kosten gegenüber. Das Betriebsergebnis einer Durchschnittsapotheke würde demnach um 2600 Euro steigen, wenn nicht an anderer Stelle höhere Kosten entstehen. Dies ist der einzige kalkulierbare wirtschaftliche Vorteil für die Apotheken aus den geplanten neuen Regelungen.

Brutto-Netto-Verwirrung

Für pharmazeutische Dienstleistungen wurden im Herbst 2018 noch 240 Millionen Euro angesetzt. Im ersten Entwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz wurden daraus 20 Cent pro Rx-Fertigarzneimittelpackung, die angeblich 150 Millionen Euro einbringen sollen. Gemäß den obigen Rechnungen zum Notdienstfonds ergeben 20 Cent aber nur 144 Millionen Euro. In der Arzneimittelpreisverordnung soll der neue Zuschlag hinter dem Zuschlag für den Notdienstfonds erwähnt werden. Danach folgt seit jeher der Zusatz „sowie die Umsatzsteuer“. Das Bundesgesundheitsministerium hat dies in den Erläuterungen zu den ersten Entwürfen nicht erwähnt, sondern erst im Kabinettsentwurf klar­gestellt, dass die Kostenträger Mehrausgaben von 150 Millionen Euro zuzüglich 28,5 Millionen Euro Umsatzsteuer zu tragen haben. Das ist aber nur eine Ausführung der Konsequenzen. Es ist keine andere Änderung der Arzneimittelpreisverordnung als noch im April geplant.

In dem genannten Beitrag der „Pharmazeutischen Zeitung“ und in einer Meldung von „Apotheke adhoc“ vom 15. Juli hieß es dagegen, das Bundesgesundheitsministerium habe die Honorierung der Dienstleistungen um die Mehrwertsteuer aufgestockt. Die „Pharmazeutische Zeitung“ führte dies auf ein „Drängen der ABDA“ zurück. Doch die ABDA hatte in ihrer Stellungnahme vom Mai zum damaligen Entwurf gefordert, den Zuschlag von 20 Cent auf 43 Cent zu erhören und die neuen Leistungen von der Umsatzsteuer zu befreien. Zu diesen beiden Forderungen ist aber im Kabinettsentwurf nichts zu finden. Stattdessen enthält der Kabinettsentwurf nun die korrekte Interpretation des unveränderten Entwurfs zur Änderung der Arzneimittelpreisverordnung. Es ist dort keine Erhöhung des Zuschlags gegenüber einer früheren Fassung zu verzeichnen. Es bleibt also bei einem neuen Fonds von voraussichtlich etwa 144 Millionen Euro netto pro Jahr. Dem stehen neue Kosten in bisher unbekannter Höhe für das Erbringen der Leistungen gegenüber. |

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