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Recht
Droht Cannabis-Patienten der Führerscheinentzug?
Was in der Apotheke angesprochen werden sollte
Seit März 2017 kann Cannabis auf Rezept verordnet werden. Seitdem steigt die Anzahl der Cannabis-Patienten ständig. Allein im ersten Halbjahr 2018 wurden rund 80.000 Cannabis-Verordnungen zulasten der Krankenkassen ausgestellt. Ein Großteil der hiervon betroffenen Patienten dürfte auch im Besitz eines Führerscheins sein und damit ein großes Interesse haben, eine zuverlässige Antwort auf die Frage zu erhalten, ob sie trotz des Cannabis-Konsums Auto fahren dürfen oder ob sie durch die angeordnete Therapie den Verlust des Führerscheins riskieren. Doch so einfach wie es scheint, ist die Frage im Beratungsgespräch in der Apotheke nicht zu beantworten.
Cannabis-Patienten begehen keine Ordnungswidrigkeit
Sicher ist, dass ein Autofahrer, der unter Einfluss eines Cannabis-haltigen Arzneimittels steht, nicht befürchten muss eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, da die Einnahme von Cannabis hier aus dem bestimmungsgemäßen Gebrauch eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.
Anderes gilt für Personen, die Cannabis außerhalb einer medizinisch-indizierten Medikation konsumieren, also „kiffen“. Diese Personen erfüllen den Tatbestand des § 24a Absatz 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und handeln ordnungswidrig, wenn sie ein Kraftfahrzeug unter Wirkung von Cannabis führen. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn Cannabis im Blut nachgewiesen wird. Der Bundesgerichtshof (BGH) geht hierbei davon aus, dass bei einer den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml erreichenden Tetrahydrocannabiol (THC)-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten im Sinne des § 24a StVG geschlossen werden kann. Derartige Ordnungswidrigkeiten können mit Geldbußen bis zu dreitausend Euro geahndet werden. Ferner muss mit einem mindestens einmonatigen Fahrverbot gerechnet werden.
Ausfallerscheinungen dürfen nicht auftreten
Auch Cannabis-Patienten müssen sich an gesetzliche Vorgaben halten. Eine Strafbarkeit gemäß § 316 Strafgesetzbuch (StGB) droht Cannabis-Patientinnen und -patienten sowie Konsumenten außerhalb einer medizinischen Indikation in gleicher Weise, wenn sie aufgrund der Wirkung des Cannabis nicht in der Lage sind, ein Fahrzeug (Fahrrad oder Kraftfahrzeug) sicher zu führen. In diesem Fall muss man mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer empfindlichen Geldstrafe rechnen.
Strafbar macht man sich immer dann, wenn wegen der Wirkung des Cannabis Ausfallerscheinungen vorhanden sind, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Derartige Ausfallerscheinungen sind z. B. Abweichen (Abdriften) von der Fahrspur, zu spätes Reagieren, außergewöhnlich aggressives Fahren, gehäufte Fahrfehler wie Nichtbeachten von Vorfahrtsregelungen.
Einschränkungen häufig in der Einstellungs-und Eingewöhnungsphase
Eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit kann insbesondere in der unter Umständen mehrwöchigen Einstellungs- und Eingewöhnungsphase von Cannabis-haltigen Arzneimitteln vorliegen, abhängig von Krankheitsbild und Therapie (Dosis, Therapiephase, Grunderkrankung, andere Arzneimittel). Vor allem zu Beginn der Therapie mit Cannabis-Arzneimitteln treten häufig Schwindelanfälle und Müdigkeit auf, die die Fahrtüchtigkeit deutlich beschränken. Auch Nebenwirkungen wie Tachykardie, Blutdruckabfall, Muskelentspannung und psychotrope Wirkungen sind möglich. Während dieser Zeit sollte der Patient in keinem Fall ein Fahrzeug führen. Hierauf ist im Beratungsgespräch in der Apotheke in jedem Fall deutlich hinzuweisen. Wann im Falle einer Dauermedikation mit Ausfallerscheinungen zu rechnen ist, lässt sich nicht generell beantworten. Antworten hierauf kann es nur im Einzelfall geben, durch eine umfassende ärztliche Beratung des Patienten über mögliche Beeinträchtigungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr, wobei hierbei die Grunderkrankung mit zu betrachten ist. Derzeit liegt es in der Verantwortung des einzelnen Cannabis-Patienten sich entsprechend beraten zu lassen und beim Einsteigen in das eigene Auto einzuschätzen, ob er sich nach der Eingewöhnungsphase fahrtüchtig fühlt oder nicht.
Selbsteinschätzung birgt Gefahrenpotenzial
In dieser Selbsteinschätzung sehen Verkehrsrechtsexperten eine große Gefahr. Auf dem 56. Deutschen Verkehrsgerichtstag, der vom 24. bis 26. Januar 2018 in Goslar stattfand, kamen sie nach Anhörung von Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass auch im Falle einer medizinischen Indikation, insbesondere für die Verordnung von Cannabis-Blüten, Zweifel an der Fahreignung begründet sind. Aus dem Gebot der Verkehrssicherheit heraus, sei es deshalb erforderlich, bei Cannabis-Patienten die Fahreignung zu prüfen, wobei hierbei auch die Grunderkrankung mit zu begutachten sei. Cannabis-Patienten, die ein Kraftfahrzeug führen wollen, sollten durch entsprechend qualifizierte Ärzte in jedem Fall umfassend über ihre Beeinträchtigung der Fahreignung und Fahrsicherheit informiert und begleitet werden. Dies sei entsprechend zu dokumentieren. Als Aufforderung an den Gesetzgeber formulierte der Verkehrsgerichtstag die Bitte, für Kontrollen im Straßenverkehr ein geeignetes Nachweisdokument vorzusehen.
Weiterführende Literatur
Merkblatt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, „Drogen als Medikament – Hinweise für die Beurteilung der Fahreignung“, November 2015, Webcode C7LX4
Empfehlungen des Arbeitskreises V – „Cannabiskonsum und Fahreignung“ – des 56. Deutschen Verkehrsgerichtstages, Webcode Q3PU2
Sind Cannabis-Patienten grundsätzlich ungeeignet?
Und wenn im Straßenverkehr keine Auffälligkeiten auftreten? Können Cannabis-Patienten dann sicher sein, dass ihnen der Führerschein durch die Verwaltungsbehörde nicht entzogen wird?
Folgt man der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf in einem aktuellen Beschluss vom 25.09.2018 – 14 L 2650/18 – wohl kaum. Nach Ansicht der Düsseldorfer Richter ist auch derjenige, der aufgrund einer ärztlichen Verordnung regelmäßig Cannabis konsumiert, grundsätzlich zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet i. S. d. § 3 Abs. 1 StVG i. V. m. § 46 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und den hierzu ergangenen Anlagen. Erlange die Fahrerlaubnisbehörde Kenntnis von der Cannabis-Einnahme, könne der Führerschein entzogen werden. Auf einen konkreten Verstoß gegen Verkehrsvorschriften komme es hierbei nicht an. Ebenso sei es für die Beurteilung der Kraftfahreignung egal, aus welchen Gründen der Fahrerlaubnisinhaber Cannabis konsumiere. Aus toxikologischer Sicht mache es nämlich keinen Unterschied, ob vor Antritt der Fahrt Cannabis-Blüten aus der Apotheke oder aus dem Coffeeshop geraucht wurden. Auch komme es nicht darauf an, ob der Cannabis-Konsum tatsächliche Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit gezeigt habe und bereits eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs eingetreten sei. Mit dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaberin sei es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden aufgrund subjektiver Beweggründe eines Verkehrsteilnehmers, nämlich „Ich fühle mich trotz regelmäßiger Cannabis-Einnahme fahrtauglich“, die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines aufgrund von Cannabis-Einnahme kraftfahrtungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden seien.
Leistungsfähigkeit kann nachgewiesen werden
Bevor es zum Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund der Dauermedikation mit Cannabis kommt, kann jedoch nach § 11 Abs. 2 Führerscheinverordnung die Verwaltungsbehörde ein ärztliches Gutachten anordnen und aufgrund der Dauerbehandlung mit Cannabis-Arzneimitteln eine Überprüfung der psychophysischen Leistungsfähigkeit veranlassen. Die Fragestellung könnte beispielsweise so lauten:
„Ist die Kraftfahreignung trotz der bekannten Erkrankung und der damit in Verbindung stehenden Dauermedikation (Name des „Medikamentes“ gegebenenfalls „Medizinal-Cannabisblüten“) gegeben?“
Auf diese Weise besteht für den Patienten die Möglichkeit, die aufgrund der Arzneimitteleinnahme bestehenden Bedenken der Verwaltungsbehörde gegebenenfalls auszuräumen.
Fazit für das Beratungsgespräch
Bei der Abgabe von Cannabis-Arzneimitteln in der Apotheke sollte das Thema der Fahreignung unbedingt angesprochen werden. Gerade in der unter Umständen mehrwöchigen Einstellungs- und Eingewöhnungsphase sollte der Patient auf keinen Fall ein Fahrzeug führen, da zu Beginn der Therapie häufig Schwindelgefühle und Müdigkeit auftreten, die die Fahrtüchtigkeit deutlich beeinträchtigen. Auch Nebenwirkungen wie Tachykardie, Blutdruckabfall, Muskelentspannung und psychotrope Wirkungen sind möglich. Falls es bei der Teilnahme am Straßenverkehr zu Ausfallerscheinungen kommt, macht sich der Patient nicht nur gegebenenfalls strafbar, sondern verliert auch seinen Führerschein.
Nach Abschluss der Eingewöhnungsphase sollte der Apotheker bzw. die Apothekerin dem Cannabis-Patienten raten, mit seinem Arzt abzuklären, ob er Auto fahren darf. Hierbei sollte der Arzt den Patienten unter Beachtung der Grunderkrankung über mögliche Beeinträchtigungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr unbedingt aufklären. Eine entsprechende Bescheinigung des Arztes ist hilfreich, wenn die Fahrerlaubnisbehörde über einen Entzug der Fahrerlaubnis wegen der Dauermedikation mit Cannabis nachdenken sollte. |
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