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Arzneimittel und Therapie
Psychotische ADHS-Patienten
Neue Episoden unter Amphetaminen häufiger als unter Methylphenidat
Stark vereinfacht ausgedrückt deckt sich der Wirkmechanismus der Amphetamine im Vergleich zu dem des Methylphenidats eher mit der bei einer primären Psychose beobachteten Fehlregulation des Neurotransmitters Dopamin (sogenannte Dopamin-Hypothese). Bei Patienten mit primärer Psychose ist im Vergleich zu gesunden Vergleichspersonen eine erhöhte Dopamin-Freisetzung feststellbar, die Dopamin-Wiederaufnahme in die präsynaptische Nervenzelle aber ähnlich. Auch Amphetamine erhöhen die Dopamin-Freisetzung aus der präsynaptischen Nervenzelle – und das deutlich stärker als Methylphenidat. Doch dieses inhibiert wiederum stärker als Amphetamine die Dopamin-Wiederaufnahme in die präsynaptische Nervenzelle.
Ist dieser Mechanismus für das in den USA mit einem speziellen Warnhinweis hervorgehobene Psychoserisiko der Stimulanzien relevant? Müsste also das Risiko für Psychosen bei mit Psychostimulanzien behandelten Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter Amphetaminen höher sein als unter Methylphenidat? Diese Hypothese wurde im Rahmen einer US-amerikanischen Kohortenstudie geprüft [1]. Berücksichtigt wurden die Krankenversicherungsdaten von 13- bis 25-Jährigen mit ADHS, die im Zeitraum Januar 2004 bis September 2015 eine Behandlung mit Amphetaminen oder Methylphenidat begonnen hatten.
Die Studienpopulation umfasste 221.846 Patienten, was einer Beobachtungsdauer von 143.286 Patientenjahren entsprach. Insgesamt wurden 343 psychotische Episoden, d. h. therapiebedürftige neu aufgetretene Psychosen, registriert. Davon traten 106 Episoden (0,10%) in der Methylphenidat-Kohorte und 237 Episoden (0,21%) in der Amphetamin-Kohorte auf (Hazard-Ratio 1,69; 95%-Konfidenzintervall 1,31 bis 2,09). Mit einer Inzidenzrate von 1,78 Episoden pro 1000 Personenjahre unter Methylphenidat versus 2,83 Episoden pro 1000 Patientenjahre unter Amphetaminen scheint dieser signifikante Unterschied zunächst marginal. Mit Blick auf die steigenden Verordnungszahlen könnte das Risiko in dieser Indikation aber durchaus klinisch relevant sein, wie die Studienautoren zu bedenken geben.
Interessant ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis einer Post-hoc-Analyse: Ein deutlicher Unterschied des Psychoserisikos unter Amphetaminen versus Methylphenidat bestand nur bei Verordnungen der Stimulanzien durch Hausärzte/Internisten bzw. Pädiater, nicht jedoch bei Verordnungen durch Psychiater. Erfassen Psychiater möglicherweise besser die Risikofaktoren eines Patienten für eine Psychose und verordnen Amphetamine dementsprechend vorsichtiger? Die Studienautoren können an dieser Stelle nur spekulieren.
Primär möglichst Methylphenidat
Für den Behandlungsalltag in Deutschland gilt gemäß der aktuellen S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“ [2], dass die Behandlungsplanung für die Therapie mit Psychostimulanzien in die Hände von einschlägig ausgebildeten bzw. erfahrenen Fachärzten gehört. Weiterhin findet sich in der Leitlinie die Empfehlung, initial eine Behandlung mit Methylphenidat zu versuchen, und erst im zweiten Schritt ein Stimulans aus der Gruppe der Amphetamine zu geben. Für die Sicherheit der Behandlung mit Psychostimulanzien bei ADHS-Patienten sind damit zwei – nach aktuellem Stand – wesentliche Punkte in der aktuellen S3-Leitlinie verankert. |
Quelle
[1] Moran LV et al. Psychosis with Methylphenidate or Amphetamine in Patients with ADHD. N Engl J Med 2019;380(12):1128-1138
[2] S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“, Registernummer 028-045, Stand Mai 2017; Abruf am 7. April 2019
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