Arzneimittel und Therapie

Memantin auf dem Prüfstand

Vorteil bei moderater und schwerer Alzheimer-Demenz bestätigt

Memantin (z. B. Axura®, Ebixa® und Generika) ist zur Behandlung der moderaten bis schweren Alzheimer-Erkrankung zugelassen. Doch der NMDA-Rezeptorantagonist wird auch bei leichten Verlaufsformen off-label eingesetzt. In einem neuen Cochrane-Review wurden die vorhandenen klinischen Studien bei Demenz zusammengetragen und untersucht, bei welchen Patienten Memantin besser wirkt als Placebo.

Alzheimer ist die häufigste Ursache für Demenz. Die Prävalenz liegt im Alter von 65 Jahren bei rund ein bis zwei Prozent und verdoppelt sich alle fünf Jahre. Zur Behandlung der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz ist Memantin in der europäischen Union seit 2002 zugelassen. Zusätzlich wird der Wirkstoff häufig off-label bei leichten Formen der Alzheimer-Erkrankung eingesetzt. Doch besonders in dieser Indikation ist die Wirksamkeit umstritten, die Leitlinien zum Einsatz von Memantin sind teilweise widersprüchlich.

Im Rahmen eines neuen Cochrane-­Reviews wurde nun der aktuelle Stand der Forschung zur Wirksamkeit und Sicherheit von Memantin bei verschiedenen Formen der Demenz zusammengefasst. Insgesamt standen für die Analyse Daten von fast 10.000 Patienten aus 44 Studien zur Verfügung. Die meisten davon beschäftigten sich mit der Wirkung von Memantin bei Patienten mit Alzheimer-Erkrankung.

Für den Einsatz bei Patienten mit moderater bis schwerer Alzheimer-­Demenz fanden die Autoren gute Evidenz für eine Überlegenheit von Memantin gegenüber Placebo. Nach einer Beobachtungszeit von sechs bis sieben Monaten ergab sich ein leichter Vorteil zugunsten von Memantin in allen betrachteten Wirksamkeitsparametern: der klinischen Gesamtbewertung, der Beurteilung durch den Arzt, der kognitiven Funktion, der Alltagskompetenz, dem Verhalten und der Stimmung. Auch bei Patienten, die gleichzeitig Cholinesterasehemmer einnahmen, führte Memantin zu einer leichten Verbesserung der meisten Parameter. Gegen Agitation wirkte Memantin hingegen nicht besser als Placebo.

Postulierter Wirkmechanismus

Memantin ist ein Antagonist mit niedriger Affinität am NMDA-Rezeptor, welcher durch Glutamat aktiviert wird. Glutamat ist der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter und spielt eine Rolle bei Lern- und Gedächtnisprozessen. Eine physiologische Glutamat-Aktivität ist Voraussetzung für eine normale Gehirnaktivität. Dagegen ist eine exzessive Erregung der NMDA-Rezeptoren durch Glutamat an der Pathogenese von Alzheimer beteiligt. Es wird vermutet, dass die Aktivierung synaptischer NMDA-­Rezeptoren neuroprotektiv wirkt, während extrasynaptische NMDA-­Rezeptoren den Zelltod fördern. Da Memantin in therapeutischen Dosen hauptsächlich extrasynaptische NMDA-Rezeptoren blockiert, könnte sich das Gleichgewicht so zugunsten der Neuroprotektion verschieben.

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Für die Anwendung bei leichter Alzheimer-Demenz fanden die Autoren keinen Unterschied zwischen Memantin und Placebo in den Endpunkten kognitive Funktion, Alltagskompetenz, Stimmung und Verhalten. Größtenteils besserten sich diese Parameter bei Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz im Gegensatz zu Patienten mit einer schweren Form der Erkrankung mit der Zeit auch unter Placebo.

Die Analyse von Studien bei vaskulärer Demenz ergab gemischte Ergebnisse. Ein leichter Vorteil von Memantin gegenüber Placebo in der kognitiven Funktion und ein leichter Rückgang von störendem Verhalten ist jedoch wahrscheinlich. In der klinischen Gesamtbewertung und der Alltagskompetenz zeigten sich hingegen keine Unterschiede.

Für andere Formen der Demenz gab es Hinweise auf einen kleinen Vorteil für Memantin gegenüber Placebo. Allerdings war die Evidenz hier zu gering, um verlässliche Aussagen zu treffen.

Insgesamt kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass Memantin bei moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz Placebo leicht überlegen ist. Dieser Vorteil bleibt auch in Kombination mit Cholinesterasehemmern bestehen. Außerdem war der Wirkstoff gut verträglich. Bei leichteren Formen einer Alzheimer-Erkrankung ist Memantin wahrscheinlich nicht besser wirksam als Placebo. |

Quelle

McShane R. et al. Memantine for dementia. Cochrane Database Syst Rev 2019;3:CD003154

Apothekerin Sarah Katzemich

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