- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 13/2019
- Höherer THC-Gehalt, mehr...
Arzneimittel und Therapie
Höherer THC-Gehalt, mehr Psychosen
Wann Cannabis-Konsum gefährlich wird
Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC), der Hauptwirkstoff der Hanfpflanze Cannabis sativa, wirkt an den Endocannabinoid-Rezeptoren des zentralen Nervensystems und kann einen Rauschzustand auslösen. Mehrere Untersuchungen stützen den Verdacht, dass ein Zusammenhang zwischen dem Ausbruch psychotischer Symptome und der THC-Wirkung besteht. Aufgrund der zunehmenden medizinischen Verwendung und des durch Züchtungen steigenden Wirkstoffgehalts der Cannabis-Pflanze wurde dieser Annahme anhand einer epidemiologischen Studie im Rahmen des EU GEI-Projektes nachgegangen. Das Ziel des Projektes ist es, den Ursprüngen von Schizophrenie und anderen psychischen Erkrankungen auf die Spur zu kommen.
Konsumverhalten abgefragt
Zwischen 2010 und 2015 wurden an elf Orten in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Spanien, Italien und Brasilien insgesamt 901 Patienten rekrutiert, bei denen nach ICD-10 Kriterien eine Psychose diagnostiziert worden war. Zusätzlich wurden 1237 gesunde Kontrollpersonen untersucht. Alle Teilnehmer wurden zu ihren Erfahrungen mit Cannabis und zu den von ihnen konsumierten Sorten befragt. Um den landesüblichen THC-Gehalt der jeweiligen Sorte zu ermitteln, wurden Daten des European Monitoring Centre for Drugs and Drug
Addiction herangezogen. Die Auswertung der erhobenen Daten ergab, dass in der Kontrollgruppe gut 46% der Personen mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis probiert hatten, während von den Patienten mit diagnostizierter Psychose fast 65% die Frage mit „ja“ beantworteten (adjustierte Odds Ratio [aOR] 1,3; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,1 bis 1,6).
Die Wissenschaftler um Dr. Marta Di Forti konnten gewisse Risikofaktoren identifizieren. So gaben in der Fallgruppe fast 30% der Patienten an, täglich Cannabis zu konsumieren. Nur gut 10% der Kontrollgruppe zeigten ein solches Verhalten (aOR 3,2; 95%-KI 2,2 bis 4,1). Ebenfalls fast 30% der Erkrankten kamen vor ihrem 15. Lebensjahr das erste Mal mit Cannabis in Kontakt, während in der Kontrollgruppe nur gut 13% im Jugendalter mit dem Konsum begonnen hatten (aOR 1,6; 95%-KI 1,1 bis 2,1). Besonders hoch war das Risiko bei Personen, die täglich hochpotentes Cannabis (≥ 10% THC) konsumierten. Im europäischen Durchschnitt war die Wahrscheinlichkeit, an einer Psychose zu erkranken, in dieser Gruppe viermal so hoch wie bei Personen, die keine Erfahrung mit Cannabis hatten (aOR 4,8; 95%-KI 2,5 bis 6,3). In einigen Großstädten war diese Dosisabhängigkeit noch deutlicher sichtbar.
Lesetipp
In Deutschland konsumieren rund 7% der Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren Cannabis, unter den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren beträgt die 12-Monats-Prävalenz sogar 15,3%. Hintergründe zu den Gefahren des Cannabis-Konsums im Jugendalter erfahren Sie in DAZ 2019, Nr. 8, S. 46.
Spitzenreiter Amsterdam
Die niederländische Hauptstadt erwies sich als Spitzenreiter: Jemand, der in Amsterdam täglich potentes Marihuana raucht, muss mit einem neunfach höheren Risiko leben als jemand, der abstinent bleibt. Statistische Berechnungen ergaben, dass sich dort die Zahl der psychotischen Störungen halbieren würde, wenn kein hochpotentes Cannabis mehr verfügbar wäre.
Verschiedene Faktoren konnten in der Studie nicht berücksichtigt werden. So wurden die Selbstauskünfte der Teilnehmer nicht durch Labormessungen aus Serum oder Urin überprüft. Außerdem wurde die Rolle des Cannabidiol (CBD), das neben dem THC in geringerer Konzentration in der Hanfpflanze vorkommt und dem antipsychotische Eigenschaften zugeschrieben werden, außer Acht gelassen.
Die Ergebnisse der Publikation sind auch im Hinblick auf die vermehrte Verschreibung von Cannabis als Arzneimittel interessant. Viele medizinische Sorten zählen zu den besonders wirkstoffreichen (z. B. Bedrocan® mit 22% THC). |
Quelle
Di Forti M et al. The contribution of cannabis use to variation in the incidence of psychotic disorder across Europe (EU-GEI); A multicentre case-control study. Lancet Psychiatry 2019; doi:10.1016/S2215-0366(19)30048-3
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.