Aus den Ländern

Aktuelle Berufspolitik, Klimaschutz und ganz viel Pharmazie

Jens Spahn, Joey Kelly und ein interessantes Programm lockten Rekordzahl von Besuchern zum WLAT

MÜNSTER (jb) | Jens Spahn, Karl-Josef Laumann, Joey Kelly und Franz Alt – durchaus einige prominente Gäste hatten neben einer Rekordzahl von Teilnehmern den Weg zum west­fälisch-lippischen Apothekertag nach Münster gefunden, der am vergangenen Wochenende zum siebten Mal stattfand – unter dem Hashtag #unverzichtbar.

Mit über 1340 Teilnehmern kann sich die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) über einen Besucher­rekord beim westfälisch-lippischen Apothekertag in Münster freuen. Zur berufspolitischen Eröffnung am Samstagnachmittag hatten sich Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe, NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sowie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (alle CDU) angekündigt. Nach einem Bekenntnis zur Apotheke vor Ort von Markus Lewe, der an der Bürgermeister-Aktion der ABDA teilgenommen hatte und dafür von den Grünen kritisiert worden war, sprach dann Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening. Sie erklärte, Lewe verkörpere das, was die langjährige grüne NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens gebetsmühlenhaft gefordert habe: „Den Einsatz für das so wichtige Ziel, die wohnortnahe Apotheke im Quartier zu sichern. Wo die Menschen älter und kränker werden, gehört die nächste Apotheke in Pantoffelnähe, also in fußläufige Entfernung.“ Weiter sagte sie: „Daher mutet es für mich wie ein schlechter Witz an, wenn jetzt ausgerechnet die Grünen in der Stadt Münster den Oberbürgermeister für seine Beteiligung an dieser Aktion kritisieren. Ich persönlich halte das für nur schwer erträglich und ich empfehle den Grünen in Münster, Nachhilfe bei ihrem Parteivorsitzenden Robert Habeck zu nehmen.“ Dieser habe nämlich lobend herausgestellt, dass die Apotheke vor Ort viel Geld in den barrierefreien Umbau investiere, während große Versandkonzerne in Deutschland keinen Cent Steuern zahlen.

Korrekturbedarf bei Dienstleistungssumme

Overwiening begrüßt auch das Ziel von Minister Spahn, die Gleichpreisigkeit wiederherzustellen. Es müsse allerdings rechtssicher sein, außerdem meldete Overwiening Korrekturbedarf bei der in Aussicht gestellten Summe für pharmazeutische Dienstleistungen an. Auf diesen Punkt ging Spahn in seiner Rede allerdings nicht ein (siehe auch S. 12). Landesgesundheitsminister und WLAT-Schirmherr Karl-Josef Laumann betonte in seiner Ansprache, dass er nicht bereit sei, das System der Arzneimittelversorgung, das ohne Frage gut funktioniere, ohne Not zu opfern – und er bezog klar Stellung: „Nordrhein-Westfalen und ich wollen das Versandverbot, aber Politik ist die Kunst des Machbaren.“ Spahns Pläne hält er jedoch für einen Schritt in die richtige Richtung. Wichtig seien Sanktionsmöglichkeiten, so Laumann, um Versandhändler, die sich nicht an die Verbote halten, „katholisch machen zu können“.

Fotos: AK Westfalen-Lippe

Medikationsanalyse wirkt

Dass Medikationsanalyse tatsächlich etwas bewirken kann, zeigte im Anschluss an die Politikerreden Prof. Dr. Ulrich Jaehde aus Bonn. Er stellte die neuesten Ergebnisse einer Studie vor, die von der Apothekerkammer West­falen-Lippe in Kooperation mit der AOK Nordwest und der Klinischen Pharmazie der Uni Bonn durchgeführt wird. Im Rahmen dieser Studie führten AMTS-geschulte Apotheker eine Medikationsanalyse Typ 2A durch, nach drei Monaten gab es noch einmal ein Follow-up. Die Apotheker identifizierten pro Patient im Schnitt 6,6 arzneimittelbezogene Probleme, 0,6 pro eingenommenem Arzneimittel, berichtete Jaehde. Um Verbesserungen durch die Analyse zu quantifizieren, hatte man den „Medication Appropriateness Index“ (MAI) erhoben. Bei diesem Score werden verschiedene Fragestellungen unterschiedlich gewichtet, erklärte der Pharmazeut, zum Beispiel ob für das Mittel überhaupt eine Indikation existiert oder ob es in der korrekten Dosierung verordnet ist. Je niedriger der Score, desto besser. Die vorläufige Auswertung umfasste 75 Patienten. Der MAI vor der Analyse habe im Median bei sieben gelegen, direkt danach habe man ihn auf zwei reduzieren können, und drei Monate danach sei er sogar auf eins gesunken, berichtete Jaehde. Er merkte aber auch an, dass AMTS eine große Baustelle sei. Das schaffe kein Beruf alleine. Gerade bei der interdisziplinären Zusammenarbeit sieht er aber große Defizite. „Die Zusammenarbeit funktioniert nur, wenn man sie ganz offiziell zwischen Praxis und Apotheke vereinbart und zum Beispiel festlegt, auf welchem Weg der Arzt von der Apotheke informiert werden soll.“ Apotheker können aber nach Jaehdes Ansicht zum Schrittmacher der AMTS werden. Seiner Meinung nach soll die Medikationsanalyse die Kernkompetenz zukünftiger Apotheker sein, dafür müsse sie aber auch an den Universitäten gelehrt und auch geübt werden. In der anschließenden Diskussion kam auch noch einmal das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Aussicht gestellte Budget für pharmazeutische Dienstleistungen zur Sprache. Frank Dieckerhoff, der Vizepräsident der AKWL, erklärte, dass die aktuell im Gespräch befindliche Summe lediglich eine Anschubfinanzierung sein könne. Zudem wies er noch einmal darauf hin, dass es sich nicht um eine Honorarerhöhung handele, sondern um ein Budget für eine neu erbrachte zusätzliche Leistung.

Medikationsanalyse –das Erklärvideo

Im Rahmen des westfälisch-lippischen Apothekertags stellte die Kammer ein neues Video für Patienten vor, in dem am Beispiel eines älteren Asthmatikers erklärt wird, was eine Medikationsanalyse ist und wie Patienten davon profitieren können. Das Video ist unter folgendem Link zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=yisr98wCae0 (DAZ.online-Webcode: Y2EB9).

Vielfältige Fortbildung

Neben der Politik war auch ein breites Fortbildungsprogramm für Apotheker und PTA geboten. So sprach Dr. Kerstin Kemmritz aus Berlin zur Beratung bei Selbstmedikation, Professor Kristina Friedland von der Universität Mainz über die Volkskrankheit Depression sowie Professor Gerd Bendas über die Pharmakotherapie der multiplen Sklerose. Es ging aber auch noch um weit größere Themen als die Pharmazie – nämlich das Klima. Für den erkrankten Klimaforscher Mojip Latif war der Journalist und Buchautor Dr. Franz Alt, der lange das ARD-Magazin „Report Baden-Baden“ leitete, eingesprungen. „Wir erleben jetzt das sechste Artensterben, aber das erste, an dem der Mensch schuld ist.“ Er kritisierte vor allem, dass der Mensch wider besseren Wissens handele und beispielsweise Solarenergie zu wenig nutze. „Wir haben alle ein Brett vor der Sonne“, erklärte er. „Die Lösung des gesamten Energieproblems steht am Himmel.“ Er hob auch auf die Kritik von Konservativen an den Fridays-for-Future-Demonstrationen ab. „Ich sage denen dann immer, dann setzt doch um, was ihr in Paris beschlossen habt, dann müssen die jungen Leute nicht auf die Straße gehen“, erklärte er. Wir seien die Generation, die das Problem geschaffen hat, wir sollten auch für die Lösung sorgen, so Alt. Mitte des Jahrhunderts müsse der Umstieg auf erneuerbare Energien geschafft sein, das sei die Gnadenfrist. Man habe das Wissen, die Technologie sei da, man müsse es nur umsetzen. In einer zweiten Keynote ging es bei Joey Kelly, vielen bekannt als Mitglied der Kelly Family, dann darum, wie man seine Ziele am besten erreichen kann. Kelly erläuterte das anhand seiner eigenen Lebensgeschichte als Unternehmer und Extremsportler – er absolvierte als Erster acht Ironman-Wettbewerbe innerhalb von zwölf Monaten.

Nicht fehlen durfte natürlich die pharmazeutische Ausstellung. Etwa 50 Aussteller, darunter Großhändler und Softwarehäuser, aber auch Organisationen wie „Apotheker helfen“, präsentierten sich am Rande des Apothekertages. Am Stand der AKWL gab es zudem die Möglichkeit, für die Initiative „Eine Dosis Zukunft“ zu spenden. Die Spende wurde den Besuchern allerdings „schmackhaft“ gemacht: Jeder, der etwas beisteuerte, durfte sich ein Rezepturtütchen an der Candybar füllen. |

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