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Interpharm 2019 - Polypharmazie im Alter
„Hast du mal eine Ibu für mich?“
Wann die Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika gefährlich werden kann
Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) blockieren entweder nicht selektiv die Cyclooxygenase (COX) 1 und 2 oder selektiv die COX-2. Auf diese Weise wirken sie Prostaglandin-vermittelten Prozessen wie Entzündung, Schmerz und Fieber entgegen. Auf der anderen Seite reguliert COX-1 unter anderem die Nierendurchblutung, die Thrombozytenaggregation und die Magensäureproduktion. Und auch COX-2 wird – anders als ursprünglich vermutet – konstitutiv exprimiert, beispielsweise in Rückenmark, Uterus, Gehirn und in den Nieren. Mögliche unerwünschte Wirkungen von NSAR betreffen somit zahlreiche Organsysteme.
Von Dyspepsie bis Ulzera
Das gastrointestinale Risiko ist unter NSAR deutlich erhöht und korreliert mit der Dosis, der Anwendungsdauer sowie der Zahl von Risikofaktoren (Alter über 65 Jahre, Multimorbidität, Komedikationen etc.). Besonders gefürchtet sind Blutungen im Magen-Darm-Trakt, die vorrangig unter COX-1-Hemmung auftreten. Unter den selektiv wirkenden COX-2-Hemmern ist das Risiko für Komplikationen nur halb so groß, allerdings geht dieser Vorteil bereits durch die tägliche Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) verloren. Ebenso steigt das Blutungsrisiko bei gleichzeitiger Einnahme von Antikoagulanzien, Corticosteroiden und selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI). Unter diesen Umständen ist die Prophylaxe mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) angezeigt.
Die Empfehlung, NSAR besser nach dem Essen einzunehmen, teilen die Referenten nicht grundsätzlich. Richtig ist, dass die Magenschleimhaut durch die Nahrungsaufnahme vor Angriffen geschützt wird. Allerdings verzögert sich gleichzeitig der Transport in den Darm. Unbestritten ist, dass Retardtabletten am besten ein bis zwei Stunden vor dem Essen eingenommen werden sollten. Eine konkrete Dosierungsanweisung sollte im Beratungsgespräch nicht fehlen, die Aussage „bei Bedarf“ ist zu wenig.
Von Myokardinfarkt bis Herzinsuffizienz
Unter COX-Hemmung wird die Prostaglandin-vermittelte Vasodilatation empfindlich geschmälert. Dr. Fechtrup schätzt, dass ein NSAR den Blutdruck um 1 bis 14 mmHg steigen lässt und damit die Wirkung von einem Antihypertonikum aufzuheben vermag. Das Risiko für das Auftreten thrombotischer Ereignisse ist erhöht, insbesondere unter COX-2-Hemmern, die aus diesem Grund teilweise vom Markt genommen wurden. Aber auch beim Klassiker Diclofenac wurden die Kontraindikationen im Jahr 2013 um bestehende Herzinsuffizienz, ischämische Herzerkrankung, periphere Arterienerkrankung und zerebrovaskuläre Erkrankung erweitert.
Einer Metaanalyse zufolge ist das relative Risiko (RR) für das Auftreten einer Herzinsuffizienz unter Diclofenac (RR 1,19), Ibuprofen (RR 1,18) und Naproxen (RR 1,16) erhöht [Arfè et al. BMJ 2016; 354:i4857]. Eine bestehende Herzinsuffizienz kann sich wesentlich verschlechtern.
Gefährlich wird es auch, wenn die Einnahme von NSAR einer Sekundärprävention nach einem Herzinfarkt in die Quere kommt. Ibuprofen kann die thrombozytenaggregationshemmende und damit kardioprotektive Wirkung von ASS aufheben. ASS sollte aus diesem Grund mindestens eine Stunde vor und frühestens acht Stunden nach Ibuprofen eingenommen werden.
Von drei- bis vierfachen Nierenschlägen
Vor allem bei Patienten, die mehrere Medikamente gegen Bluthochdruck einnehmen, können Ibuprofen und Co. eher schaden als helfen. Die gleichzeitige Einnahme von ACE-Hemmern oder Sartanen, Diuretika und NSAR treibt die Nieren an ihre Grenzen: Das Diuretikum vermindert das Plasmavolumen, ACE-Hemmer/Sartane hemmen die efferente renale arterioläre Vasokonstriktion und wegen des NSAR fehlen gefäßerweiternde Prostaglandine in der zuführenden Arteriole – es droht akutes Nierenversagen als Folge des „Triple-Whammy-Effektes“. Ist die Nierenleistung von vornherein beeinträchtigt (z. B. im hohen Alter oder bei chronischer Nierenerkrankung), ist das Risiko noch höher.
Aber auch gesunde Nieren können durch NSAR in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Referenten warnten davor, Ibuprofen und Co. im Sport einzusetzen, um Schmerzen vorzubeugen: Die erhoffte Wirkung sei nicht belegt, es entstehen im Gegenteil nur erhöhte Risiken.
Im Zweifel sei die topische Anwendung von NSAR oft die bessere Wahl bei kleineren Beschwerden, so die Empfehlung. |
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