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Interpharm 2019 – ApothekenRechtTag
Gerichte wollen Klärung – Spahn verweigert Auskunft
Ist das deutsche Recht zahnlos gegenüber ausländischen Versendern?
Es ist Zeit für eine Lösung des Versandhandelskonflikts: Nachdem unmittelbar nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 der Gesetzentwurf des damaligen Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe für ein Rx-Versandverbot versandete, ließ die alternative Antwort seines Nachfolgers Jens Spahn auf sich warten. Im Dezember hat Spahn zwar Vorschläge vorgelegt – doch bislang ist unklar, was aus ihnen wird. Die ABDA hat bereits signalisiert, dass sie unter gewissen Prämissen – allen voran der Gleichpreisigkeit – auf die Forderung nach einem Rx-Versandverbot verzichten würde. Indessen hat die EU-Kommission ihr 2013 eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren zur Rx-Preisbindung für EU-Versender fortgesetzt. Damit steigt der „Druck im Kessel“.
Dazu tragen auch Gerichtsentscheidungen bei. Seit dem EuGH-Urteil schwebt über ihnen die Frage: Wie lange und unter welchen Umständen ist die Inländerdiskriminierung noch zu rechtfertigen? Wird der Gesetzgeber einen neuen Rahmen schaffen, der wieder zu Gleichpreisigkeit führt? Und wie weit werden die EU-Versender ihre Marktanteile ausdehnen? Der Bundesgerichtshof entschied zum Beispiel im November 2018 im Fall einer deutschen Versandapotheke, die mit Neukundenprämien warb, dass die Preisvorschriften, auf die sich das heilmittelwerberechtliche Zugabeverbot (§ 7 HWG) bezieht, bei rein innerstaatlichen Sachverhalten weiterhin anwendbar und wirksam sind. Noch liege keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber ausländischen Versendern oder eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit vor. Aber der BGH machte auch klar, dass sich dies bei einer deutlichen Änderung der Marktverhältnisse ändern kann.
Interessant dürfte auch eine anstehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts werden: Im langjährigen „Kuschelsocken“-Streit, in dem es ebenfalls um Zugaben deutscher Apotheken geht, haben die Leipziger Richter die Revision zugelassen. Die Begründung: Das Verfahren gebe die Gelegenheit, die Frage zu klären, ob die für inländische Apotheken geltende Preisbindung infolge des EuGH-Urteils wegen Inländerdiskriminierung mit dem Gleichheitssatz und der Berufsausausübungsfreiheit unvereinbar ist. Douglas: „Das zeigt, dass die obersten deutschen Gerichte durchaus ein Gespür dafür haben, dass man die deutschen Apotheken nicht weiter uneingeschränkt an das Arzneimittelpreisrecht binden kann, wenn hier keine Änderung herbeigeführt wird“. Auch in mündlichen Verhandlungen sei immer wieder klar geworden, dass die Gerichte mit einem baldigen Versandverbot oder einer sonstigen politischen Lösung rechneten. Dass nun noch Verfahren in der höchstrichterlichen Pipeline stecken, ermögliche, dass hier aktuelle Gesetzesänderungen rasch berücksichtigt werden könnten.
Viel Aufwand für Architekten – aber nicht für Apotheker
Douglas verwies überdies auf ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission gegen Deutschland führt. Hier geht es um die Honorarordnung der Architekten und Ingenieure (HOAI). Verkammerte Berufe, so Douglas, sind der EU-Kommission generell ein Dorn im Auge. Und Ende Februar befand auch der EuGH-Generalanwalt in seinen Schlussanträgen, die verbindlichen Mindest- und Höchstpreise der HOAI seien europarechtswidrig. Was Douglas fuchst: „In diesem Verfahren hat die Bundesregierung LKW-weise Argumente nach Luxemburg gefahren, warum die Regelung erforderlich ist, um die Qualität der Architektendienstleistungen zu gewährleisten“. So viel Engagement würde sich der Anwalt auch für die Apotheker wünschen. Doch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat bislang nicht einmal auf einen Beweisbeschluss des Oberlandesgerichts München reagiert. Dieses hatte vor über einem Jahr im BMG angefragt, ob und unter welchen Umständen der einheitliche Apothekenabgabepreis für EU-Versandapotheken geeignet und erforderlich ist, die flächendeckende, sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Rx-Arzneimitteln sicherzustellen. Douglas ist verständnislos: „Die Deutschen Gerichte sind bereit für eine Wiedervorlage vor dem EuGH, sie scharren mit den Hufen, allein das BMG bremst sie“.
Und was tut man, bis sich etwas bewegt? Douglas hält es hier mit einem Zitat aus der Fußballwelt: „Wenn wir schon nicht gewinnen, dann treten wir wenigstens den Rasen kaputt“. Ein Beispiel ist das Verfahren gegen DocMorris-Quittungen. Die Versender hatten ihren Kunden gar nicht geleistete Zuzahlungen quittiert. Darin sah das OLG Stuttgart einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt. Auch wenn es im Einzelfall um wenige Euro gehe, hätten täglich tausende falsche Quittungen durchaus einen Gießkanneneffekt. Das zunächst eingelegte Rechtsmittel gegen das Urteil hat die beklagte Versandapotheke laut Douglas bereits zurückgenommen.
Wirklich ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit?
Ein alternativer Lösungsansatz ist, zu hinterfragen, ob tatsächlich ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit vorliegt. Schließlich geht es um deutsche Arzneimittel für deutsche Verbraucher, die von deutschen Krankenkassen bezahlt werden. Nur weil sie für eine logische Sekunde in die Niederlande wandern, wo sie nicht vertriebsfähig sind, soll die Preisbindung nicht mehr gelten? Wenn man sich dann anschaue, wie die neue DocMorris-Lagerhalle auf der deutsch-niederländischen Grenze gelegen sei, könne man durchaus bezweifeln ob die Packung tatsächlich niederländisches Gebiet erreicht hat, meint Douglas. Er verweist auf das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, das in einer vergleichbaren Konstellation – es ging um Pflanzenschutzmittel – angenommen hat, dies sei kein Fall der Warenverkehrsfreiheit. Im Fall von DocMorris würde er dies ebenfalls gerne nochmal diskutieren, sagt Douglas. Und zwar auch vor dem Hintergrund, dass die niederländischen Behörden vor circa 1,5 Jahren den Versandapotheken als sogenannten Grenzapotheken einen Sonderstatus eingeräumt haben. Dieser Erlass besage, dass niederländische Apotheken, die nur nach Deutschland liefern, eigentlich der Anwendung deutschen Rechts unterliegen. Das sei zwar „völkerrechtlich schwierig“ und Anfragen beim BMG und in NRW hätten keine Erkenntnis gebracht, wie diese Aussage der Niederländer in die Tat umgesetzt werden soll. Doch offenbar sei es egal, dass bei der Kontrolle niederländischer Versandapotheken „ein gewisses Vollzugsdefizit besteht“.
Douglas Fazit: Es ist im Moment nicht erkennbar wohin der Gesetzgeber steuert. Die Kommission werde ihn jetzt möglicherweise zu einer Reaktion zwingen. Den Vorschlag Spahns für einen Boni-Deckel hält der Anwalt aber für verfassungswidrig. Auf jeden Fall sei er der „Sargnagel“ im Beweisrecht. Douglas ist überzeugt: „Kein deutsches Gericht würde einen deutschen Apotheker noch wegen einem Ofenkrusti verurteilen, wenn in Holland gesetzlich festgeschrieben 2,50 Euro gewährt werden dürfen“. |
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