Management

Was tun bei Staffing?

Wenn der Chef zum Mobbingopfer wird

Der Filialleiter geht in Rente und eine junge Frau nimmt seinen Posten ein. Das hört sich nach frischem Wind an, dem das Team vielleicht eher skeptisch gegenübersteht. Werden solche Wechsel nicht gut von der Inhaberebene aus begleitet, können Neuerungen zu Missverständnissen und zu unfreund­lichem Verhalten seitens des Teams führen. Der neuen Chefin werden absichtlich Informationen vorenthalten und Arbeitsanweisungen mit fadenscheinigen Ausreden ignoriert. Hält sich dieses Verhalten über einen ­längeren Zeitraum, ist das kein schlechter Stil, sondern ein klares Beispiel für Staffing – für Mobbing am Chef. | Anja Keck

Staffing ist viel weniger bekannt als Mobbing und es wird von Führungskräften ungern zugegeben, dass sie darunter leiden. Schließlich hält sich der Gedanke, dass nur schwache Persönlichkeiten zu Mobbingopfern werden, und das steht im Widerspruch zu der Souveränität einer Leitung. Ein Denkfehler, denn wie oben gezeigt muss der Auslöser nichts mit der Person an sich zu tun haben.

Beim Staffing geht es darum, die Persönlichkeit, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen anzugreifen. Auswirkungen hat dies nicht nur auf die berufliche Leistungsfähigkeit, sondern auch auf das Privatleben sowie die psychische und physische Gesundheit.

Aber was gehört zu den normalen Kontroversen zwischen Leitung und Team und wo beginnt Staffing? Staffing ist Mobbing am Chef. Die juristische und die all­gemeine Definition von Mobbing weichen im Wortlaut voneinander ab. Es geht jedoch immer darum, einen anderen Menschen über einen längeren Zeitraum (im Allgemeinen sechs Monate mindestens einmal pro Woche) zu schikanieren oder zu diskriminieren und damit die Persönlichkeit, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen anzugreifen. Zu solchen feindseligen Handlungen zählt beispielsweise, den anderen lächerlich zu machen, ständige Kritik am Privatleben zu üben und auf falsche oder kränkende Weise den Arbeitseinsatz zu beurteilen. Auswirkungen hat dies nicht nur auf die berufliche Leistungsfähigkeit, sondern auch auf das Privatleben sowie die psychische und physische Gesundheit.

Wie beim Mobbing kann sich Staffing ganz unterschiedlich äußern, ist aber meist weniger offensichtlich. Zum Beispiel werden Gerüchte gestreut, um den Vorgesetzten bei seinem Chef oder bei anderen Kollegen in ein schlechtes Licht zu rücken. Das muss nicht zwingend in den vier Wänden des Unternehmens bleiben, auch das Schikanieren im Internet ist gängig, wo in Foren über den Vorgesetzten gelästert oder diskreditierendes Material hochgeladen wird.

Ein weiteres Vorgehen ist das ­Vorenthalten oder zu späte Mit­teilen von Informationen. Einen lückenlosen Informationsfluss in der Apotheke zu sichern, ist durchaus eine Herausforderung und nicht immer sind alle Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wenn aber Informationen ­absichtlich und böswillig der Führungskraft vorenthalten werden, erhöht sich das Risiko für falsche Entscheidungen, die nicht nur deren Ansehen schaden können, sondern auch dem Unter­nehmen. Darüber hinaus gehören zum Staffing absichtliches langsameres Arbeiten bis hin zur ­Arbeitsverweigerung mit immer wechselnden Ausreden oder verbale Angriffe.

Ursachen erkennen führt zur Lösung

Warum Mitarbeiter ein feindseliges Verhalten an den Tag legen, kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Durchaus möglich ist, dass die Führungskraft durch ihr Verhalten Staffing provoziert, aber auch ein schlechtes Betriebsklima, unklare Zuständigkeiten oder purer Neid können Auslöser sein. Diese zu erkennen, kann der erste Schritt zur Lösung sein.

Als Führungskraft sein eigenes Handeln und die Situation zu reflektieren und mit Vertrauenspersonen in den Austausch zu gehen, schafft Handlungsmöglichkeiten. Was ist eigentlich passiert? Bilde ich mir das ein oder geht das wirklich gegen mich?

Weitere hilfreiche Fragen sind:

1. Liegt eine Umkehrung üblicher Strukturen vor? Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein junger Chef hauptsächlich ältere, erfahrene Kollegen leitet.

2. Bietet der Chef (also man selbst) Grund zur Beschwerde? Vielleicht behandelt er die Mitarbeiter herablassend, kontrolliert ständig, vergreift sich im Ton oder Ähnliches.

3. Wie sind die Arbeitsbedingungen? Liegen durch Lärmbe­lastung, Zeitdruck, fehlende ­Arbeitsflächen oder -material ohnehin schon ungünstige ­Umstände vor?

4. Sind die Zuständigkeiten und Arbeitsabläufe klar? Wenn durch Strukturlosigkeit die ­Beschäftigung zur Sisyphos-­Arbeit wird, ist eine Meuterei kein Wunder.

5. Wie sind der Umgangston und die Gesprächskultur im gesamten Unternehmen? Ist ein rüder Umgang gang und gäbe, wird ­sicher auch der Chef nicht verschont.

6. Gehen mit dem Einsatz einer neuen Führungskraft schnelle und erhebliche Veränderungen einher? Dann entsteht beim Team der Eindruck, dass seine bisherige Arbeit wertlos war, und das kann zu Konflikten führen.

Überforderung, Leistungsdruck und Stress über einen längeren Zeitraum schaffen eine angespannte Stimmung, in der bei ­Fehlern oder Versäumnissen nicht zimperlich ein Schuldiger gesucht wird. Zum Mobbing ist es dann nicht mehr weit.

Foto: Sean Gladwell – stock.adobe.com

Staffing zielt auf den Chef. Vergessen wird, dass dieses Mobbing zurückkommen kann wie ein Bumerang – in Form von schlechter Stimmung im Team, Ermahnungen - bis hin zur Abmahnung. Besser ist immer das klärende Gespräch.

Fliegende Fetzen? Achtung Falle!

Staffing hat meistens den Zweck, den ungeliebten Chef loszuwerden. Aber der sitzt doch am längeren Hebel? Nicht immer. In Apotheken wird nicht zwingend die Befugnis zur Abmahnung an den Filialleiter übertragen. Aus Sorge vor Eskalationen kann es sogar dazu kommen, dass der Filialleiter auf eine andere Position versetzt wird, anstatt die Situation zu klären. Was das Team nur darin bestärkt, dass sein Verhalten in Ordnung ist. ­Dieses Vorgehen kann bei jeder weiteren Besetzung zu Problemen führen, weil das Thema „Fehlverhalten“ nicht bearbeitet wurde.

Über Fehlverhalten hinwegzusehen in der Hoffnung, dass sich alles schon wieder beruhigt, ist ein Holzweg. Je länger das Problem ignoriert wird, umso mehr eskaliert es.

Eine weitere Falle, in die Führungskräfte bei Anfeindungen tappen können, heißt: „Das lasse ich mir nicht gefallen.“ Vor allem wenn die Emotionen hochkochen ist der Wunsch groß, es dem ­Mitarbeiter mit gleicher Münze heimzuzahlen. Das Ergebnis ist, dass die Fetzen in beide Richtungen fliegen und reibungsloses ­Arbeiten bald gar nicht mehr möglich ist.

Wer das genaue Gegenteil macht und über Fehlverhalten hinwegsieht in der Hoffnung, dass sich ­alles schon wieder beruhigt, ist genauso auf dem Holzweg. Je länger das Problem ignoriert wird, umso mehr eskaliert es.

Gesprächskultur etablieren

Hilfreich hingegen ist die Etablierung einer Gesprächskultur. Die Suche nach Kompromissen ist gewinnbringender, als Kompromisslosigkeit zu demonstrieren. Bei Fehlverhalten ist es sinnvoll nachzufragen und in einem Gespräch mit den Mobbern der Sache auf den Grund zu gehen – unabhängig davon, ob die Mitarbeiter unter­einander mobben oder es die Führungskraft betrifft.

Dabei ist der Bezug auf konkrete Situationen mit Tag, Uhrzeit und Wortlaut hilfreich. Die Empfindungen, was verletzend ist, sind allerdings durchaus unterschiedlich. Was für den einen noch ein harmloser Spaß ist, ist für den anderen vielleicht schon eine Kränkung, und das sollte Beachtung finden.

Ein Gespräch über den Vorfall dient der Reflektion und ist meist als Intervention vollkommen ausreichend. Der Mobber kann ein­lenken, ohne schlecht dazustehen. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass der Gemobbte die Initiative ergreift und nicht in einer Opferrolle verharrt.

Manchmal bleibt nur die Trennung

Sollte das Staffing immer wieder vorkommen, ist es sinnvoll, dem Mobber klarzumachen, dass sein Verhalten inakzeptabel ist und dass bei einer Häufung rechtliche Schritte nötig sein werden. Schließlich geht es nicht nur um den persönlichen Stolz, sondern auch um das Setzen von Grenzen zum Wohle aller Mitarbeiter und um die Richtschnur, welche Umgangsformen im Unternehmen gelebt werden sollen.

Wenn alles Ermahnen nichts nützt, ist der nächste Schritt die Abmahnung und – sollte das nicht ausreichen – die verhaltensbedingte Kündigung. Es ist von Vorteil, auf eine schriftliche Dokumentation der Vorfälle zurückgreifen zu können. Bei Staffing oder Mobbing sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass zusätzlich ein Straftatbestand vorliegen kann, wie Beleidigung, Verleumdung oder üble Nachrede.

Fazit

Eine Führungskraft muss nicht immer alles aushalten. Wenn Sie sich längere Zeit unwohl fühlen oder mit Bauchschmerzen zur Arbeit gehen, sollten Sie aktiv werden und das Thema angehen. Hilfreich ist dabei möglicherweise das Gespräch mit Vertrauenspersonen. Und falls Sie als Filialleiter in der Sandwichposition sind, kann vielleicht der Inhaber vermitteln oder günstigere Strukturen schaffen. |

 

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Filialleiterin, 
Master-Coach (DGfC) und Systemische Beraterin

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