Gesundheitspolitik

Schmidt verteidigt Zustimmung zum Reformgesetz

ABDA-Präsident antwortet seinen Kritikern in einem Brief an alle Apotheker

BERLIN (ks/cha) | Während ABDA-Präsident Friedemann Schmidt den Mitte Juli vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) grund­sätzlich begrüßt, kommt aus einigen Mitgliedsorganisationen erneut scharfe Kritik. Auch der Ruf nach einem Rx-Versandhandelsverbot reißt nicht ab. Nun reagiert Schmidt mit einem Brief an die Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland – dieser ist seit dem vergangenen Dienstag auf der ABDA-Webseite zu finden. Darin bemüht er sich um Verständnis für seinen Weg. Auf die Frage: „Ist das Reformpaket inhaltlich gut?“ hat Schmidt zwei Antworten parat: Dieser sei nicht gut, wenn man das Paket an den Idealvorstellungen der Apothekerschaft messe, denn dann wäre zukünftig der Rx-Versandhandel verboten. Ja laute die Antwort hingegen, wenn man das Paket nüchtern am Status quo messe: Gleich­preisigkeit gebe es derzeit nicht im internationalen Arzneimittelversand, doch jedenfalls für den GKV-Bereich solle sich das nun ändern.

EU-Versender dürfen dann, so Schmidt in seinem Brief weiter, GKV-Versicherte nur mit Rx-Arzneimitteln versorgen, wenn sie sich strikt an die Arzneimittelpreisverordnung halten. Tun sie das nicht, drohen empfindliche Strafen – sie können sogar von der GKV-Versorgung ausgeschlossen werden. „Wir wollen die Sanktionsregeln so wasserdicht wie möglich machen“, verspricht Schmidt. „Im Ergebnis heißt das, dass einheitliche Abgabe­preise für 90 Prozent der Patienten und 90 Prozent des Marktes wieder gelten“ – dabei übersieht er allerdings, dass nicht nur PKV-Versicherte, sondern auch Rezepte für Pille oder Lifestyle-Medikamente ausgenommen sind.

Auch die weiteren aus seiner Sicht wichtigen Punkte des Reform­pakets führt Schmidt an: Vorausschauend werde an das E-Rezept gedacht und die Präsenzapotheke durch ein Zuweisungsverbot auch dieser Rezepte geschützt. Und dann ist da noch das Geld: „Insgesamt sollen 215 Mio. Euro zusätzlich jedes Jahr für die Arznei­mittelversorgung zur Verfügung gestellt werden“, schreibt Schmidt. Jährlich 150 Millionen Euro für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen, 50 Millionen Euro für die Notdienste. Dabei bezieht er sich allerdings auf die durchaus anzweifelbaren Zahlen aus dem Kabinettsentwurf. Nicht zuletzt soll es auch mehr Geld für Betäubungsmittel und andere dokumentationspflichtige Medikamente geben. Schmidt: „Entscheidend ist dabei, dass die verbesserte Vergütung Leistungen betrifft, die praktisch nur von Apotheken vor Ort erbracht werden können.“ Zudem: Die pharmazeutischen Dienstleistungen – für sie und ihre Vergütung hätten die Apotheker jahrelang gekämpft. Nun gebe es dafür erstmalig die Gelegenheit. „Pharmazeutische Dienstleistungen bedeuten eine klare Aufwertung des heilberuflichen Profils des Apothekers“, betont der ABDA-Präsident. „Auch die Erprobung von Grippe-Impfungen durch Apotheken kann darauf einzahlen.“

Keine Kritik an Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG

Als nächstes stellt Schmidt die Frage: „Ist die Umsetzung des Gesetzespakets realistisch?“ Daran glaubt er fest. Die Pläne des frü­heren Gesundheitsministers Hermann Gröhe für ein Rx-Versandverbot im Jahr 2017 kamen nicht über den Status eines Referentenentwurfs hinaus – das „Reform­tandem aus VOASG und Verordnung hat wegen seines Kompromisscharakters die Kabinetts­hürde indes geschafft“, schreibt Schmidt. Damit sei auch eine Mehrheit in der Bundestags­abstimmung wahrscheinlich. „Das größere Risiko liegt hier in einem möglichen Auseinanderbrechen der Regierungskoalition vor dem Abschluss des Gesetz­gebungsverfahrens“, so der ABDA-Präsident. „Eine zügige Verabschiedung ist daher wichtig.“

Ferner verweist Schmidt nochmals darauf, dass die im VOASG-Entwurf vorgesehene Regelung zur Gleichpreisigkeit einen neuen Begründungsansatz liefere, „der die Chance bietet, sie mit zusätzlichen Argumenten zu verteidigen“. Selbst für die geplante Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittel­gesetz zeigt er Verständnis: Damit wolle das BMG dem EuGH-Urteil vom Oktober 2016 nachkommen, das laufende Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland beenden „und damit eine weitere offene juristische Flanke schließen“.

Bei der Frage „Gibt es Alternativen zum Reformpaket?“ betont Schmidt, dass er das Rx-Versandverbot weiterhin für die „zweifelsfrei inhaltlich beste aller Lösungen“ hält – allerdings eine gegenwärtig nicht durchsetzbare. Die Chancen hierfür seien in der laufenden Legislaturperiode sogar noch geringer als 2017. Trotz anderslautender Einzelstimmen seien die notwendigen Mehrheiten weder in der Bundesregierung noch im Bundestag und im Bundesrat zu erkennen. Zudem sei die gesellschaftliche Vermittlung eines Versandverbotes immer schwerer geworden. „In einer solchen Situation strikt auf dem Verbot als Lösungsweg zu beharren, hieße, sich aus dem politischen Gestaltungsprozess zu verabschieden.“ Aber dann bliebe es beim Status quo: „Keine Gleichpreisigkeit, kein zusätzliches Honorar, keine fachliche Perspektive, kein Schutz gegen das großflächige Makeln von E-Rezepten.“

Rx-Versandverbot soll „politische Option“ bleiben

Nicht zuletzt deshalb habe sich die ABDA-Mitgliederversammlung im Juni darauf geeinigt, weiterhin im Dialog mit der Politik zu bleiben. „Unser Ziel bleibt dabei eine möglichst umfassende Absicherung der Gleichpreisigkeit und die Durchsetzung weiterer Verbesserungen am Gesetzentwurf. Das Versandverbot für rezeptpflichtige Medikamente soll als politische Option für die Zukunft erhalten bleiben, falls die Vor-Ort-Apotheken durch das derzeitige Gesetzesvorhaben nicht ausreichend gestärkt werden.“

Nur auf die Bewahrung der Vergangenheit zu setzen, sei keine Alternative, betont Schmidt. Ob er mit diesen Worten die Kritiker besänftigt, bleibt abzuwarten. |

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