Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Pay what you want

Wenn Kunden den Preis bestimmen

Andreas Kaapke

Zu den ungewöhnlichsten Vorschlägen aus dem Marketing zählte in den letzten rund zehn Jahren der preispolitische Ansatz „pay what you want“. Gemeint ist, dass der Kunde nur den Betrag bezahlen muss, den er auch zu zahlen bereit ist. Damit entkoppelt sich der Preis von jeder Art angebotsorientierter Kalkulation und stellt die Meinung des Kunden über alles. Dieser Ansatz wurde bislang insbesondere bei Dienstleistungen, weniger bei Produkten getestet.

Am häufigsten setzen diesen Preis-Ansatz Restaurants ein, die den Kunden bestellen lassen und am Ende bitten, den Preis zu entrichten, den dieser als angemessen empfindet. Mehrere psychologische Effekte setzen dabei ein. Das Gesamtmodell ist kompensatorischer Art. Selbst wenn es bei einigen Konsumenten zu niedrigen Preisen kommt, erhofft man sich aus der Gesamtschau der Kunden eine Kompensation oder sogar einen höheren Gesamtwert als bei einer Bepreisung durch den Anbieter. Zweitens geht man davon aus, dass der Kunde sich sehr intensiv mit der Wertigkeit der erhaltenen Dienstleistung auseinandersetzt, sodass viel zu niedrige Preise eher unwahrscheinlich sind und tendenziell zu hohe Werte realisiert werden. Der Preis drückt hier sofort die Zufriedenheit mit der Leistung aus. Dies trifft nicht auf alle Verbraucher zu, da dieser Ansatz eine große Preistransparenz und ein hohes Preiswissen beim Kunden impliziert, was nicht immer gegeben ist. Gerade beim Restaurantbeispiel kommt es ja noch zu qualitativen Unterschieden beim eingesetzten Material und der Zubereitung. Die Neigung, etwas mehr zu zahlen, steigt mit zunehmender Komplexität der in Anspruch genommenen Leistung. Der Kunde vermag bei einem 5-Gänge-Menü nicht wirklich auszurechnen, was dies wert war. Ambiente, Standort und Ausrichtung des Lokals sind eher maßgeblich für die generelle Einordnung einer Preishöhe, die dann – je nach Gefallen – feinjustiert wird. Da man Dienstleistungen oder Services unmittelbar erlebt, ist es Verbrauchern leichter möglich, das Erlebte zu bewerten.

Dagegen kann es bei einem Produkt eher zu völligen Fehleinschätzungen kommen. Bei Preisbereitschafts- oder auch Preiskenntnisuntersuchungen sind die Standardabweichungen vom Mittelwert – also von der unverbind­lichen Preisempfehlung oder dem üblichen Marktpreis – erstaunlich hoch, was aufzeigt, dass der Preis tendenziell zu niedrig oder zu hoch eingestuft wird. Bei zu niedrig erlebt der Verbraucher dann ggf. ein Schamgefühl, wenn ihm im Nachgang klar wird, wie weit er unter einem normal kalkulierten Preis geblieben ist. Hat er zu viel bezahlt und weicht der Wert zu stark nach oben vom eigentlich zu entrichtenden Preis ab, kann es zu Verwerfungen kommen. Nicht jeder bucht dies unter sportlich ab, sondern ärgert sich über den unverschämten Preis, obgleich er diesen selbst festgelegt hat. Im Lauf der Zeit schleichen sich auch Routinen ein, der Verbraucher verhält sich gemäß der Spieltheorie opportun für seinen Zweck. Dann wählt er für sich einen Preis aus, den man ihm nicht vorwerfen kann, der ihm aber dennoch einen Vorteil bringt.

Auf Apotheken übertragen könnte das Modell in zweifacher Hinsicht spannend sein. In einer ersten Phase einer Dienstleistungshonorierung könnte es als Testballon für eine finale Preissetzung wirken. Dies geht nur, wenn die Dienstleistung in gewisser Weise standardisierbar ist. Denn wenn stark voneinander abweichende Leistungen angeboten werden bzw. die Erfüllung abhängig vom Kunden stark differiert, kann daraus auch keine Erkenntnis für einen später einheitlichen Preis abgeleitet werden. Für Produkte käme insbesondere der Freiwahlbereich infrage, da die Apotheke hier völlig frei in der Preisgestaltung ist und sich darüber hinaus von einem falschen Preisimage abkoppelt. Fügt sich der Apotheker einem Preiswunsch des Kunden bei einem von ihm zu hoch angesetzten Preis, hat er ein schlechtes Gefühl und der Kunde kein besonders gutes. Fragt er den Kunden aber, was dieser zu zahlen bereit ist, werden nur selten unangemessene Vorschläge kommen. Die Apotheke wirkt in jedem Fall modern und innovativ. Der Kunde hat in den wenigsten Fällen ein schlechtes Gefühl, weil er den Preis bestimmen kann. Die Apotheke hat einen Anreiz gesetzt, über Preispolitik nachzudenken. Die abschließende These könnte demnach lauten: Die Apotheke setzt mehr um als mit einem standardisierten Preis – was allerdings noch zu beweisen ist. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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