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Recht
Wem die Stunde schlägt …
Zur Gestaltung der Arbeitszeiten im Arbeitsvertrag
Organisatorische Maßnahmen (z. B. Tragen von Dienstkleidung, Pflege von Arbeitsmitteln), Ort und Zeit der Erbringung der Arbeitsleistung legt grundsätzlich der Arbeitgeber fest (Direktionsrecht). Der Arbeitgeber darf dies nach billigem Ermessen grundsätzlich selbst entscheiden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn nicht (ausdrücklich) etwas anderes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wurde.
Wenn es aber derartige (ausdrückliche) Regelungen nicht gibt, gilt beim Thema Arbeitszeit Folgendes: Der Arbeitgeber kann bei Vertragsbeginn einseitig die wöchentliche Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilen und den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit festlegen. Dies kann er im Arbeitsvertrag regeln, muss es aber nicht. Umschreibt der Arbeitsvertrag das nur rahmenmäßig (z. B.: „Die Wochenarbeitszeit beträgt 40 Stunden und ist an sechs Werktagen abzuleisten.“), besteht später noch ein größerer Spielraum. Dieses Recht steht dem Arbeitgeber auch dann zu, wenn er von seinem Direktionsrecht längere Zeit keinen Gebrauch gemacht hat (BAG, Urteil vom 07.12.2000, Az. 6 AZR 444/99).
Soweit keine Einschränkung besteht, kann der Arbeitgeber also Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen aufgrund seines Weisungsrechts festlegen (§ 106 GewO). Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Beginn eine bestimmte Arbeitszeit vorgesehen, z. B. nur vormittags bis 12.30 Uhr (BAG 17.07.2007, AZR 819/06), wird das Weisungsrecht des Arbeitgebers also insoweit beschränkt. Ist im Arbeitsvertrag ein Vorbehalt vereinbart (z. B.: „Der Arbeitgeber behält sich eine Verteilung der Arbeitszeit vor.“), dann kann der Arbeitgeber wiederum die Zeiten nach billigem Ermessen neu verteilen.
Flexible Arbeitszeiten müssen in den Arbeitsvertrag
Soweit im Arbeitsvertrag der Umfang der Arbeitsleistung festgelegt wurde (z. B. „Die Arbeitszeit beträgt 40 Stunden in der Woche.“), haben beide Parteien die Pflicht, dies einzuhalten. Eine spätere einseitige Reduzierung durch den Arbeitgeber ist dann nicht möglich.
Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit flexibler Arbeitszeiten vorgesehen, sie müssen jedoch vertraglich vereinbart werden. Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem wechselnden Arbeitsanfall zu erbringen (§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz). Dies gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, auf Schwankungen oder Ausfälle von Mitarbeitern besser zu reagieren. Jedoch müssen die Grenzen bei der Gestaltung des Arbeitsvertrags beachtet werden.
Die im Arbeitsvertrag zusätzlich vereinbarte Zeit darf maximal 25 Prozent der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Möglich ist ebenfalls die Vereinbarung einer Reduzierung, wobei eine Differenz von maximal 20 Prozent zulässig ist. Vereinbarungen, die diese Höchstgrenzen übersteigen, sind unwirksam.
Beispiel: Eine wöchentliche Arbeitszeit von 32 Stunden kann bis auf 40 Stunden heraufgesetzt werden (25 Prozent von 32 = 8 Stunden). Eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden kann auf 32 Stunden reduziert werden (20 Prozent von 40 = 8 Stunden). Bei der sogenannten „Arbeit auf Abruf“ müssen die Höchstgrenzen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit beachtet werden.
Wird die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag nicht festgelegt, so gilt seit dem 1. Januar 2019, dass eine Arbeitszeit von 20 Stunden (zuvor 10) vereinbart wurde. Besondere Vorsicht ist daher bei Abrufverträgen mit Minijobbern geboten: Wird hier keine konkrete Arbeitszeit fixiert, hat dies Auswirkungen auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung. Denn selbst wenn nur der Mindestlohn bezahlt wird, liegt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden der Monatsverdienst über 450 Euro, sodass aus dem Minijob ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis wird.
Überstunden nur nach Anweisung
Ein anderer Grund für kurzfristige Überstunden wird in „notfallartigen Sondersituationen“ diskutiert, z. B. in Fällen, in denen die Arbeitszeit des Arbeitnehmers bereits beendet ist (z. B. 18.00 Uhr), aber noch etwas sehr Wichtiges zu erledigen ist, was nur der betreffende Arbeitnehmer erledigen kann und der Apotheke ohne die Erledigung erheblicher Schaden droht. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, dauerhaft mehr Arbeitsstunden abzuleisten, besteht aber nicht. So kann beispielsweise nicht von einer Halbtagskraft verlangt werden, dass sie die Stunden einer anderen Halbtagskraft zukünftig auffängt. Es ist jedoch arbeitsrechtlich möglich, in den Arbeitsvertrag ein Weisungsrecht des Arbeitgebers, Überstunden anweisen zu können, mit aufzunehmen. Eine Formulierung kann wie folgt lauten:
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich – sofern betriebliche Belange dieses erfordern bis zu ... (z. B. 10 Stunden bei einer Vollzeitkraft) Überstunden im Monat zu leisten. X Überstunden (z. B. 4) sind mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung abgegolten. Jede weitere Überstunde im Monat wird mit ... Euro brutto pro Stunde vergütet.
Nach den gesetzlichen Regelungen sind Überstunden grundsätzlich immer voll zu vergüten (§§ 611, 612 BGB), ggf. sogar zzgl. Zulagen. Eine Vereinbarung, nach der z. B. eine Überstundenvergütung pauschal mit dem Gehalt abgegolten wird, ist daher unwirksam. Es gibt aber durchaus arbeitsvertragliche Gestaltungen, um als Arbeitgeber keine Überstundenvergütung leisten zu müssen, z. B. durch Freizeitausgleich. Und es gibt arbeitsvertragliche Gestaltungen, nach denen man als Arbeitgeber nicht jede Überstunde vergüten muss (siehe Beispieltext oben). Hingegen muss sich der Arbeitgeber keine Überstunden vom Arbeitnehmer aufdrängen lassen. Überstunden müssen angeordnet oder zumindest über einen längeren Zeitraum hingenommen werden.
Der Gesetzgeber hat Höchstarbeitszeiten festgelegt. Diese betragen acht Stunden pro Tag bei einer Sechstagewoche und damit pro Woche maximal 48 Stunden. In Ausnahmen darf pro Tag zehn Stunden gearbeitet werden. Es ist dabei einfach wichtig zu wissen, dass das Arbeitszeitgesetz, welches dies regelt, ein „Schutzgesetz“ ist. Es trägt der Tatsache Rechnung, dass es durchaus opportun (und nicht verboten) ist, wenn Arbeitnehmer eigenverantwortlich möglicherweise einmal mehr arbeiten. Die Arbeitnehmer können aber immer auf den Regelungen des Schutzgesetzes bestehen. Wenn ein Arbeitnehmer freiwillig zu viel arbeitet, ist der Arbeitgeber stets an seine arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht zu erinnern.
Versetzungsklausel für flexiblen Einsatz
Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines Weisungsrechtes auch den Ort festlegen, an dem die Arbeit geleistet werden muss. Ist im Arbeitsvertrag ein Ort festgelegt, so kann dies nicht einfach einseitig geändert werden. Beispielsweise kann vereinbart sein, dass der Mitarbeiter in einer bestimmten Apotheke tätig ist oder sich die Arbeit auf mehrere Orte verteilt. Ist im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich ein Arbeitsort genannt, ergibt sich dieser aus der tatsächlichen Arbeit. Aber auch hier gibt es gestalterische Möglichkeiten.
Enthält der Vertrag neben dem Arbeitsort eine Versetzungsklausel, so kann der Arbeitgeber dennoch einen anderen Arbeitsort bestimmen (BAG-Urteil vom 26.09.2012 Az. 10 AZR 414/11; BAG Urteil vom 13.06.2012 Az. 10 296/11). In diesem Fall behält sich der Arbeitgeber vor, dass er dem Arbeitnehmer eine neue Arbeitsstätte zuordnet. Bei der Versetzung ist eine Beeinträchtigung des persönlichen Lebens oder eine höhere Belastung bei der Anfahrt nicht ausreichend, damit der Arbeitnehmer diese ablehnen kann (BAG Urteil vom 28.08.2013, Az. AZR 569/12; BAG Urteil vom 10.07.2013, Az. AZR 915/12).
Ist im Arbeitsvertrag der Ort genau festgelegt, so kann der Arbeitgeber dies nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers ändern. Besteht eine Versetzungsklausel, wonach der Arbeitnehmer entsprechend seiner Leistungen und Fähigkeiten an anderer Stelle beschäftigt werden darf, ist dies erlaubt.
Fazit
Mit dem Arbeitsvertrag werden in der Regel der Ort, die Verteilung der Arbeitsstunden, die Wochenarbeitszeit und mögliche Überstunden festgelegt. In bestimmten Fällen besteht allerdings ein Gestaltungsspielraum für den Arbeitgeber im Arbeitsvertrag. Einen solchen Spielraum gleich zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses festzuschreiben, kann später von Vorteil sein, selbst wenn man nicht vorhat, diesen einseitig einzusetzen. |
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