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EU-Nutzenbewertung: „Gravierender Rückschritt für Deutschland“

Offener Brief von MdB Sylvia Gabelmann an die gesundheitspolitischen Sprecher

bro/eda | Ende Januar gab die EU-Kommission bekannt, dass sie die Zulassungs- und Nutzenbewertung von Arzneimitteln europaweit vereinheitlichen wolle. Das hierzulande geltende Nutzenbewertungssystem könnte somit entfallen. Nun hat sich Sylvia Gabelmann in einem offenen Brief an die gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Die Grünen im Bundestag gewandt. Die Politikerin der „Linken“ ist aktuell die einzige Apothekerin im Parlament.
Foto: Die Linke
Sylvia Gabelmann, Apothekerin und MdB, Die Linke

Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Verfahren nennt sich Health Technology Assessment (HTA) und sieht die engere Zusammenarbeit der Länder bei der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel und Medizinprodukte vor. Einer Mitteilung der Kommission zufolge sollen davon alle Akteure profitieren: Die Patienten würden mehr Transparenz über die eingenommenen Arzneimittel erhalten, die nationalen Zulassungsbehörden und die Gesundheitspolitik würden bessere Daten über die Versorgung erhalten, und die Hersteller müssten sich nicht länger an verschiedene nationale Zulassungsprozeduren halten.

Wie funktioniert das System?

Grundsätzlich sollen alle neuen Arzneimittel und „bestimmte“ neue Medizinprodukte mit dem HTA-Verfahren analysiert werden. Die Länder sollen bei den Nutzenbewertungen künftig ein auf EU-Ebene abgestimmtes Verfahren anwenden, das die Kommission in ihrer Mitteilung zunächst nicht näher beschrieb. Die Zusammenarbeit erstrecke sich über die vier folgenden Gebiete: Gemeinsame klinische Nutzenbewertungen, die gemeinsame wissenschaftliche Konsultation von EU-Behörden (beispielsweise durch Hersteller), gemeinsame Analysen über entstehende, neue Therapiefelder sowie die freiwillige Kooperation in weiteren Gebieten. Organisiert werden soll dies über eine Koordinierungsgruppe mit Sitz bei der EU-Kommission. Der Richtlinienentwurf soll vom EU-Parlament und vom EU-Ministerrat beraten werden. Beschließt das Parlament das Gesetz unverändert, haben die Länder eine gewisse Übergangsphase, um die Regelungen umzusetzen. Denkbar sind laut EU-Kommission etwa drei Jahre.

Reaktionen – wie erwartet?

Der GKV-Spitzenverband läuft Sturm gegen die Pläne aus Brüssel: „Diesen Schritt können wir nicht gutheißen, denn wir befürchten die Absenkung der hohen Standards, die wir in Deutschland für die Bewertung von neuen Medikamenten haben.“ Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen begrüßte hingegen den Vorschlag. Von der Debatte über europäische Standards in der Nutzenbewertung könne Deutschland profitieren, erklärte der Verband. Und auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) zeigte sich erfreut.

Sylvia Gabelmann weist in ihrem offenen Brief auf die Gefahr hin, „dass durch die geplante Vereinheitlichung den unterschiedlichen Ausformungen bei den sozialen Sicherungssystemen der einzelnen Mitgliedstaaten künftig nicht mehr ausreichend Rechnung getragen und das Niveau zum Teil ab­gesenkt wird.“ Nach ihrer Wahrnehmung sei das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) eine Grundlage für gute Versorgungsqualität. Gabelmann vermisst im Kommissionsentwurf „die Anwendung der evidenzbasierten Methodik, die Berücksichtigung des gesamten verfügbaren Wissens und die Transparenz, wie Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit zustande kommen.“ Der Entwurf greife zudem „tief in Regelungen ein, die bislang aus guten Gründen den einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten waren.“ Die Bedingungen für die Arzneimittelversorgung seien hierzulande nach gesundheitspolitischem Verständnis gefällt worden und nicht primär wirtschaftspolitisch.

Gabelmann lädt ihre Kollegen ein, „über Möglichkeiten zu sprechen, [...] wie gemeinsam [...] Erwartungen und Vorstellungen bezüglich der Fortsetzung einer qualitativ guten Arzneimittelbewertung in Deutschland bei der Diskussion um den Richtlinienentwurf der EU-Kommission [eingebracht werden können].“ |

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