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Zyto-Skandal: „Einer steht nicht für alle“
Berufspolitisches Forum beim Norddeutschen Zyto-Workshop (NZW) in Hamburg
Der Anlass für die Ethik-Debatte ist aktuell und medial prominent: Ein Apotheker aus Bottrop soll in großem Umfang fehlerhafte Zytostatika-Zubereitungen hergestellt haben. Der Angeklagte sitzt seit Monaten in Untersuchungshaft, mittlerweile hat das Strafverfahren begonnen.
Der auf Apotheken- und Krankenhausrecht spezialisierte Jurist Dr. Ulrich Grau moderierte die Ethik-Diskussion in Hamburg. Außerdem dabei: Der Medizinethiker Prof. Giovanni Mayo, zwei von Tumorerkrankungen betroffene Patientenvertreterinnen, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP), Klaus Meier, sowie deren Vizepräsident Michael Marxen.
„Bottrop hat zu viel Misstrauen geführt“, sagte eine der beiden Patientenvertreterinnen. Ihr Sohn starb im Alter von 27 Jahren an akuter Leukämie. Jedoch verurteilt sie aufs Strengste die Extrapolation dieses Einzelfalls auf alle Apotheker: „Einer steht nicht für alle.“ „Man darf diesen Einzelfall nicht pauschal verurteilen“, warnte eine weitere Patientenvertreterin, die selbst an Magenkrebs litt. Ihr habe der direkte Kontakt zu ihrer Apotheke geholfen, dadurch wisse sie mittlerweile, was der Apotheker bei der Zytostatika-Herstellung alles leiste.
Mehr Sicherheit durch mehr Kontrollen?
Könnten zusätzliche, unangekündigte Kontrollen die Herstellungssicherheit bei Zytostatika erhöhen? Diese Forderungen werden seitens der Politik und Krankenkassen laut. „Ein Mehr an Verwaltungsarbeit geht nur zulasten der Patienten und der Apotheker“, hielten die Patientenvertreter dagegen.
Professor Giovanni Mayo möchte den Zyto-Prozess anders nutzen. Mayo hat den Lehrstuhl für Medizinethik in Freiburg inne und ist Direktor des Instituts für Ethik und Medizin. Er beschreibt den resultierenden politischen Aktionismus als „wenig reflektiert“ und „oberflächlich argumentiert“. Mayo bezweifelt ebenfalls den Mehrwert zusätzlicher Kontrollen. „Der Beruf des Apothekers ist sehr wichtig. Der Patient ist im Medizinsystem verloren: Aus dem stationären Bereich wird er rauskatapultiert, im ambulanten findet er keinen Ansprechpartner“, sagt der Medizinethiker.
„Der Beratungsansatz und die kaufmännische Tätigkeit schließen sich nicht aus, im Gegenteil. Der Apotheker ist einerseits Kaufmann, aber andererseits einem besonderen Gemeinwohl verpflichtet“, meint auch der Jurist Dr. Ulrich Grau.
Michael Marxen, stellvertretender Präsident des Verbands Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA) und der Deutschen Gesellschaft für onkologische Pharmazie (DGOP), sieht sich und die meisten seiner Berufskollegen in diesem Selbstverständnis agieren. Doch er gibt zu Bedenken: „Es gibt keine mächtigere Lobby als die der Krankenkassen, die per se als Gutmenschen dargestellt wird, die unsere Sozialversicherungsgelder verwalten, während die Leistungserbringer stets die Bösen sind.“
Marxen wies auf den Bottroper Zyto-Skandal hin: „Eine Lobby, die selbst Bottrop noch als positives Argument für Ausschreibungen instrumentalisiert, kann nicht behaupten, Patienteninteressen zu vertreten.“
Wirtschaftlichkeit über Patientensicherheit?
Schließlich sprachen die Diskutanten auch über den Schiedsstellenspruch zur Hilfstaxe. Klaus Meier, Präsident der DGOP, sieht den Schiedsstellenspruch mit Blick auf den Beschluss des Bundestages, die exklusiven Zyto-Verträge abzuschaffen, kritisch: „Wenn der Gesetzgeber sich entschlossen hat, die ortsnahe Versorgung mit beratenden Apothekern umzusetzen, dann kann ein externes Gremium, was eine Schiedsstelle letztendlich ist, dies nicht einfach konterkarrieren.“
Der Rechtswissenschaftler Grau findet die Patientenrechte bei Rabattverträgen nicht ausreichend berücksichtigt und sieht hier nach wie vor einen unrechtmäßigen Eingriff der Krankenkassen in das Patientenwahlrecht.
Mayo bringt eine weitere Gefahr ins Spiel: Wie die Politik derzeit versuche an den Apothekern zu sparen, nehme sie eine weitere Ausdünnung der Apothekenlandschaft leichtfertig in Kauf. „Das ist kurzsichtig“, sagt der Ethiker. Es mache den Berufsstand – der im zweiten Jahr in Folge als offizieller Mangelberuf anerkannt wurde – noch unattraktiver. Die Konsequenz sei, dass die Versorgungsqualität für die Patienten reduziert werde. Die Rechtslage sehe das derzeit leider anders: Sie fragt weder nach Patientenwahlrecht noch nach Arzneimitteltherapiesicherheit bei Rabattverträgen. |
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