Arzneimittel und Therapie

Viele neue Arzneistoffe und doch kein Zusatznutzen?

Antiepileptika mit innovativen Angriffspunkten gesucht

Nachdem in den letzten 20 Jahren mehr als ein Dutzend neue Antiepileptika entwickelt wurden, ging ein australisches Forscherteam der Frage nach, ob von den neuen Therapien mehr Patienten profitieren. Das Ergebnis der Studie ist ernüchternd.

Die Epilepsie zählt zu den häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen. Geschätzt sind rund 68 Millionen Menschen weltweit davon betroffen. Zur Behandlung werden in erster Linie antiepileptische Arzneistoffe verwendet, die die Krampfneigung vermindern. Der zugrunde liegende neuropathologische Prozess – also die eigentliche Ursache – wird aber nicht beeinflusst. Daher benötigen Epileptiker in der Regel eine lebenslange Therapie. Im Jahr 2000 konnte ein australisches Forscherteam bereits zeigen, dass bei rund einem Drittel der Epileptiker trotz Therapie die Krampfanfälle nicht kontrolliert werden konnten. In der Zwischenzeit hat sich viel getan, eine Reihe neuer Antiepileptika ist auf den Markt gekommen, sodass ein breites Therapieangebot zur Verfügung steht. Nun wollte das Forscherteam wissen, ob sich durch die neuen Therapien die allgemeine Prognose für Epileptiker verbessert hat und ob Krampfanfälle besser kontrolliert werden können.

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Ein Drittel der Epileptiker ist nicht anfallsfrei, obwohl es in Deutschland mehr als 20 antikonvulsive Arzneistoffe gibt, die auf verschiedene Weise die neuronale Erregbarkeit beeinflussen.

In einer longitudinalen Kohorten-Beobachtungsstudie an einer Glasgower Klinik wurden insgesamt 1795 Personen gescreent, die zwischen 1982 und 2012 erstmalig wegen Epilepsie behandelt wurden. Sie wurden jeweils für mindestens zwei Jahre beobachtet. Am Ende des Beobachtungszeitraums wurde die Kontrolle der Krampfanfälle ermittelt. Eine Therapie galt dabei als erfolgreich, wenn ein Jahr lang keine Krämpfe auftraten. Von den 1795 Patienten waren am Ende der Studie 64% mindestens ein Jahr anfallsfrei. 87% der Patienten, die über ein Jahr beschwerdefrei waren, erhielten eine Monotherapie. Bei 50% der Patienten konnte bereits mit dem ersten ausgewählten Antiepileptikum eine Beschwerdefreiheit erzielt werden. War jedoch das erste Antiepileptikum nicht wirksam, so führten das zweite oder dritte ausprobierte Antiepileptikum nur mehr bei 12% bzw. 4% der Patienten zum Therapieerfolg.

Keine Verbesserung der Therapie

Im Vergleich zur früheren Studie vor 16 Jahren konnte trotz der Fortschritte in der Arzneistoffentwicklung eine Verbesserung der Therapie beobachtet werden. 2000 waren 64% beschwerdefrei, in der aktuellen Studie 63,7%. Bedenklich ist, dass ein Therapieversagen beim ersten Antiepileptikum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass auch mit einem zweiten oder dritten Arzneimittel keine adäquate Wirkung erzielt wird. Daher empfehlen die Autoren die Einführung der Definition der „Arzneistoff-resistenten Epilepsie” (Nicht-Ansprechen auf zwei Antiepileptika). Den Autoren zufolge müsse es einen Paradigmenwechsel geben, um die Langzeitprognose von Epileptikern zu verbessern: Für Patienten mit Arzneistoff-resistenter Epilepsie solle frühzeitig eine nicht-pharmakologische Therapie erwogen werden, wie chirurgische Maßnahmen oder Gehirnstimulationstechniken.

Auch hinsichtlich der Arzneistoffentwicklung vertreten die Autoren einen interessanten Standpunkt: Neue Antiepileptika sollen die Entwicklung und das Fortschreiten der Epilepsie be­einflussen können. Das Motto müsse lauten: „disease modifying” statt „seizure suppressing”. |

Quelle

Chen Z et al. Treatment Outcomes in Patients with Newly Diagnosed Epilepsy Treated With Established and New Antiepileptic Drugs. JAMA Neurol 2017; doi: 10.1001/jamaneurol.2017.3949

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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