Arzneimittel und Therapie

Getaktete Krämpfe

Epileptische Anfälle folgen individuellen Zyklen

Epileptische Anfälle treten nicht rein zufällig auf, bei etlichen Patienten folgen sie ganz bestimmten Mustern. Aus diesen Erkenntnissen könnten sich therapeutische Implikationen ergeben.
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Der menschliche Organismus wird von einer Vielzahl „innerer Uhren“ gesteuert, die die verschiedensten physiologischen Prozesse zeitlich regeln. Einige Vorgänge unterliegen einer circadianen Rhythmik, z. B. der Schlaf-Wach-Rhythmus, die Körpertemperatur oder die Ausschüttung von Cortisol. Es sind jedoch auch längere Zyklen bekannt, etwa der weibliche Menstruationszyklus oder – bei Tieren – der Winterschlaf.

Wissenschaftler der Universität Melbourne gingen in einer retrospektiven Kohortenstudie der Frage nach, inwiefern auch das Auftreten epileptischer Anfälle, die bekanntermaßen von einer Vielzahl äußerer und innerer Faktoren beeinflusst werden, zyklischen Schwankungen unterliegt.

Für die Studie wurden die Daten zweier voneinander unabhängiger Patientenkollektive genutzt: Die erste Gruppe bestand aus zwölf Patienten, denen ein Gerät zur kontinuierlichen Aufzeichnung der Hirnströme implantiert worden war. Die zweite Gruppe umfasste 1118 Patienten, die ihre Anfallsereignisse mit einem webbasierten Dokumentationssystem über einen Zeitraum von bis zu acht Jahren selbst dokumentierten.

Bei der Auswertung der Daten zeigte sich bei mehr als 80% der Probanden eine zirkadiane Rhythmik; dieses Phänomen war jedoch bereits vor dieser Studie vermutet worden.

Überraschender war die Erkenntnis, dass bei bis zu 21% der Teilnehmer ein sogenannter circaseptaner Rhythmus auftrat, also ein stabiler Zyklus von etwa sieben Tagen. 14 bis 22% der Patienten – sowohl Männer als auch Frauen – wiesen außerdem Zyklen mit mehr als drei Wochen Länge auf.

Therapie an Zyklen ausrichten

Die Autoren sehen mehrere mögliche klinische Konsequenzen ihrer Ergebnisse. Beispielsweise könne bei Kenntnis der patientenindividuellen Zyklen die Medikamentengabe so erfolgen, dass zum Zeitpunkt eines wahrscheinlichen Anfallsereignisses maximale Wirkstoffkonzentrationen vorlägen. Bei der Planung klinischer Studien könnten neben den bekannten Parametern, nach denen die Probanden in die verschiedenen Studienarme ein­geteilt werden, auch die jeweiligen Rhythmen der Anfallsereignisse berücksichtigt werden, um die Effekti­vität einer Behandlungsmethode zu bewerten. Idealerweise könnte die Kenntnis des individuellen Zyklus in der Zukunft zur Vorhersage von Krampfereignissen genutzt werden, da die Ungewissheit über den Zeitpunkt des nächsten Anfalls für die Betroffenen extrem belastend ist. |

Quelle

Karoly JP et al. Circadian and Circaseptan Rhythms in Human Epilepsy: A Retrospective Cohort Study. Lancet Neurol 2018;17(11):977-985

Apothekerin Dr. Julia Podlogar

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