Arzneimittel und Therapie

Die Wende im Fall Duogynon?

Neue Datenauswertung sorgt für Diskussionen

du | Der Fall Duogynon® ist noch lange nicht abgeschlossen. Nach wie vor scheint der Verdacht nicht ausgeräumt zu sein, dass die Anwendung des oralen hormonellen Schwangerschaftstests bestehend aus Ethinylestradiol 0,02 mg, ­Norethisteronacetat 10 mg zu Fehlbildungen geführt hat. Eine neue Publikation lässt die Diskussion wieder aufleben.

Es handelt sich dabei um den ersten systematischen Review und eine Metaanalyse, durchgeführt unter Federführung von Carl Heneghan, vom Zentrum für Evidenz-basierte Medizin der britischen Universität Oxford. Geklärt werden sollte, ob ein Zusammenhang zwischen dem in England unter dem Handelsnahmen Primodos® vertriebenen oralen hormonalen Schwangerschaftstest und angeborenen Fehlbildungen besteht. Primodos® wurde in Großbritannien von 1958 bis 1978 vertrieben und enthielt die gleiche Estrogen/Gestagen-Kombination wie Duogynon®. Der Review wurde auf F1000 (Faculty 1000) veröffentlicht, einer Open-Access-Plattform zur kollaborativen Bewertung von Forschungsergebnissen. Die Publikation liegt noch in Version 1 vor, d. h. Kommentare wurden noch nicht berücksichtigt.

Foto: MUVS – Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, Wien

Ausgewertet wurden 16 Fall-Kontroll-Studien und zehn prospektive Kohortenstudien mit insgesamt 71.330 Frauen, von denen 4209 Frauen mit der Hormon-Kombination behandelt worden waren. Diese Frauen hatten ein um 40% erhöhtes Risiko für kongenitale Fehlbildungen. Die gepoolte Odds-Ratio wird mit 1,40 (95% CI, 1,18 bis 1,16; p = 0,0001, I2 = 0%) angegeben. Aufgeschlüsselt nach unterschiedlichen Fehlbildungen fällt das Ergebnis wie folgt aus:

  • angeborene Fehlbildungen des Herzens: OR = 1,89 (95% CI 1,32 bis 2,72; p = 0,0006; I2=0%);
  • Fehlbildungen des Nervensystems: OR = 2,98 (95% CI 1,32 bis 6,76; p = 0,0109 I2 = 78%);
  • muskuloskelettale Fehlbildungen: OR = 2,24 (95% CI 1,23 bis 4,08; p = 0,009; I2 = 0%);
  • VACTERL-Syndrom (mindestens drei der folgenden Fehlbildungen: vertebrale Anomalien, anale und aurikuläre Anomalien, kardiale Anomalien, tracheo-ösophageale Fistel, Ösophagusverschluss, renale Fehlbildungen, Fehlbildungen der Gliedmaßen), OR = 7,47 (95% CI 2,92 bis 19,07; p < 0,0001; I2 = 0%).

Die Ergebnisse basieren auf Beobachtungsstudien, in denen Frauen berücksichtigt wurden, die entweder schon schwanger waren oder während der Studie schwanger wurden und die in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft einen hormonellen Schwangerschaftstest durchgeführt hatten. Weiteres Einschlusskriterium für diese Studien war das Vorhandensein einer entsprechenden Kontrollgruppe. Stu­dien, in denen nicht auszuschließen war, dass eine Hormonbehandlung aus anderen Gründen durchgeführt wurde (z. B. zur hormonellen Kontrazeption), sind nicht in die Auswertung eingeflossen, wenn keine eindeutigen Daten zum Einsatz eines hormonellen Schwangerschaftstests zu ­ermitteln waren. Darüber hinaus ­wurden Subgruppenanalysen durchgeführt, in denen der Zeitpunkt der Durchführung des hormonellen Schwangerschaftstest in Beziehung gesetzt wurde zur Schwangerschaft und dem Stadium der Organogenese.

Was sagt die ­Bundesregierung?

Der Fall Duogynon beschäftigt inzwischen wieder die Politik. Zunächst hatten die Grünen eine Kleine Anfrage gestartet, dann haben sie in einer aktuellen Fragestunde im Bundestag nachgehakt, ob die Bundesregierung aufgrund der neuen Daten weiterhin einen Zusammenhang zwischen der Anwendung des hormonellen Schwangerschaftstests und unerwünschten Effekten wie Fehlgeburt, Totgeburt oder angeborene Missbildungen für unwahrscheinlich hält oder ob sie ihre Position ändert. Beantwortet wurde die Frage mit dem Verweis darauf, dass die Daten von Heneghan noch einer vertieften Analyse durch das BfArM bedürfen.

Dr. Wolfgang Paulus, Leiter der Beratungsstelle Reproduktionstoxikologie an der Universitäts-Frauenklinik Ulm hat für die DAZ eine erste Einordnung vorgenommen s. S. 39.

Trotz aller Limitationen, wie die Verwendung nicht adjustierter Rohdaten, sind die Autoren überzeugt, dass die hormonale Schwangerschaftstestung mit der in Primodos® enthaltenen Estrogen/Gestagen-Kombination eindeutig mit Fehlbildungen assoziiert sei. Zwar sei in der Vergangenheit immer wieder der Fokus darauf gelegt worden, dass Ergebnisse der einzelnen Studien oft nicht signifikant waren. Doch angesichts der Zahl der Betroffenen könne die Hypothese eines direkten Zusammenhangs zwischen der Anwendung des hormonalen Schwangerschaftstests und der Entstehung von Fehlbildungen auch nicht als widerlegt gelten. |

Quelle

Heneghan C et al. Oral hormone pregnancy tests and the risks of congenital malformations: a systematic review and meta-analysis [version 1; referees: 2 approved] F 1000Research: 31 Oct 2018;7:1725 (https://doi.org/10.12688/f1000research.16758.1)

Das könnte Sie auch interessieren

Eine kritische Wertung der Datenlage vor dem Hintergrund der Heneghan-Studie

„Nicht zum Kausalitätsnachweis geeignet“

Eine kritische Betrachtung der ­epidemiologischen Studien

Teratogene Sexual­hormone?

Ein zweiter Contergan-Skandal?

Der Fall Duogynon

Vorsicht vor allem zu Beginn der Anwendung

Erhöhtes Suizidrisiko unter der Pille?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.