Aus den Ländern

AMTS und Zusammenarbeit im Fokus

25. Jahrestagung der GAA im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Vielfältige Strategien zur Reduktion von Medikationsfehlern und zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) wurden auf der 25. Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneimittelmittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie (GAA) am 22. und 23. November im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn thematisiert. Weitere Themen waren die stärkere interprofessionelle Zusammenarbeit im gesundheitlichen Netzwerk und die Arbeit mit Sekundärdaten.

Dr. Matthias Litwa, Referent des wissenschaftlichen Sekretariats Aktionsplan AMTS bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), stellte die bundespolitischen Bemühungen vor, die zur Realisierung von AMTS veranlasst wurden. Sie finden sich aktuell im „4. Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit für Deutschland 2016 – 2019“ und umfassen 42 Maßnahmen, deren inhaltliche Schwerpunkte u. a. in der Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit und der Sensibilisierung für vermeidbare Risiken liegen.

„Jeder Fehler zählt“

Dr. med. Ursula Köberle, AkdÄ, betonte in ihrem Vortrag die Relevanz der Fehlermeldung bei Medikationsprozessen für die AMTS. Neben der systematischen Analyse sei die individuelle Fallauswertung wichtig. Sie plädierte für den „Aufbau einer konstruktiven Fehlerkultur – weg von personenbezogenen Schuldzuweisungen“. „Über Medikationsfehler muss gesprochen werden, sonst kann man sie nicht beheben“, so Köberle.

Gisbert W. Selke, Wissenschaftliches Institut der AOK, WIdO Berlin, zog Verschreibungsdaten heran, um das Maß der Exposition betroffener Patientengruppen mit der Valsartan-Kontamination mit N-Dimethylnitrosamin zu erfassen. Die Analyse zeigte eine deutliche regionale und kassenspezifische Betroffenheit. Je nach Rabattvertragslage waren bestimmte Bundesländer und Krankenkassen stärker von der Kontamination betroffen.

Multimedikation – wie viele ­Ärzte und Apotheker sind dabei?

Dr. Veronika Lappe, PMV Forschungsgruppe Köln, untersuchte die Anzahl beteiligter Ärzte und Apotheker am Medikationsprozess von Patienten mit Multimedikation. Die Analyse von Rezeptdaten zeigte, dass die Mehrheit der Patienten ihre Rezepte von mehr als einem Arzt verschrieben bekommt und diese in mehr als einer Apotheke einlöst. Im Schnitt waren an der Ausstellung von Rezepten bis zu vier Ärzte beteiligt; bei 40% der Patienten fand sich ein Hauptverordner, der mindestens 75% der Rezepte ausstellte.

Diese Diversität war bei den Apotheken geringer. Zwar löste die Mehrheit der Patienten ihre Rezepte in bis zu drei Apotheken ein, jedoch präferierten 70% eine Stammapotheke, in der sie mehr als 75% der Rezepte einlösten. Mit dem Alter der Patienten stieg die Apothekentreue.

Apotheker in klinischen Einrichtungen

Nora Kessemeier, Gesundheit Nordhessen Klinikum Kassel, untersuchte im Rahmen einer kontrollierten Interven­tionsstudie die Auswirkungen eines klinischen Pharmazeuten auf das Auftreten von Medikationsfehlern auf einer Intensivstation. Die Studie zeigte, dass klinische Pharmazeuten zu einer signifikanten Reduktion von Medikationsfehlern beitragen. Dabei redu­zierte die Stationsbegehung durch den Apotheker die Fehlerrate zusätzlich.

Brigitte Kastner, Zentralapotheke Klinikum Weiden, stellte die Methode eines effektiven Medikationsmonitorings vor, um dem erhöhten Risiko für Medikationsfehler bei Patienten mit Niereninsuffizienz und Polymedikation zu begegnen. Auf der Grundlage täglicher GFR-Messungen nach der CKD-EPI-Formel wurde das Patientenkollektiv fokussiert, das eine GFR von weniger als 40 ml/min aufwies. Die Medikation wurde daraufhin hinsichtlich Dosierung der Wirkstoffe und Kontraindikationen kontrolliert. Eine erhöhte Patientensicherheit konnte in 114 von 154 Fällen ermöglicht werden; daher wurde diese Klinikleistung trotz begrenzter personeller Ressourcen beibehalten.

Die Ausrichtung der medizinischen Versorgung erfolgt laut Prof. Dr. med. Ulrich Fölsch zunehmend ökonomisch orientiert und häufig nicht mehr bedarfsgerecht. In Anlehnung an die amerikanischen Deprescribing-Leitlinien konzipierte die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) „Klug Entscheiden“-Empfehlungen, um Über- und Unterversorgung zu reduzieren. Erfolgversprechend sei die Initia­tive in Zukunft allerdings nur, wenn neben den Ärzten auch die Apotheker, die Krankenhausdirektoren und die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie die pharmazeutischen Unternehmen einbezogen werden.

Einer interessanten Fragestellung ging Dr. Tatjana Huebner vom BfArM nach. Sie untersuchte im Rahmen des EMPAR-Projektes den Einfluss von pharmakogenetischen Profilen auf den Gebrauch von Versorgungsleistungen, wie z. B. Krankenhauseinweisungen, Eintritt einer Pflegestufe oder Medikamentenverschreibungen und -wechsel. Die Ergebnisse lassen schlussfolgern, dass eine pharmakogenetisch angepasste Dosierung weniger unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach sich zieht und zu einer verbesserten Patientensicherheit beitragen kann.

Zu den Abstracts der Jahrestagung gelangen Sie, wenn Sie auf DAZ.online den Webcode P3VM9 ins Suchfeld eingeben.

Vor dem Hintergrund der enorm gestiegenen Verbrauchszahlen an Metamizol untersuchte Kathrin Jobski, Universität Oldenburg, das Agranulozytose-Risiko auf der Basis von Spontanberichterstattungen der EudraVigilance-Datenbank zwischen 1985 und 2017. Die Ergebnisse zeigen, dass die mit Metamizol assoziierte Agranulozytose immer noch ein wichtiges Thema ist und eine lebensbedrohliche Komplikation darstellen kann.

Ingrid Schubert, Leiterin der PMV-Forschungsgruppe Köln und langjähriges Vorstandsmitglied der GAA, gab eine Übersicht über die Entwicklungslinien zur Arzneimittelanwendungsforschung mit Sekundärdaten. Nach einem historischen Rückblick fokussierte Schubert auf die besonderen Herausforderungen, signifikante Ergebnisse aus den Abrechnungsdaten abzuleiten. Um mittels Datensätzen Krankheitsverläufe besser verstehen zu könnten, müssten künftig sektorenübergreifende Daten zur Verfügung stehen sowie ein Versichertenbezug und längere Beobachtungszeiten realisiert werden. Schubert rechnet mit einer weiteren Zunahme der Komplexität und Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen. Dadurch würden die Anforderungen an die Versorgungsforschung mittels Routinedaten größer. Aber es ergäben sich auch Chancen: Auf zahlreichen Anwendungsfeldern, wie Pharmakovigilanz, Politikfolgenforschung und Pharmakoökonomie, Qualitätsforschung und Behandlungsfolgenforschung, werde Versorgungsforschung einen wichtigen Beitrag leisten können, so Schubert. |

Armina Khalaf, Münster

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