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- DAZ 47/2018
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Arzneimittel und Therapie
Phyto statt Antibiotikum
Canephron® erweist sich bei akuten unkomplizierten Harnwegsinfekten als (nahezu) ebenbürtig
Canephron® N ist ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das laut Beipackzettel „zur unterstützenden Behandlung und zur Ergänzung spezifischer Maßnahmen bei leichten Beschwerden im Rahmen von entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege“ eingesetzt wird. Die Dragees enthalten jeweils 18 mg Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea, Gentianaceae), Rosmarinblätter (Rosmarinus officinalis, Lamiaceae) und Liebstöckelwurzel (Levisticum officinale, Apiaceae). In einer aktuellen klinischen Studie wurde nun die Wirksamkeit von Canephron® Dragees bei akuten unkomplizierten Harnwegsinfektionen im Vergleich zur Gabe eines Antibiotikums (Fosfomycin-Trometamol) untersucht.
Zusätzlicher Antibiotika-Bedarf ähnlich gering
Im Rahmen einer doppelblinden, randomisierten Nichtunterlegenheits-Studie der Phase III wurden insgesamt 659 Patientinnen rekrutiert [1]. Die Studie wurde an verschiedenen Zentren in Deutschland, Polen und der Ukraine durchgeführt, wobei die meisten Teilnehmerinnen in der Ukraine behandelt wurden. Eingeschlossen wurden Frauen, die einen Gesamtscore ≥ 6 bezüglich der drei Kardinalsymptome der akuten unkomplizierten Zystitis (Brennen beim Wasserlassen, häufiges Wasserlassen, verstärkter Harndrang) auf der ACSS (Acute Cystitis Symptom Score)-Skala aufwiesen und bei denen Leukozyten im Urin nachweisbar waren. Die Patientinnen erhielten entweder 3 g Fosfomycin als Einzelgabe oder für sieben Tage dreimal täglich zwei Dragees Canephron®. In jeder Gruppe wurde die jeweils andere Medikation in Form eines Placebos gegeben, um die Verblindung zu gewährleisten. Der gesamte Beobachtungszeitraum betrug 38 Tage. Als primärer Zielparameter wurde der Bedarf einer zusätzlichen Antibiotika-Therapie während des Beobachtungszeitraums definiert. Als sekundäre Endpunkte wurden die ACSS-Scores an den Tagen 4, 8 und 38 ermittelt. Die Auswertung der Studie ergab einen geringen zusätzlichen Antibiotika-Bedarf in beiden Gruppen. In der Fosfomycin-Gruppe benötigten 10,2% der Frauen ein weiteres Antibiotikum bis Tag 38, in der Canephron®-Gruppe waren es 16,5%. Diese Differenz von 6,3% bei einer unteren Grenze des Konfidenzintervalls von -11,99% werten die Autoren als Beleg für die Nichtunterlegenheit der Behandlung mit Canephron® im Vergleich zur Gabe von Fosfomycin.
Fosfomycin wirkt schneller
Bezüglich der Abnahme des ACSS-Scores ergab sich ein etwas schnellerer Rückgang der Symptomatik in der Fosfomycin-Gruppe. An Tag 4 war der Score bei den Patientinnen, die Fosfomycin erhalten hatten, von 10,1 auf 4,5 gesunken, während in der Canephron®-Gruppe ein Rückgang von 10,2 auf 5,1 beobachtet wurde. Bei den späteren Erhebungen an den Tagen 8 und 38 war kein Unterschied hinsichtlich der Symptomatik mehr feststellbar. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten in beiden Gruppen etwa gleich häufig auf, allerdings war der Anteil an Patientinnen, die eine Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) entwickelten, in der Canephron®-Gruppe leicht erhöht (1,5% versus 0,3%).
Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie [2] stellt eine unkomplizierte Harnwegsinfektion eine Indikation für eine Antibiotika-Therapie dar. Zwar wird das Risiko für Komplikationen als gering angesehen und eine Spontanheilungsrate von 30 bis 50% erwartet, dennoch belegen verschiedene Studien ein signifikant schnelleres Abklingen der Symptomatik unter Antibiotika verglichen mit Placebo. Bei Patientinnen mit leichten bis mittelgradigen Beschwerden kann laut Leitlinie in Absprache mit der Patientin auch eine symptomatische Therapie mit einem nichtsteroidalen Antirheumatikum (NSAR) wie Ibuprofen erwogen werden. Aktuelle Studien zeigen allerdings, dass die Symptomatik unter einer Antibiotika-Therapie schneller und stärker zurückgeht als bei Verwendung eines NSAR. Eine Nichtunterlegenheit konnte für diese Therapiemöglichkeit bisher nicht belegt werden [3, 4]. Trotzdem bleibt die symptomatische Therapie eine interessante Option, wenn es gelingt, auf diese Weise unnötige Antibiotika-Gaben zu vermeiden. So konnten Gágyor und Mitarbeiter in einer Studie zeigen, dass 67% der mit Ibuprofen behandelten Patientinnen kein zusätzliches Antibiotikum benötigten [3].
Interessante Alternative
In diesem Zusammenhang sind auch die Ergebnisse der aktuellen Canephron®-Studie interessant, zeigt sie doch erstmalig einen derart geringen zusätzlichen Antibiotika-Bedarf für eine nichtantibiotische Intervention. Zwar weist die Studie auch gewisse, von den Autoren selbst diskutierte Schwachstellen auf, z. B. einen hohen Anteil an Urinkulturen ohne bakteriologischen Befund und die Tatsache, dass die Angaben zur zusätzlichen Antibiotika-Einnahme lediglich auf der Selbstauskunft der Teilnehmerinnen beruhen. Außerdem würde man sich detaillierte Aussagen zum Abklingen der Symptome in den beiden Gruppen wünschen. Dennoch ergibt sich aus den vorliegenden Daten ein interessanter Hinweis auf eine weitere Therapieoption für Patientinnen mit geringen oder mittelgradigen Beschwerden. Im Auge zu behalten ist jedoch das geringfügig erhöhte Risiko der Teilnehmerinnen für eine Pyelonephritis. Unter Canephron® war dieses Risiko allerdings niedriger als in den NSAR-Studien (Canephron® 1,5%, Ibuprofen/Diclofenac-Studien 2,1 bis 5% der Patientinnen) – auch wenn man die Ergebnisse aus den verschiedenen Studien nicht direkt vergleichen kann. Schließlich bleibt abzuwarten, ob sich die überwiegend in der Ukraine ermittelten Daten tatsächlich 1 : 1 auf die hiesige Behandlungsrealität übertragen lassen. |
Quelle
[1] Wagenlehner FM et al. Non-Antibiotic Herbal Therapy (BNO 1045) versus Antibiotic Therapy (Fosfomycin Trometamol) for the Treatment of Acute Lower Uncomplicated Urinary Tract Infections in Women: A Double-Blind, Parallel-Group, Randomized, Multicentre, Non-Inferiority Phase III Trial. Urol Int 2018;101(3):327-33
[2] S3-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. Langversion 1.1 – 2, 2017. AWMF Registernummer: 043/044
[3] Gágyor I et al. Ibuprofen versus fosfomycin for uncomplicated urinary tract infection in women: randomised controlled trial. BMJ 2015;351:h6544
[4] Kronenberg A et al. Symptomatic treatment of uncomplicated lower urinary tract infections in the ambulatory setting: randomised, double blind trial. BMJ 2017;359:j4784
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