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Aus den Ländern
Schmidt: „Wir sind der Versuchung erlegen“
Aus der 61. Kammerversammlung der Sächsischen LAK
„Als der damalige Bundesgesundheitsminister Gröhe nach dem EuGH-Urteil Ende 2016 mit einem Gesetzentwurf für ein Rx-Versandverbot reagierte, sah man darin einen maximalen Vertrauensbeweis in unsere Argumentation“ erklärte Schmidt. Er bezeichnete dies als Höhepunkt der guten Zusammenarbeit von Apothekern, von ABDA und Politik. Von da an sei die Versuchung groß gewesen, dass sich die ABDA-Politik auf ein Versandverbot konzentrierte. „Und dieser Versuchung sind wir erlegen“, räumte Schmidt ein. Man habe sich vollkommen auf das Rx-Versandverbot fokussiert, man habe dieses Vorgehen für sicher gehalten, das sei unvermeidlich gewesen. Aber durch diese einseitige Ausrichtung seien die Apotheker, sei die ABDA in politischen Diskussionen auf eine konservative Position reduziert worden. „Die Politik unterstellte den Apothekern Besitzstandswahrung, man sprach von einer Verweigerung, sich an die Digitalisierung anzupassen. Dadurch hat auch unser Bild in der Öffentlichkeit Schaden genommen“, stellte Schmidt kritisch fest.
Außerdem habe die Argumentation mit Ängsten gerade die Angst bei vielen Kolleginnen und Kollegen verstärkt. Schmidt analysierte: „Hinzu kam, dass die enge Fokussierung auf das Rx-Versandverbot unsere Arbeit blockierte, uns auf andere Themen zu konzentrieren – die anderen Probleme sind dabei weggerutscht“. Der Kammerpräsident machte deutlich, welche Probleme er hier vor allem sieht: Die wirtschaftlichen Perspektiven, insbesondere für kleine Apotheken seien in den letzten Jahren schwieriger geworden, vor allem ganz kleine Apotheken leiden massiv unter Kosten- und Zinssteigerungen. Hinzu komme die Überbürokratisierung und der Nachwuchsmangel – all diese Probleme seien evident, selbst wenn ein Rx-Versandverbot käme.
Hinzu komme, dass selbst die Ärzte das Modell einer flächendeckenden Versorgung nicht mehr mit vollem Ernst vertreten. Ärzte könnten sich vorstellen, Lücken in der flächendeckenden Versorgung durch Fernbehandlung, durch Telemedizin zu füllen: „Der Glaube, dass es in jedem Dorf einen Hausarzt geben sollte, ist verloren“, folgerte Schmidt.
Löst Rx-Versandverbot die Probleme?
Weitere Probleme sieht Schmidt in einer Ausdünnung der gesellschaftspolitischen Mitte, in der die Apothekerinnen und Apotheker angesiedelt seien, einer Mitte „mit sozialem Gewissen und fortschrittsskeptischem Konservatismus“, wobei dies nicht bedeute, dass man dem Fortschritt feindlich gegenüberstehe.
Hinzu komme die politische Situation, die von Personaldiskussionen beherrscht werde. Die Frage sei, ob es nach den Neubesetzungen besser werde. Zudem habe man schon viele Unterstützer der Apothekerschaft verloren, Schmidt nannte hier die CDU-Politiker Michalk, Kauder und Gröhe.
Vor dem Hintergrund dieses Szenarios müsse man sich fragen, ob das alte Motto „Es soll alles so bleiben, nur besser“ nicht Wunschdenken sei. Und weiter: „Löst ein Beharren auf dem Rx-Versandverbot unsere Probleme? Oder werden Kettenreaktionen in unerwünschte Richtungen provoziert, wenn wir das Rx-Versandverbot aufgeben?“
Schmidt ist allerdings überzeugt: „Die Gleichpreisigkeit (für verschreibungspflichtige Arzneimittel) unterscheidet die Apotheke vom übrigen Handel, wir wollen sie erhalten, wir richten alles an der Gleichpreisigkeit aus. Für die EU ist die Gleichpreisigkeit dagegen nicht schützenswert – man muss daher darüber nachdenken“, so Schmidt, „was an die Stelle der Gleichpreisigkeit tritt, wenn die EU sie angreift.“ Für Schmidt sind somit auch andere Richtungen denkbar: „Vielleicht sollten wir neue Instrumente entwickeln, um unabhängiger vom Arzneimittelpreis zu werden“, überlegte der Kammerpräsident. Man könne auch mehr auf pharmazeutische Dienstleistungen setzen, da gleiche Preise hier einfacher zu erhalten seien.
„Wenn man sich allein auf das Rx-Versandverbot fokussiere, werde man keine wirtschaftlichen Verbesserungen erreichen“, ergänzte Schmidt.
Aufbruch zu neuen Ufern
Letztlich zeigte sich Schmidt zuversichtlich, er sehe, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen größtes Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten haben und selbstbewusster auftreten, sie haben keine Angst vor Veränderungen, vor Digitalisierung, Automatisierung und Deregulierung. Die Apothekerinnen und Apotheker sollten sich überlegen, wie sie den derzeitigen Prozess des Wandels aufnehmen und überstehen wollen. Schmidt erklärte es anhand eines Bootes, das gerade vom Steg ablegt: „Stehen wir am Ufer und winken oder sitzen wir im Boot und fahren zu neuen Ufern? Was gar nicht gehe: Mit einem Bein am Ufer und mit dem anderen Bein im Boot. Daher meine ich, wir sollten im Boot sitzen.“
In der Diskussion kam die Frage auf, wie das Image des Apothekers in der Öffentlichkeit verbessert werden könnte, etwa durch eine TV-Serie „Der Landapotheker“ o. ä.? Von einem schlechten Image des Apothekers wollte Schmidt allerdings nichts wissen: „Wir sollten uns nicht selbst verzwergen.“ Umfragen zeigten nämlich, der Apotheker werde heute nicht mehr als Schubladenzieher gesehen, sondern als fachlich anerkannter Heilberuf. „Wir sind die besten in unseren Themen, unersetzlich und unverzichtbar“, so Schmidt.
Aus der Kammerarbeit
Vizepräsident Göran Donner berichtete aus dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, der letzten vier Jahre. Neugestaltet wurden das Logo, die Website und das Infoblatt der Kammer. Jährlich gab man etwa zwölf Pressemitteilungen heraus, die eine hohe Abdruckrate erzielten. Durch die sehr gute Zusammenarbeit und Vernetzung mit den anderen Heilberufekammern konnten auch gemeinsame Presseerklärungen lanciert werden. Daneben war die SLAK sehr aktiv auf Messen unterwegs, insbesondere zur Gewinnung von beruflichem Nachwuchs.
Weitere Berichte von Kammermitgliedern aus den Ausschüssen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung zeigten, dass die SLAK auch hier erfolgreich aufgestellt ist. Ein prall gefüllter Fortbildungskalender bietet eine große Zahl an Fortbildungsveranstaltungen einschließlich der Webinare. Auf dem Gebiet der Weiterbildung spielt die Weiterbildung für Klinische Pharmazie eine große Rolle. Sollte der Apotheker auf Station auch in Sachsen eingeführt werden, was wünschenswert sei, müsste auch hierfür ein Weiterbildungsgang eingerichtet werden. Kammerpräsident Schmidt merkte zu diesem Thema an, den Apotheker auf Station einzuführen, sei ein extrem wichtiger Schritt. Noch im Dezember werde man sich mit dieser Frage beschäftigen. Notwendig sei es dann, die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich zu erhöhen.
Ein eigener Bericht war der Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker in Sachsen gewidmet, die auf guten Füßen steht (gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen, Qualitätszirkel, gemeinsames Positions- und Strategiepapier, Liste mit Wirkstoffempfehlungen im Rahmen der Notdienstbereitschaft).
Die Sächsische LAK befasst sich derzeit mit einer Novellierung der Dienstbereitschafts-Richtlinie. In einer Modellregion südlich von Leipzig sollen Umfragen zur Dienstbereitschaft und ein geänderter Dienstplan Aufschlüsse darüber geben, wie die Notdienstbereitschaft derzeit angenommen wird und wie sie optimiert werden kann. Das Modellprojekt soll um ein weiteres Jahr verlängert werden.
Termine
Zum Abschluss der Kammerversammlung machte Kammerpräsident Friedemann Schmidt auf Termine aufmerksam. Im Frühjahr 2019 finden Neuwahlen zur Kammerversammlung statt, im Juni wird ein neuer Vorstand gewählt. Die konstituierende Sitzung der Kammerversammlung findet am 22. Juni statt. Der 17. Sächsische Apothekertag wird in Chemnitz am 13. und 14. April 2019 stattfinden.
Die Kammerversammlung genehmigte einstimmig den Jahresabschluss 2017, die Entlastung des Vorstandes und den Wirtschaftsplan für 2019. Der Beitragssatz für Apothekenleiter wird auch 2019 bei 0,090% vom Umsatz liegen.
Aus dem Pharmazeutischen Institut berichtete Prof. Dr. Michaela Schulz-Siegmund, Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie. Für das Wintersemester sind 49 Studierende immatrikuliert.
Der Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie soll mit einer W3-Professur besetzt werden, der Ruf ist bereits ergangen. Probleme gibt es derzeit mit der Stellensituation an der Professur für Klinische Pharmazie. Letztlich ist dies auf eine fehlende gesetzliche Regelung der Stellung der Pharmazie in der Medizinischen Fakultät zurückzuführen. Das Institut bittet daher die Kammer, auf politischer Ebene aktiv zu werden. |
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