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„Glaubwürdigkeit der Politik steht auf dem Prüfstand“
Diskussion beim 6. OTC-Gipfel des AV Nordrhein
Bereits zum sechsten Mal richtete der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) seinen OTC-Gipfel in Düsseldorf aus. Mit einem Impulsreferat vom Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Uwe May wurde die Podiumsdiskussion zum Thema „Selbstmedikation über Apotheken im Nacht- und Notdienst – wichtige Säule in der Notdienstversorgung“ eingeleitet. May stellte in seinem Vortrag die grundlegende Bedeutung der Apotheken in der medizinischen Notfallversorgung dar (s. AZ 2018, Nr. 46, Seite 8). Unter Verweis auf ein im letzten Jahr im Krankenhausreport veröffentlichtes Schaubild des G-BA übte er scharfe Kritik, dass man Apotheken gesundheitspolitisch nicht angemessen berücksichtige, obwohl sie – im Gegensatz zu hausärztlichen Portalpraxen – über eine flächendeckende Infrastruktur verfügten.
Zur Diskussion unter der Moderation von Dr. Dennis Ballwieser vom Wort & Bild Verlag kamen neben Prof. Dr. May, Dr. Carsten König von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Martin Hadder von der Deutschen Diabetes-Hilfe, Lutz Engelen von der Apothekerkammer Nordrhein und Thomas Preis vom Apothekerverband Nordrhein zusammen.
Lotsen im System
Impfende Apotheker? Das ewige Streitthema zwischen Medizinern und Pharmazeuten blieb nicht unerwähnt – ausgiebig diskutiert wurde es aber auch nicht. May versuchte mit dem Beispiel zu verdeutlichen, welches Potenzial im niederschwelligen Angebot der Apotheken steckt. Vor allem in der Nacht und am Wochenende würden die Apotheken eine wichtige erste Anlaufstelle darstellen und die Patienten durch die Notfallversorgung lotsen. Mit dem Rat des pharmazeutischen Personals und einer Selbstmedikation aus der Apotheke könnten im System hohe Kosten eingespart und Ressourcen effektiver genutzt werden. Für ihn sei es deshalb inakzeptabel, dass beispielsweise das Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums den Versandhandel – „um Geld zu sparen“ – aktiv empfehle. Damit würde den Apotheken die finanzielle Grundlage entzogen. Auch die Trennung von Packung und Honorar ist für den Gesundheitsökonomen brandgefährlich: „Bei einem Arzneimittel, das einmal über den HV-Tisch gereicht wurde, ist weder der Patient noch die Krankenkasse bereit, die so wichtige Beratung separat zu honorieren.“
Apotheken und Praxen unter einem Dach?
Für Dr. Carsten König, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, müsste die Forderung sogar noch weiter gehen. Er kann nicht nachvollziehen, warum es für die Beratung rund um OTC-Arzneimittel kein besonderes Honorar gibt. Die pharmazeutische Leistung würde sich doch gerade darin ausdrücken, entweder zu einem konkreten Präparat zu raten oder eben abzuraten, und wäre damit ein „extrem wertvolles Mittel“. In beiden Fällen sei das Honorar aber nicht explizit festgelegt. König sieht in den Apotheken wichtige Institutionen für die Notfallversorgung, die ambulante medizinische Anlaufstellen entlasten würden.
Doch für den Ärztevertreter müsste das System dahingehend optimiert werden, dass Notfall-Praxen und notdiensthabende Apotheken unmittelbar beieinander liegen. Warum sollten sich Patienten nach der ärztlichen Behandlung in der Nacht kilometerweit auf den Weg machen, um eine geöffnete Apotheke zu finden, stellte er zur Diskussion. Eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern unter einem Dach wäre effektiver und zielführender als beide Systeme parallel laufen zu lassen.
Nordrheins Kammerpräsident Lutz Engelen erinnerte König daran, dass auch die Ärzte bis vor einigen Jahren noch ihre Notdienste in den eigenen Praxen organisiert hätten. Die Zentralisierung hätte vielleicht für den Berufsstand eine Entlastung dargestellt, doch aus Sicht der Patienten wären die Wege zum Teil nun weiter. „Da ist es doch gut, wenn vor Ort noch wenigstens ein Apothekennotdienst vorhanden ist“, machte Engelen deutlich. Zugleich könnte er sich Modellprojekte durchaus vorstellen. So wären auch die Patienten in Engelens Heimatort Herzogenrath geografisch zwischen Wurmtal und niederländischer Grenze in einer schwierigen Lage. Ein Pilotprojekt von Apotheke und Notfallpraxis unter einem Dach wäre er bereit auszuprobieren. Doch dem würden sowohl die Gesetzgebung als auch die Standesvertretung auf Bundesebene entgegenstehen.
Gleichpreisigkeit statt neuartige Konzepte
Thomas Preis, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, wies darauf hin, dass es ein Verstoß gegen das Fremdbesitzverbot darstellen würde, wenn Apotheken plötzlich Bestandteile von Praxen oder Versorgungszentren wären. Außerdem würde dies viele organisatorische Fragen aufwerfen. So zum Beispiel, wer für das Warenlager finanziell aufkommt und verantwortlich ist und dass jedes Mal beim Schichtwechsel eine Inventur stattfinden müsste. Wenn bestimmte Wege für die Patienten zu beschwerlich wären, dann gebe es ja den Botendienst, bisher nicht extra vergütet, aber dieser könnte „von den Krankenkassen ja auch bezahlt werden“.
Statt neuartiger und nicht durchdachter Konzepte plädiert Preis dafür, die aktuelle Apothekenstruktur über eine Erhöhung des Nacht- und Notdienstfonds und die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit nach dem EuGH-Urteil zu stärken. In dem Zusammenhang erinnerte er die Bundesregierung an das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, die flächendeckende Versorgung zu stärken und das Rx-Versandverbot umzusetzen: „Jens Spahn hat das Problem doch erkannt und klar geäußert, dass er die aktuelle Situation nicht akzeptiert.“ Für Preis steht aktuell die Glaubwürdigkeit der Politik auf dem Prüfstand.
Zum Abschluss des OTC-Gipfels zog Sebastian Berges, OTC-Landesbeauftragter des Apothekerverbands Nordrhein, sein persönliches Fazit der gesamten Veranstaltung. Mit Blick auf die vom Ärztevertreter zur Diskussion gestellte Zusammenlegung von Notfall-Praxen und notdiensthabenden Apotheken, regte er augenzwinkernd an, dass Ärzte doch in Zukunft in den Räumlichkeiten der notdiensthabenden Apotheken praktizieren könnten. |
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