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Aus den Ländern
Europäische Pharmazeutinnen forschen und versorgen
13. Europäisches Pharmazeutinnen Treffen in Reykjavík
Island ist mit einer Einwohnerzahl von ca. 350.000 das Land mit der geringsten Bevölkerungsdichte in Europa, hat aber prozentual den höchsten Anteil an Touristen (2,2 Mio. 2017), so die Präsidentin der Isländischen Pharmazeutischen Gesellschaft Lóa María Magnúsdóttir, die die Tagung eröffnete.
Die Isländische Pharmazeutische Gesellschaft entspricht in ihren Aufgaben und Funktionen in etwa den Apothekerkammern in Deutschland, aber ohne Pflichtmitgliedschaft. Momentan hat sie ca. 450 Mitglieder mit einem Frauenanteil von 68,5%. Auch Pharmazeutinnen und Pharmazeuten ohne Apothekerlizenz, aber mit einem Masterabschluss, können Mitglied werden. 2015 hat die isländische Pharmazeutische Gesellschaft mit der Royal Pharmaceutical Society in UK einen Kooperationsvertrag zur Übernahme des britischen Fortbildungszertifikats für ihre Mitglieder geschlossen. Auf Basis dieser Kooperation wurde ein Masterstudienprogramm für Klinische Pharmazie entwickelt. Die Studierenden arbeiten in einer Krankenhausapotheke, die akademische Ausbildung übernimmt parallel dazu die Universität Island.
In der Mittagspause hatten die Teilnehmerinnen Gelegenheit, das Apothekenmuseum der Isländischen Pharmazeutischen Gesellschaft zu besichtigen. Vor allem für die jungen Apothekerinnen war es interessant, dass die älteren Kolleginnen noch viele der ausgestellten Gerätschaften aus der Praxis kannten und diese überall in Europa eingesetzt wurden.
Bedeutende pharmazeutische Industrie in Island
In drei Vorträgen zeigte sich die Vielfalt und Bedeutung der pharmazeutischen Industrie für Island.
Über wichtige technologische Entwicklungen im Bereich der Augenmedikation berichtete Dr. Guđrún Marta Ásgrímsdóttir von der Firma Oculis. Das Ziel eines neuen Projektes ist es, die bisher notwendigen Injektionen bei der Therapie eines Diabetischen Makulaödems durch Augentropfen zu ersetzen. Dabei sind einige technologische Probleme zu bewältigen, z. B. die geringe Wasserlöslichkeit des Wirkstoffs, die kurze Verweildauer wässriger Lösungen auf dem Auge und die Überwindung der Lipidmembran-Barriere. Ein Lösungsansatz besteht im Einsatz von Trägersubstanzen mit hydro- und lipophilen Strukturen, die mit dem jeweiligen Wirkstoff in Form einer Nanosuspension angewendet werden. Ein erstes Produkt mit einem Glucocorticoid als Wirkstoff befindet sich mit positiven Ergebnissen in einer klinischen Prüfung der Phase II.
Alvotech, größte international tätige Pharmafirma in Island, wurde 2013 für die Produktion von Biosimilars aufgebaut. In ihrem Vortrag „Pioneering Access to Medicine“ berichtete Dr. Sesselja Ótmarsdóttir über die intensive Zusammenarbeit mit der Universität Island und zwei Forschungsstandorten in Deutschland: Jülich zur Entwicklung neuer Zell-Linien und Produktionsprozesse und Hannover zur Entwicklung der erforderlichen analytischen Methoden. Ein Standort in Zürich ist für die klinischen Prüfungen und die Zulassungen der Biosimilars zuständig.
Auch die Firma Florealis wurde erst vor wenigen Jahren gegründet. Ihr Portfolio umfasst Produkte für leichte Beschwerden, die in der Selbstmedikation Verwendung finden und vor allem Substanzen aus der Naturheilkunde enthalten. Hier werden die Patienten mit ihren Beschwerden häufig allein gelassen, wie Dr. Elsa Steinunn Halldórsdóttir ausführte. Daher ist es das Ziel der Firma, den Patienten standardisierte und nach GMP-Richtlinien hergestellte Produkte anzubieten.
Den wichtigen Fragen (Wie können Patienten gut und sicher mit Arzneimittel versorgt werden und was können Pharmazeutinnen dazu beitragen?) widmeten sich drei Vorträge, die Studien und Projekte aus drei europäischen Ländern vorstellten.
Dr. Fatma Karapinar-Çarkit, Sint Lucas Andreas Hospital in Amsterdam, berichtete über die Pharmazeutische Betreuung bei der Krankenhauseinweisung und -entlassung. Obwohl in den Niederlanden Informationen über die Medikation eines Patienten im Vergleich zu Deutschland für die beteiligten Fachkräfte gut zugänglich sind, beklagte die Referentin Informationsverluste und daraus resultierende Medikationsfehler beim Übergang der Patienten von einer Einrichtung der Gesundheitsfürsorge zu einer anderen. In ihrer Studie untersuchte sie die Ursachen für die Wiedereinweisung von Patienten ins Krankenhaus aufgrund vermeidbarer Medikationsfehler, z. B. werden innerhalb von sechs Monaten bei 27% der Patienten Arzneimittel, die im Krankenhaus wegen Nebenwirkungen abgesetzt worden waren, wieder verschrieben. Medication Information Transfer (MIT) fordert Karapinar-Çarkit deshalb, d. h. die Weitergabe aller Informationen über die dem Patienten gegebenen Medikamente an allen Übergängen, die der Patient im Gesundheitssystem durchläuft. Mit einem systematischen Medikationsabgleich sollen Übertragungsfehler wirksam verhindert werden. Die Zusammenarbeit mit dem Patienten, den Pflegenden (Kommunikationsverbesserungen), den Krankenhausapotheken (Medikationslisten bei Einweisung und Entlassung) und den Apotheken vor Ort (Hausbesuch innerhalb von fünf Tagen nach der Entlassung) führte in ihrer Studie zu einem Wissenszuwachs in Bezug auf ihre Medikamente bei den Patienten um 16% und zu einer Verminderung der arzneimittelbezogenen Probleme um 14%.
Rachel MacDonald, PCT Healthcare Ltd. Manchester berichtete von neuen Wegen, die in UK beschritten werden. Um evidenzbasierte pharmazeutische Versorgung anbieten zu können, betreiben öffentliche Apotheken „Real-World“-Forschung. Ein entsprechendes Programm wurde vom National Health Service aufgelegt. Eine im Rahmen dieses Programms durchgeführte klinische Prüfung, die Salford Lung Study, untersuchte die Effektivität eines neuen Asthma- und COPD-Pulver-Inhalators vor dessen Markteinführung im Vergleich zu bestehenden Therapien an regulären Patienten. Die Verordnung der Prüfmedikation erfolgte durch den regulären (Fach-)Arzt und die Abgabe über öffentliche Apotheken in Salford. Trotz großem logistischem und personellem Aufwand zeigte die Referentin einen klaren Nutzen für alle Beteiligten auf. Das hat auch die Royal Pharmaceutical Society of Great Britain erkannt und unterstützt diese Forschungsinitiative.
Das nächste Europäische Pharmazeutinnen Treffen zum Thema „Working better together – interdisciplinary cooperations“ (gemeinsam besser arbeiten – interdisziplinäre Kooperationen) findet unter der Schirmherrschaft des DAB vom 22. bis 24. November 2019 in Dresden statt.
Anna Bryndís Blöndal, Universität Island, stellte die Ergebnisse ihrer Dissertation zum Thema „Einführung der pharmazeutischen Versorgung in die medizinische Grundversorgung in Island“ vor. In aufeinanderfolgenden Studien untersuchte sie die Sichtweise der Allgemeinmediziner zum aktuellen Stand der medizinischen Grundversorgung und ihre Einstellung zur Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Apothekern. Anschließend erfolgte die Einführung der pharmazeutischen Versorgung bei Hausärzten und die Untersuchung verschiedener Interventionen mit dem Ziel, regionalspezifische und gesamtisländische Anforderungen an die pharmazeutische Versorgung zu identifizieren. In einer dritten Studie wurden die pharmazeutischen Interventionen in Bezug auf Anzahl und Art der identifizierten Arzneimitteltherapieprobleme und die Häufigkeit, in der die Empfehlungen vom Hausarzt akzeptiert wurden, analysiert. Die Untersuchung ergab, dass Hausärzten in Island die pharmazeutische Kompetenz von Apothekerinnen und Apothekern bisher nicht bewusst war. Bei Einführung der pharmazeutischen Versorgung in die medizinische Grundversorgung wurden die Empfehlungen zur Arzneimitteltherapie der Patienten akzeptiert. Eine aktive Rolle von Apothekern in der medizinischen Grundversorgung wurde ausdrücklich befürwortet.
Zwei Kurzreferate rundeten das Programm ab. Gabriela Pura, Apothekerin aus Prodan, Rumänien, stellte eine Studie zur Notfall-Behandlung von Bluthochdruckkrisen mit Urapidil in der Notfallambulanz von Cluj-Napoca vor.
Lilian Anekwe, Redakteurin bei Chemist + Druggist (C+D), dem englischen Fachjournal für Offizin Apotheker, stellte in ihrem Kurzvortrag einen Vergleich zur Arbeitszufriedenheit und Bezahlung der weiblichen und männlichen Angestellten in öffentlichen Apotheken vor. „Same old story“ ist ihre Zusammenfassung der Gehaltsumfrage 2017, an der sich 1754 Angestellte beteiligten – ca. 5% verdienen die männlichen angestellten Apotheker mehr als ihre Kolleginnen.
In der Abschlussdiskussion wurde die Notwendigkeit betont, die Ergebnisse von pharmazeutischen Versorgungsstudien in wissenschaftlichen Fachjournalen zu publizieren, um deren Zugänglichkeit sicherzustellen. |
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