Arzneimittel und Therapie

Aus dem Gleichgewicht

Probiotika verzögern Regeneration der Darmflora nach Antibiotika-Therapie

cst | „Antibiotika schaden dem Mikrobiom, Lactobacillus und Co. helfen, das natürliche Gleichgewicht wiederherzustellen.“ Diese Gleichung scheint nicht ganz aufzugehen. Neue Studienergebnisse legen nahe, dass die Einnahme von Probiotika den Wiederaufbau der natürlichen Darmflora nach einer Antibiotika-Therapie hemmen könnte.

Eine Behandlung mit Antibiotika verursacht häufig gastrointestinale Beschwerden. Antibiotika-assoziierte Diarrhöen treten bei 5 bis 35% der Patienten auf. Man nimmt an, dass rund 20% dieser Fälle auf eine Schädigung der natürlichen Darmflora zurückzuführen sind. Als Präventivmaßnahme werden daher oft Probiotika empfohlen. Doch wie die Mikroorganismen die Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms genau beeinflussen, wurde bislang kaum untersucht.

Eine israelische Forschergruppe führte daher eine Reihe von Experimenten durch, um die Auswirkungen einer Probiotika-Gabe besser zu verstehen. Dabei stellten sie fest, dass die Besiedelung der menschlichen Darmflora mit probiotischen Bakterienstämmen individuell höchst unterschiedlich verläuft. Dazu verabreichten sie 15 gesunden Probanden vier Wochen lang entweder zweimal täglich ein Placebo oder ein Probiotikum aus elf verschiedenen Bakterienstämmen. Zu Studienbeginn und drei Wochen nach Beginn der Behandlung wurden Proben aus verschiedenen Abschnitten des Magen-Darm-Trakts untersucht, die mittels Endoskopie/Koloskopie gewonnen wurden.

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Probiotische Bakterienstämme können den menschlichen Darm nach einer Antibiotika-Therapie zwar kolonisieren, so aber auch die Wiederansiedelung natürlicher Darmbakterien erschweren.

Individuelle Unterschiede

Während die zugeführten Mikroorganismen bei sechs Probanden den Darm besiedelten, waren die fremden Bakterien bei den übrigen vier Studienteilnehmern, die das Probiotikum erhalten hatten, hingegen chancenlos. Wer auf die Probiotika-Zufuhr ansprechen würde und wer nicht, konnten die Wissenschaftler anhand der Gen­expressionsprofile der Probanden und der natürlichen Mikrobiomausstattung vorhersagen. Stuhlproben waren für diesen Zweck hingegen nicht geeignet, da die bloße Ausscheidung probiotischer Bakterienstämme nicht mit der tatsächlichen Bakterienbesiedelung im Darm korrelierte.

Stuhltests zur Analyse des Darmmikrobioms

Foto: Kunstzeug – stock.adobe.com

Zahlreiche Labore, viele Ärzte und Heilpraktiker bieten eine Analyse der Darmflora an. Damit sollen mögliche Störungen in der Mikrobiomzusammensetzung erkannt und dementsprechend Ernährungs- und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) entbehren diese Stuhltests derzeit jedoch jeder wissenschaftlichen Grundlage. Die genauen Zusammenhänge zwischen dem menschlichen Mikrobiom, der Ernährung und dem Gesundheitszustand seien bislang noch nicht ausreichend verstanden. Daher rät die DGVS davon ab, die teuren Tests durchführen zu lassen.

[Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) vom 5. September 2018. www.dgvs.de; Abruf am 28. September 2018]

Negative Auswirkungen

In einer weiteren Studie erhielten 21 Probanden zunächst eine Woche lang Ciprofloxacin plus Metronidazol. Anschließend wurden sie einer von drei Gruppen zugeteilt und erhielten entweder keine weitere Behandlung, das Probiotikum mit den elf Bakterienstämmen oder körpereigene Darmbakterien, die aus dem Stuhl der Probanden vor der Antibiotika-Behandlung stammten und über eine Sonde verabreicht wurden (autologes fäkales Mikrobiomtransplantat, aFMT). Während sich die natürliche Darmflora nach einem Stuhltransfer rasch regenerierte, verzögerte die Einnahme des Probiotikums die Wiederherstellung des natürlichen Mikrobioms. Nach der Antibiotika-Therapie konnten die probiotischen Bakterienstämme die Darmmukosa zwar problemlos kolonisieren, sie verhinderten jedoch, dass sich das natürliche Gleichgewicht der Bakterienzusammensetzung wieder einstellte. Der Effekt war selbst fünf Monate nach Ende der Probiotika-Behandlung noch nachweisbar.

Fragwürdige Anwendung

Die Ergebnisse der Studien stellen die Sinnhaftigkeit einer „One-size-fits-all“-Behandlung mit Probiotika infrage. Zudem kommen die Autoren zu dem Schluss, dass der Einsatz un­spezifischer Probiotika-Präparate nach einer Antibiotika-Therapie problematisch sein könnte. Stattdessen sollten patientenspezifische Maßnahmen weiterentwickelt werden. Im  Gastkommentar erfahren Sie, wie Gastroenterologe Professor Frieling die Ergebnisse der Studien einordnet. |

Quelle

Zmora N et al. Personalized Gut Mucosal Colonization Resistance to Empiric Probiotics Is Associated with Unique Host and Microbiome Features. Cell 2018 Sep 6;174(6):1388-1405

Suez J et al. Post-Antibiotic Gut Mucosal Microbiome Reconstitution Is Impaired by Probiotics and Improved by Autologous FMT. Cell 2018;174(6):1406-1423

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