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Männergesundheit

Von Spray bis Schockwellen

Therapievarianten bei erektiler Dysfunktion und Ejaculatio praecox

Zu früh, zu schnell, zu langsam oder gar nicht: Die Palette der männlichen Sexualstörungen ist breit. Nicht alle kommen mit den „Wechseljahren“, die es beim Mann so nicht gibt. So leiden am vorzeitigen Samenerguss erwachsene Männer jeden Alters. Eine medikamentöse Therapie kann lokal oder systemisch erfolgen. Bei Erektionsstörungen kommen die meisten Männer mit PDE-5-Hemmern klar; wer nicht, kann unter anderem ein neues lokales Alprostadil-Gel testen. Und für Hartgesottene gibt es die Schockwellen-Therapie. |  Von Ralf Schlenger

Testosteron gilt als das Männlichkeitshormon schlechthin. Doch schon mit 25 Jahren geht’s bergab: Die Serumspiegel des bioaktiven Testosterons sinken um durchschnittlich 1% pro Jahr und liegen im Alter von 60 bis 70 Jahren nur noch halb so hoch wie in jungen Jahren. Was evolutionsbiologisch Sinn macht, wird angesichts der heutigen Lebenserwartung im Alter oft zum Problem: Mit Androgen-Mangel assoziiert werden nachlassende Libido, erektile Dysfunktion, Abnahme von Körperbehaarung, fettfreier Körpermasse, Muskelkraft, Knochendichte, Schlafstörungen und metabolisches Syndrom; häufiger werden außerdem psychische Probleme wie Störungen von Antrieb und Motivation, später auch Depressionen und verminderte kognitive Leistungsfähigkeit. Für das Hormonmangel-Syndrom wurde der Begriff partielles Androgen-Defizit des alternden Mannes (PADAM) geprägt. Biochemisches Kennzeichen ist ein erniedrigter Gesamt-Testosteron-­Spiegel, während das luteinisierende Hormon (LH) und das follikelstimulierende Hormon (FSH) (welche im Regelkreis die Testosteron-Produktion kontrollieren) nicht ansteigen. Die European Association of Urology (EAU) hat in ihrer Leitlinie von 2017 einen schon länger existierenden Cut-off-Wert bestätigt: Als unteren normalen Testosteron-Spiegel (2,5%-Perzentile) legen große Stichproben in der Allgemeinbevölkerung 12,1 nmol/l für das Gesamt-­Serumtestosteron und 243 pmol/l für das errechnete freie Testosteron nahe [1].

Ein Unterschreiten der Referenzwerte bedeutet indes noch keine Krankheit: Als Altershypogonadismus (engl. late-onset hypogonadism [LOH] oder symptomatic late-onset hypogonadism [SLOH]) definiert die European Association of Urology eine Erkrankung des älteren Mannes mit Symptomen des Testosteronmangels und potenziell schädlichen Auswirkungen auf zahlreiche Organsysteme und einer Testosteronserum-Konzentration unterhalb des Referenzbereiches. Als häufigste Anzeichen des männlichen Hypogonadismus bei alternden Männern nennen die Urologen eine Verringerung der Libido und der sexuellen Aktivität, erektile Dysfunktion (ED) und Hitzewallungen. Bei Männern im mittleren Alter wird die Inzidenz dieser Form des Hypogonadismus mit bis zu 6% angegeben. Sie liegt höher bei Älteren, bei Adipositas und anderen Begleiterkrankungen und bei einem schlechten Allgemeinzustand. Mit den „abrupten“ Wechseljahren der Frau ist der Altershypogonadismus des Mannes nicht vergleichbar, weil das Sinken der Hormonproduktion schleichend erfolgt und das männliche Hormon stets dominant bleibt.

Testosteron-Therapie: enge Indikation

Die Definition des Altershypogonadismus bzw. partiellen Androgen-Defizits des alternden Mannes beinhaltet, dass niedrige Spiegel zirkulierender Androgene mit Symptomen einhergehen können – aber nicht müssen. Therapiert werden aber nicht Serumwerte, sondern Symptome, so vorhanden. Das metabolische Syndrom, das viele Männer mit Hypogonadismus aufweisen, spricht auf eine Basistherapie mit Gewichtsreduktion, Optimierung der Ernährung und mehr körperlicher Aktivität an. Lebensstilmaßnahmen können eine Besserung des Hypogonadismus erreichen und sind wichtiger als die Substitution des Testosterons alleine, betont die EAU-Leitlinie. Die Testosteron-Ersatztherapie sei jedoch eine gute Option zur Unterstützung der Lebensstilmodifikation in therapierefraktären Fällen.

Eine Testosteron-Substitution zielt darauf ab, bei Männern mit fortgesetzt niedrigen Serum-Testosteron-Spiegeln und assoziierten Symptomen eines Androgen-Mangels physiologische Testosteron-Spiegel wiederherzustellen. Bei hypogonadalen Männern zeigen Studien unter anderem eine Zunahme der Knochendichte im Lendenwirbelbereich, eine Besserung des Verhältnisses von Fettmasse und fettfreier Körpermasse sowie positive Effekte auf die glykämische und Lipidkontrolle. Benefits bei Libido, Erektion und Ejakulation werden aus retrospektiven Studien und Case-Reports berichtet. Mit Blick auf die heterogene Studienlage spricht die EAU eine starke Empfehlung aus

  • bei Patienten mit Rückgang in Muskelmasse und -kraft (Evidenzlevel 1b/Empfehlungsgrad A) sowie bei
  • Verminderung der Knochenmineraldichte im Lendenwirbelbereich (Evidenzlevel 1a/Empfehlungsgrad A).

Gegen einen Rückgang bei Libido und erektiler Funktion besteht wegen geringer Studienevidenz (Level 3) nur eine eingeschränkte Empfehlung (Grad B).

Die Testosteron-Substitution ist nicht risikofrei, und es sind Kontraindikationen zu beachten (siehe Kasten „Kontraindikationen“). Langzeitkomplikationen der Testosteron-Substitution bei Altershypogonadismus sind in der Häufigkeit und Schwere ungesichert, hier fehlen vergleichende randomisierte Studien.

Kontraindikationen einer Testosteron­behandlung

  • Prostatakarzinom
  • PSA > 4 ng/ml
  • männliches Mammakarzinom
  • schwere Schlafapnoe
  • männliche Infertilität
  • Hämatokrit > 50%
  • schwere Symptome der unteren Harnwege aufgrund einer benignen Prostatahyperplasie

Für eine indizierte Therapie stehen verschiedene Darreichungsformen zur Verfügung: Testosteron-Undecanoat kann oral (z. B. Andriol®) oder als lang wirksame intramuskuläre Injektion (z. B. Nebido®) mit Intervallen bis zu drei Monaten verabreicht werden. Testosteron-Enantat als kurz wirkende intramuskuläre Darreichungsform wird alle zwei bis drei Wochen gespritzt (z. B. Produkte von Eifelfango, Jenapharm, Galen, Rotexmedica). Für einen gleichmäßigen normalen Serum-Testosteron-Spiegel können transdermale Darreichungen wie Hautpflaster oder Gel sorgen (z. B. Testim®, Testogel®, Testotop®, Tostran®).

Breites Armamentarium bei erektiler Dysfunktion

Dass Potenzstörungen nicht allein auf Androgen-Mangel beruhen können, zeigt schon ihre wesentlich höhere Inzidenz: Sie betreffen in der mittel- und nordeuropäischen Bevölkerung rund 30% der 60-jährigen und fast die Hälfte der 70-jährigen Männer. Etwa jeder vierte Mann, der wegen Erektionsstörungen einen Arzt aufsucht, ist unter 40 Jahre alt. Das ist auch insofern gravierend, als das Auftreten einer erektilen Dysfunktion ein erster Hinweis auf das Vorliegen einer endothelialen Dysfunktion sein kann. Diese stellt das erste klinisch diagnostizierbare Stadium der Atherosklerose dar und kann durch fast alle kardiovaskulären Risikofaktoren ausgelöst werden [2], weshalb diese Patienten zum Arzt verwiesen werden sollten.

Die Therapie der erektilen Dysfunktion dominieren klar die Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (PDE-5-Hemmer). Seit ihrer Einführung wird häufig vor der Diagnostik einfach ein oraler Therapieversuch durchgeführt [3]. PDE-5-Hemmer bremsen den Abbau von cyclischem Guanosinmonophosphat (cGMP) zu Guanosinmonophosphat (GMP), wodurch weniger Stickstoffmonoxid (NO) benötigt wird, um die kavernösen Arterien im Penis zu dilatieren. Die vier zugelassenen PDE-5-Hemmer haben ähnliche Wirkeffekte, unterscheiden sich aber bezüglich Pharmakokinetik und unerwünschter Wirkungen (s. Tab.). Für die Wirksamkeit ist eine sexuelle Stimulation erforderlich. Neuere Varianten sind die 10-mg-Schmelztablette mit Vardenafil (Levitra®) und Tadalafil 5 mg (Cialis®) als tägliche Medikation. Tadalafil ist auch zugelassen zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms. Zur Therapie der pulmonalen arteriellen Hypertonie sind Sildenafil (als Revatio®) und Tadalafil (als Adcirca®) zugelassen.

Avanafil (Spedra®)
Tadalafil (z. B. Cialis®)
Sildenafil (z. B. Viagra®)
Vardenafil (Levitra®)
Halbwertszeit
sechs bis 17 Stunden
17,5 Stunden
vier Stunden
vier bis fünf Stunden
maximale Plasma­spiegel
30 bis 45 Minuten bei Nüchterneinnahme
zwei Stunden
30 bis 120 Minuten, im Mittel 60 Minuten bei Nüchterneinnahme
30 bis 120 Minuten, im Mittel 60 Minuten bei Nüchterneinnahme
Wirkdauer
sechs Stunden
bis zu 36 Stunden
vier bis fünf Stunden
vier bis fünf Stunden
häufigste unerwünschte Wirkungen
Kopfschmerzen, Hitzegefühl, Nasenverstopfung, Schwindel, Somnolenz, verschwommenes Sehen, Palpitationen, Hitze­wallungen, Rückenschmerzen
Kopfschmerzen, Haut­rötung, verstopfte Nase, Dyspepsie, Rückenschmerzen, Muskelschmerzen, Schmerzen in den Extremitäten
Kopfschmerzen, Schwindel, Veränderung des Farbensehens, Sehstörungen, verschwommenes Sehen, Flush, Hitzewallung, verstopfte Nase, Übelkeit, Dyspepsie
Kopfschmerzen, Dyspepsie, Schwindel, verstopfte Nase, Flush
Dosis
50 mg, 100 mg, 200 mg
5 mg, 10 mg, 20 mg
25 mg, 50 mg, 100 mg
5 mg, 10 mg, 20 mg
empfohlene Maximaldosis
200 mg
20 mg
100 mg
20 mg
Darreichungsformen
Tabletten
Filmtabletten
Tabletten, Filmtabletten, Schmelztabletten
Filmtabletten, Schmelztabletten
besondere Patientengruppen
leichte bis mäßige Niereninsuffizienz
ohne Einschränkung
ohne Einschränkung
ohne Einschränkung
ohne Einschränkung
schwere Nieren­funktionsstörung
kontraindiziert
empfohlene Maximaldosis 10 mg
Dosierung von 25 mg
empfohlene Anfangsdosis 5 mg
Leberfunktionsstörung
leicht bis moderat: Behandlung mit der niedrigsten wirksamen Dosis beginnen
schwer: kontraindiziert
schwer: nur nach sorgfältiger individueller Nutzen-Risiko-Abwägung
bei Leberinsuffizienz Dosis von 25 mg
leicht und mäßig eingeschränkt: empfohlene Anfangsdosis 5 mg
ältere Patienten
≥ 65 Jahre keine Dosis­anpassungen erforderlich
≥ 70 Jahren liegen nur begrenzte Daten vor
keine Dosisanpassungen erforderlich
≥ 65 Jahre keine Dosis­anpassungen erforderlich
≥ 65 Jahre keine Dosis­anpassungen erforderlich
Einnahmehinweise
empfohlener Einnahmezeitpunkt vor dem Geschlechtsverkehr
15 bis 30 Minuten
mindestens 30 Minuten
etwa 60 Minuten
25 bis 60 Minuten
Einnahme zu / nach einer Mahlzeit
Wirkung vermindert nach sehr fettreicher Mahlzeit
Nahrung hat keinen Einfluss
Wirkung verzögert und schwächer nach einer Mahlzeit
Wirkung vermindert nach sehr fettreicher Mahlzeit

Wegen seiner möglichen Funktion als NO-Donator sind auch Glyceroltrinitrat und Minoxidil schon in den 1990er-Jahren bei erektiler Dysfunktion untersucht worden. Glyceroltrinitrat wurde als Salbe (2%) auf den Penisschaft aufgetragen und in Form transdermaler Pflaster verwendet, Minoxidil als 2%ige Lösung auf die Eichel [4]. Aussagekräftige Studien fehlen. Neuerdings wird ein „Potenzgel mit dem Sprengstoff Nitroglycerin“ auf Ratgeberseiten angekündigt (die Kombination mit PDE-5-Hemmern könnte tatsächlich explosiv sein, allerdings wegen massiver Interaktion [5].

Für PDE-5-Nonresponder und diejenigen, die diese Wirkstoffe nicht vertragen oder aufgrund von Kontraindikationen nicht nehmen dürfen, gibt es als Alternativen unter anderem die Vakuumbehandlung sowie die intrakavernöse oder intraurethrale Pharmakotherapie. Als lokal gefäßaktive Substanzen werden vor allem Prostaglandin E1 (Alprostadil, in Caverject®, Viridal®) und Papaverin/Phentolamin (Androskat®) eingesetzt. Die Schwellkörper-Autoinjektionstherapien (SKAT) sind bei richtiger Anwendung sehr effektiv, mit Erfolgsquoten von 70 bis 90%, haben kaum Gegenanzeigen und keine systemischen Nebenwirkungen. Voraussetzung ist ein kooperationsfähiger Patient, der die Injektionstechnik erlernt. Wer die Nadel scheut, kann Alprostadil auch intraurethral anwenden, wobei die Ansprechrate mit rund 40% deutlich niedriger ist als bei der SKAT. Bei der einen Methode wird ein wirkstoffhaltiges Stäbchen von 1,4 mm Durchmesser mittels eines Einmal-Applikators in die Harnröhre eingeführt (Muse® mit 250 µg, 500 µg, 1000 µg Alprostadil). Die Erektion tritt laut Fachinformation binnen zehn Minuten ein und hält 30 bis 60 Minuten an. Ein neueres Fertigpräparat enthält Alprostadil als Creme, die mit einem Einmal-Applikator auf die Spitze des Penis aufgebracht wird und in die Harnröhre eindringen soll (Vitaros® 200 µg bzw. 300 µg/100 mg Creme). Bis zur Erektion dauert es laut Fachinformation fünf bis 30 Minuten, die Dauer wird mit ein bis zwei Stunden angegeben. Als gelegentliche Nebenwirkungen werden bei Alprostadil-Anwendungen Penisschmerz und Priapismus genannt, bei der transurethralen Applikation häufig ein Brennen in der Harnröhre.

20 Jahre Viagra®

Am 27. März 1998 wurde Sildenafil in den USA als Viagra® eingeführt. Sowohl die blaue Raute als Tablette als auch der Name entwickelten sich schnell zum Inbegriff für Arzneimittel gegen die erektile Dysfunktion. Dabei war die Entdeckung eher zufällig: Sildenafil sollte ein neues Arzneimittel gegen Hypertonie und Angina pectoris werden. Doch die Probanden berichteten von einer gesteigerten Erektionsfähigkeit. Die Nebenwirkung wurde schnell zur Hauptwirkung – und im Oktober 1998 wurde Viagra® in Deutschland eingeführt.

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Schocktherapie gegen Impotenz?

Die lokalen Verfahren sind nicht ganz simpel anzuwenden, schon gar nicht spontan und unauffällig. Als Prozeduren, die einen Geschlechtsverkehr vorbereiten, haftet ihnen das Manko des „Unnatürlichen“ an. Die meisten Männer mit Potenzschwäche dürften von einer Behandlung träumen, die ihnen eine dauerhaft verbesserte Erektion ohne Pillen und Geräte verschafft. Diesen Wunsch scheint die niedrigenergetische extrakorporale Stoßwellentherapie (LESWT, Low Energy Shock-Wave Therapy) zu erfüllen. Quasi als Jungbrunnen für den Penis soll sie zu einer Neovaskularisation und Besserung der endothelialen Funktion des Corpus cavernosum führen. Urologische Praxen, die diese Stoßwellentherapie anbieten, preisen eine „geradezu revolutionäre konservative Therapiemöglichkeit“ und versprechen eine anhaltende Verbesserung der Durchblutung der Schwellkörper infolge Bildung neuer kleinster Gefäße [6]. Wie funktioniert die Schocktherapie? Für die LESWT werden Gallen- und Nierensteinzertrümmerer mit geringer Energie eingesetzt: Statt rund 900 bar lassen sie Stoßwellen mit rund 100 bar auf den gestreckten Penis und die Schwellkörper los. Was drastisch klingt, soll nicht schmerzhaft sein. Insgesamt werden je nach Gerät und Schweregrad der Erektionsstörung vier bis zwölf Sitzungen à 30 Minuten durchgeführt.

Die Studienlage zur niedrigenergetischen extrakorporalen Stoßwellentherapie ist noch recht spärlich und teilweise widersprüchlich. Die Leitlinie zur sexuellen Dysfunktion von Männern, herausgegeben von der European Association of Urology, erwähnt das Verfahren, gibt aber „aufgrund derzeit nur eingeschränkt verfügbarer Nachweise“ keine klare Empfehlung [7]. Eine Anfang 2017 erschienene amerikanische Metaanalyse fasst sieben randomisiert-kontrollierte Studien mit 600 im Durchschnitt 61 Jahre alten Teilnehmern zusammen und kommt zu einem positiven Ergebnis [8]. Der durchschnittliche Anstieg im Score des standardisierten Fragebogens IIEF-EF (International Index of Erectile Function) nach 20 Wochen betrug hier 6,4 Punkte nach einer LESWT gegenüber 1,65 Punkten nach einer Scheinbehandlung. Fünf Punkte mehr im IIEF-EF bedeuten eine Verbesserung der erektilen Dysfunktion um eine Stufe, also z. B. von schwer zu mäßig.

Der Effekt der Stoßwellentherapie kann signifikant und relevant sein, aber ist er von Dauer? Dieser Frage gingen israelische Experten in einer aktuell publizierten Studie nach [9]: Vier Wochen nach Ende der extrakorporalen Stoßwellentherapie wiesen 64% der Männer einen signifikanten Zugewinn an Potenz auf (Verbesserung im IIEF-EF bei schwerer erektiler Dysfunktion > 7 Punkte, bei mäßiger ED > 5, bei leichter ED > 2 Punkte) – nach zwei Jahren aber nur noch 34%. Bei Patienten mit schwerer Erektionsstörung fiel die Erfolgsquote von 57% nach einem Monat auf 23% nach zwei Jahren. Ähnlich schlechte Karten hatten Diabetiker (knapp die Hälfte der Probanden) mit einer Ansprechrate von anfänglich 41%, die auf 25% nach zwei Jahren sank. Hingegen hatten Patienten mit leichter gestörter Erektion und ohne Diabetes eine Chance von immerhin 76%, dass ihnen der Nutzen der Stoßwellen erhalten blieb. Eine Option kann die extrakorporale Stoßwellentherapie auch für Männer sein, die auf PDE-5-Hemmer nicht ansprechen oder bei denen eine Kontraindikation besteht.

Gegen den vorzeitigen Orgasmus

Der vorzeitige Samenerguss (andere Bezeichnungen: vorzeitige Ejakulation, Ejaculatio praecox, EP) gilt sogar als die häufigste Sexualstörung bei Männern. Allerdings, was subjektiv für den einen Mann vorzeitig ist, mag der andere als normal ansehen. Zudem scheinen die objektiven Unterschiede nicht groß zu sein; in einer kleinen Studie der Universität Köln dauerte bei Männern mit Ejaculatio praecox der Geschlechtsverkehr durchschnittlich zwei Minuten und 32 Sekunden, bei den Vergleichsprobanden drei Minuten und eine Sekunde (ganz abgesehen davon, dass die Dauer des Geschlechtsverkehrs wenig über die Befriedigung im individuellen Fall aussagt). Der Begriff vorzeitige Ejakulation bedarf einer Eingrenzung. In einer großen, internet­basierten Umfrage, in der sich jeder vierte bis fünfte Mann als betroffen sah, war eine vorzeitige Ejakulation definiert als selbstberichtete, fehlende oder mangelhafte Kontrolle über die Ejakulation, verbunden mit Leidensdruck für den Mann und/oder seine Partnerin [10]. Für die medizinische Forschung hat ein Expertenteam der International Society for Sexual Medicine (ISSM) die folgende Definition erarbeitet: Ejaculatio praecox ist eine sexuelle Dysfunktion beim Mann, bei der eine Unfähigkeit zur Verzögerung des Orgasmus bei (fast) jeder vaginalen Penetration vorliegt, die Ejakulation (fast) immer innerhalb von etwa einer Minute nach Einführung des Glieds in die Scheide erfolgt, verbunden mit Leidensdruck, Frustration und/oder der Vermeidung sexueller Intimität. Die Definition wird beschränkt auf den lebenslangen (oder primären) vorzeitigen Samenerguss, bei dem der Mann das Problem seit dem Beginn seiner sexuellen Aktivitäten kennt. Es gibt auch eine erworbene (sekundäre) Form, beispielsweise infolge von Prostatitis oder Hyperthyreose.

Bis vor ca. 20 Jahren wurden fast ausschließlich psychische Ursachen für diese häufige männliche Sexualstörung angenommen. Als neurobiologische Korrelate werden heute eine Unterfunktion der den Samenerguss unterdrückenden Serotonin 5-HT2C-Rezeptoren und/oder eine Überfunktion der stimulierenden 5-HT1A-Rezeptoren diskutiert [11]. Eine Dämpfung des bei der Ejaculatio praecox überempfindlichen Ejakulationszentrums kann durch selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) erreicht werden. Sie müssen täglich eingenommen werden und entfalten ihre Wirksamkeit beim vorzeitigen Samenerguss nach rund ein bis zwei Wochen. Nach neueren Studien ist allerdings die längerfristige Einnahme von SSRI mit einer Beeinträchtigung der männlichen Fruchtbarkeit und mit DNA-Schädigungen assoziiert, weshalb ihr chronischer Einsatz bei Männern mit Kinderwunsch nur noch in Ausnahmefällen erwogen werden sollte. Zur bedarfsabhängigen Einnahme bei Ejaculatio praecox ist ein einziges orales Arzneimittel zugelassen, der sehr schnell und kurz wirksame SSRI Dapoxetin (Priligy®). Die Verschreibung ist indiziert bei einer intravaginalen Latenzzeit bis zur Ejakulation (IELT) von weniger als zwei Minuten; eine Reihe von Gegenanzeigen (unter anderem kardiale Vorerkrankungen) schränken die Anwendung ein. Bei erworbener (nicht primärer) Ejaculatio praecox, können laut Prof. Dr. Hartmut Porst auch PDE-5-Hemmer einen Versuch wert sein, insbesondere bei Koinzidenz von Ejaculatio praecox und erektiler Dysfunktion.

„Betäubungsmittel“ für den Penis

Als bewährte Behandlung bei vorzeitiger Ejakulation beschreibt Porst die Anwendung von lokalanästhetischen Salben und Cremes. Verschreibungsfrei zugelassen bei Erwachsenen zur oberflächlichen Anästhesie von Haut und Schleimhaut sind z. B. ­Anesderm® Creme, Emla® Creme 25 mg Lidocain/g und 25 mg Prilocain/g). Lokalanästhetika-haltige Zubereitungen werden 15 bis 20 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr auf die Eichel und das Bändchen dünn einmassiert und die Vorhaut dann wieder über die Eichel gestreift, damit das Medikament einwirken kann. Beschnittene Männer sollten nach Auftragen der Creme ein Kondom überstreifen, damit die Creme die Oberfläche der Eichel betäubt. Das Kondom kann dann zum Koitus wieder abgenommen werden, so gewünscht. Wichtig sei, die Creme vor dem Geschlechtsverkehr wieder abzuwaschen, um eine Wirkstoffübertragungsmöglichkeit auf und in die weiblichen Sexualorgane zu vermeiden.

Die Wirkstoffe Lidocain und Prilocain sind auch in einem speziell zur Behandlung von primärer vorzeitiger Ejakulation bei erwachsenen Männern zugelassenen, verschreibungspflichtigen Arzneimittel enthalten (Fortacin® 150 mg Lidocain/ml + 50 mg Prilocain/ml Spray zur Anwendung auf der Haut). Die empfohlene ­Dosis von Fortacin® beträgt drei Sprühstöße (drei Sprüh­stöße = eine Dosis) auf die Eichel vor dem Geschlechtsverkehr. Eine Dosis beinhaltet 22,5 mg Lidocain und 7,5 mg Prilocain. Nach fünf Minuten und vor dem Geschlechtsverkehr sollte überschüssiges Spray abgewischt werden. Innerhalb von 24 Stunden dürfen maximal drei Dosen in Abständen von mindestens vier Stunden angewendet werden. Die häufigste Nebenwirkung mit einer Prävalenz von 4,5% ist eine zu starke Betäubung mit Hypästhesie im Genitalbereich sowie eine Erektionsstörung (4,4%). Die einzige Kontraindikation besteht in einer Überempfindlichkeit der Beteiligten gegen Lokalanästhetika vom Amidtyp (z. B. Articain, Bupivacain, Mepivacain). Patienten, die allergisch auf Para-Aminobenzoesäure-Derivate (z. B. Procain, Tetracain, Benzocain) reagieren, haben laut Fachinformation keine Kreuzsensibilität gegen Lidocain und/oder Prilocain gezeigt. Obwohl die systemische Verfügbarkeit von Prilocain durch kutane Resorption von Fortacin® marginal ist, sollten Patienten mit Anämie oder Methämoglobinämie sowie Patienten, die Antiarrhythmika der Klasse III (z. B. Amiodaron) anwenden, Vorsicht walten lassen. Als weitere Anwendungsform der Lokalanästhetika werden bei vorzeitiger Ejakulation Kondome mit Benzocain-haltigem Gel in der Kondomspitze angeboten (Durex® Performa 5% Benzocain, Amor Long-Love 7% Benzocain). Nutzer berichten in einschlägigen Foren von individuell unterschiedlichen Erfahrungen. |

Literatur

 [1] Dohle GR (Chair), Arver S, Bettocchi C, Jones TH, Kliesch S. Male Hypogonadism. Informationen der European Association of Urology. http://uroweb.org/guideline/male-hypogonadism/#4

 [2] Münzel T, Gori T. Endotheliale Dysfunktion: Ursachen und prognostische Bedeutung. Kardio up 2009;5:361-372, DOI: 10.1055/s-0029-1243835

 [3] Diagnostik und Therapie der erektilen Dysfunktion. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. AWMF-Registernummer: 030/112

 [4] Kappeler T. Medikamentöse Therapie der erektilen Dysfunktion. pharma-kritik 1996;18(8):29

 [5] NN. Potenzgel mit Nitroglyzerin: Dieses Potenzmittel ist äußerst explosiv. www.news.de/reisen-und-leben/855682318/gel-zur-potenzsteigerung-enthaelt-sprengstoff-nitroglycerin-penis-gel-soll-12-mal-schneller-als-viagra-wirken/1/, Abruf 22. Juni 2018

 [6] Porst H. Potenzstörungen – Erektionsstörungen (Erektile Dysfunktion – ED-Impotenz). www.porst-hamburg.de/spezielle-andrologie/potenzstoerungen.html, Abruf 15. Juni 2018

 [7] Hatzimouratidis K (Chair), Giuliano F, Moncada I, Muneer A, Salonia A, Verze P. Premature Ejaculation, Penile Curvature and Priapism. Guidelines on Erectile Dysfunction, European Association of Urology (EAU) 2016. http://uroweb.org/guideline/male-sexual-dysfunction/, Abruf 18. Juni 2018

 [8] Clavijo RI, Kohn TP, Kohn JR, Ramasamy R. Effects of Low-Intensity Extracorporeal Shockwave Therapy on Erectile Dysfunction: A Systematic Review and Meta-Analysis. J Sex Med 2017;14:27-35, doi: 10.1016/j.jsxm.2016.11.001

 [9] Kitrey ND, Vardi Y, Appel B et al. Low Intensity Shock Wave Treatment for Erectile Dysfunction—How Long Does the Effect Last? J Urol 2018;200:167-170, https://doi.org/10.1016/j.juro.2018.02.070

[10] Porst H, Montorsi F, Rosen RC et al. The Premature Ejaculation Prevalence and Attitudes (PEPA) survey: prevalence, comorbidities, and professional help-seeking.European Urology 2007;51:816–824

[11] Porst H. Störungen der Ejakulation (Samenerguss) und des Orgasmus, www.porst-hamburg.de/spezielle-andrologie/stoerungen-der-ejakulation.html

Autor

Ralf Schlenger ist Apotheker und arbeitet als freier Autor und Medizinjournalist in München.

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