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Lieferengpässe

Zu wenig polyvalente Immunglobuline

Weltweit steigender Bedarf sorgt schon jetzt für Versorgungsprobleme

In den letzten Jahren ist in vielen Industrienationen ein kontinuierlich steigender Bedarf an polyvalenten Immunglobulinen sowohl zur subkutanen (SCIG) als auch zur intravenösen Therapie (IVIG) zu verzeichnen. Jetzt drohen absehbar Kontingentierungen und Rationierungen. Die bestehende Versorgungssituation in Deutschland wird sich dann nicht mehr aufrechterhalten lassen. | Von Hans-Peter Lipp

In einer Erhebung aus den USA wurde eindrucksvoll herausgearbeitet, wie seit 2003 der Markt für polyvalente Immunglobuline um 9% pro Jahr anstieg, sodass 2012 mittlerweile ein Gesamtverbrauch von 48,8 Tonnen erreicht wurde. Ein Großteil dieser Mengen wurde vor allem in der Neurologie (41,4%) eingesetzt, gefolgt von der Allergologie/Immunologie (23,3%), der Hämatologie/Onkologie (16%), der Transplantationsmedizin (4,7%) und Dermatologie (3,1%). Auf Indikationen bezogen waren es vor allem die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) die primäre Immundefizienz (PID) und die chronische bzw. akute idiopathisch thrombozytopenische Purpura (ITP) (Tabelle 1) [5].

Tab. 1: Bedarf an polyvalenten Immunglobulinen 2012 in den USA – nach Indikationen und Fachgebieten getrennt (modifiziert nach [5])
Fachgebiet
Indikationen
Bedarf [kg]
%
Allergologie-Immunologie
PID
Summe (gesamt)
11.355
13.715
23,3
28,1
Rheumatologie-Nephrologie
SLE
Summe (gesamt)
817
955
1,7
2,0
Dermatologie
Stevens-Johnson-Syndrom
Summe (gesamt)
655
1508
1,3
3,1
Neurologie
GBS
CIDP
MMN
Myasthenia gravis (akut)
Summe (gesamt)
1.146
11.693
1959
534
20.207
2,3
24,0
4,0
1,1
41,4
Hämatologie-Onkologie
chronisch oder akute ITP
CLL
Summe (gesamt)
4543
1947
7800
9,3
4,0
16,0
Pulmologie/Kardiologie
Kawasaki-Syndrom
Summe (gesamt)
207
264
0,4
0,5
Transplanta­tionsmedizin
Summe (gesamt)
2277
4,7
Sonstige
Summe (gesamt)
2277
4,7
alle Fachgebiete
Summe (gesamt)
48.819
100,0

Abkürzungen sind im Text erläutert

Auch Erhebungen aus Italien haben gezeigt, dass der IgG-Bedarf – sowohl zur subkutanen als auch zur intravenösen Therapie – über die letzten Jahre kontinuierlich gestiegen ist. Die Hintergründe sind aus Sicht der Autoren vielfältig, basieren aber vor allem auf zwei wesentlichen Aspekten:

  • Die offizielle Zulassung zur Anwendung bei CIDP gab den Therapeuten endlich die Möglichkeit, Patienten indikationsgemäß mit relativ hohen Dosen behandeln zu können.
  • Der zunehmende Erkenntnisgewinn durch eine Vielfalt an Publikationen zum vorteilhaften Einsatz von IVIG setzte immer neue Maßstäbe, wie es unter IVIG zu positiven Behandlungsverläufen kommen kann (Tabelle 2) [4, 7]. Allerdings ist zu beachten, dass in bestimmten Indikationen, wie Morbus Alzheimer, die Datenlage derzeit nicht ausreicht, um eine breite IVIG-Anwendung zu rechtfertigen.


Tab. 2: Indikationsbezogene Dosierungen und Hinweise zur Anwendung in Verbindung mit intravenös einsetzbaren polyvalenten Immunglobulinen (modifiziert nach [7])


Tab. 2:
Indikation

Dosis

Häufigkeit der Infusionen
Substitutionstherapie bei primärem Immunmangel
Initialdosis: 0,4 – 0,8 g/kg
anschließend: 0,2 – 0,8 g/kg
alle drei bis vier Wochen, um den IgG-Talspiegel über 6 g/l zu halten
Substitutionstherapie bei sekundärem Immunmangel
0,2 – 0,4 g/kg
alle drei bis vier Wochen, um den IgG-Talspiegel über 6 g/l zu halten
kongenitales AIDS
0,2 – 0,4 g/kg
alle drei bis vier Wochen
Hypogammaglobulinämie (< 4 g/l) bei Patienten nach einer allogenen, hämatopoetischen Stammzelltransplantation
0,2 – 0,4 g/kg
alle drei bis vier Wochen, um IgG-Talspiegel über 5 g/l zu halten
Immunmodulation
primäre Immunthrombozytopenie
0,8 – 1 g/kg oder 0,4 g/kg/Tag
am 1. Tag, gegebenenfalls innerhalb von drei ­Tagen einmal wiederholen für zwei bis fünf Tage
Guillain-Barré-Syndrom
0,4 g/kg/Tag
an fünf aufeinander folgenden Tagen
Kawasaki-Syndrom
1,6 – 2 g/kg oder
auf mehrere Dosen verteilt über zwei bis fünf Tage zusammen mit Acetylsalicylsäure
2 g/kg
als Einzeldosis zusammen mit Acetylsalicylsäure
chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie
initial: 2 g/kg
Erhaltung: 1 g/kg
in geteilten Dosen über zwei bis fünf Tage (initial), Erhaltungsdosis: alle drei bis vier Wochen
multifokale motorische Neuropathie
initial: 2 g/kg
Erhaltung: 1 g/kg
in geteilten Dosen über zwei bis fünf Tage (initial), Erhaltungsdosis (1 g/kg) alle zwei bis vier Wochen oder (2 g/kg) alle vier bis acht Wochen

Primäres und sekundäres Antikörpermangelsyndrom

Bei den primär humoralen Immundefizienzen mit Vorliegen eines Antikörpermangelsyndroms ist eine Substitution mit polyvalenten IgG (Dosis: 0,4 bis 0,5 g/kg Körpergewicht [KG]) dann indiziert, wenn bei niedrigen physiologischen IgG-Spiegeln wiederholt schwere, therapiebedürftige Infektionen auftreten. Ziel der Langzeitsubstitution ist es, IgG-Serumtalspiegel von mindestens 6 g/l zu halten [9].

Beim sekundären Antikörpermangelsyndrom sind es in der Regel Vortherapien einer hämatologischen Systemerkrankung (z. B. Lymphome, multiples Myelom [MM], oder eine erworbene Immunschwäche wie Aids), die sehr niedrige, behandlungsbedürftige IgG-Spiegel im Serum zur Folge haben. In diesem Zusammenhang werden IgG-Dosierungen von 0,2 bis 0,4 g/kg Körpergewicht eingesetzt. Gegenwärtig werden polyvalente IVIG-Präparate nach dem aktuellen Körpergewicht des Patienten dosiert. Stump et al. geben in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass insbesondere in der Substitutionstherapie bei Immundefizienz im Falle einer Adipositas auch auf der Basis des Idealgewichts (ideal body weight, IBW) oder des adaptierten Idealgewichts (AIBW) die IgG-Spiegel im Serum erreicht und gleiche Ansprechraten (d. h. Vermeidung von Infektionen) erzielt wurden wie mit Dosierungen auf Basis des tatsächlichen Körpergewichts (actual body weight, ABW) [9].

Autoimmunerkrankungen

Während bei der Behandlung einer primären Immundefizienz die Substitution physiologisch benötigter Mengen im Vordergrund steht, sind bei den verschiedenen Autoimmunerkrankungen und neurologischen Entzündungsgeschehen vergleichsweise hohe IgG-Dosen vorzusehen (Tab. 2) [3, 7, 8].

Neben den aufgeführten zugelassenen Indikationen werden IVIG-Präparate mittlerweile auch in selteneren Anwendungsgebieten eingesetzt, wie zum Beispiel zur Vermeidung akuter Schübe bei multipler Sklerose, wenn etablierte Therapieverfahren kontraindiziert sind (z. B. Schwangerschaft), oder bei der Posttransfusions-assoziierten Purpura oder dem systemischen Lupus erythematodes (SLE), wenn andere Immuntherapien versagen, bzw. beim Stiff-Person-Syndrom oder bestimmten Formen der Myositis (Tabelle 3) [2, 10].

Tab. 3: Inzidenz neuroimmunolo­gischer ­Erkrankungen in Industrieländern (pro 100.000 Einwohner) (modifiziert nach [2])
Erkrankung
Inzidenz
inflammatorische Myopathien
1
Myasthenia gravis
0,25 – 2
Guillain-Barré-Syndrom
1 – 2
chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie
3 – 7,7
multifokale motorische Neuropathie
1 – 2
multiple Sklerose
3

Guillain-Barré-Syndrom

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine der häufigsten Ursachen für eine akute Muskelschwäche. Pathophysiologisch fallen IgG-Antikörper gegen die Ganglioside GM1, GD1b und GD1a auf. Wenn in diesem Zusammenhang nicht nur die Extremitäten, sondern auch die respiratorischen Nerven erfasst werden, ist die Einleitung einer künstlichen Beatmung unumgänglich. Das Sterblichkeitssrisiko der Betroffenen ist mit 4 bis 15% vergleichsweise hoch.

Mittel der Wahl ist neben der Plasmapherese eine IVIG-Therapie, wobei letztere in der Studie von van der Merche et al. mit einer Ansprechrate von 53% der Plasmapherese (34%) signifikant überlegen war. Auch wenn andere Studien die Überlegenheit der IVIG-Therapie nicht in gleichem Maße her­ausarbeiten konnten, ist die IVIG-Gabe im direkten Vergleich wesentlich einfacher, sicherer und mit weniger Komplikationen für den Patienten verbunden. Es ist deshalb für ein Krankenhaus verpflichtend, eine IVIG-Menge zur GBS-Behandlung (0,4 g/kg/Tag über fünf Tage) vorzuhalten [3, 7, 8].

Chronisch inflammatorische ­demyelinisierende Polyneuropathie

Bei der chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) handelt es sich um eine erworbene, immun-assoziierte Erkrankung des peripheren Nervensystems, die mit einer allmählichen Muskelschwäche, Areflexie und Empfindungsstörungen über Wochen einhergeht. Im Gegensatz zum Guillain-Barré-Syndrom ist es der langsame Beginn, gleichzeitig aber auch der kontinuierlich progressive Erkrankungsverlauf, der die CIDP auszeichnet.

Mittel der Wahl sind die Plasmapherese, der Einsatz von Corticosteroiden und IVIG. Vor allem die Gabe von IVIG 2 g/kg KG über (zwei bis) fünf Tage ist mit einer vorteilhaften Verbesserung sämtlicher motorischer Einschränkungen nach circa sieben bis zehn Tagen verbunden, die nach circa vier bis sechs Wochen ihr Maximum erreicht. Mit 70 bis 80% ist die Ansprechrate auf die IVIG-Therapie sehr hoch. Allerdings ist bei mehr als der Hälfte der Patienten eine dauerhafte Therapie i. v. oder s. c. mit 0,4 bis 1 g/kg KG alle zwei bis sechs Wochen über drei bis vier Jahre unumgänglich [3, 7, 8].

Multifokale motorische Neuropathie

Bei der multifokalen motorischen Neuropathie (MMN) handelt es sich ebenfalls um eine chronische neurologische Erkrankung, die langsam voranschreitet. Typisch ist die distale asymetrische Extremitätenschwäche. Die persistent lokalisierte, partielle Motorblockade ist ein besonderes Zeichen dieser Erkrankung. 40 bis 80% der Betroffenen weisen IgM-Antikörper im Serum gegen das Gangliosid GM1 auf (weniger gegen GM2 und GD1a).

Mithilfe einer IVIG-Gabe (Dosis: 2 g/kg Körpergewicht über zwei bis fünf Tage) lässt sich bei circa 80% der Patienten eine vergleichsweise rasche Verbesserung der Muskelschwäche erreichen. Da dieser Effekt allerdings nur vorübergehend anhält, ist eine Erhaltungstherapie (z. B. 2 g/kg KG alle vier bis acht Wochen) i. v. über mehrere Jahre erforderlich, bis es allmählich zu Wirksamkeitsverlusten kommt [3, 7, 8].

Kawasaki-Syndrom

Das Kawasaki-Syndrom ist eine akute Vaskulitis, die bereits im Kindesalter auftritt und durch Fieber und mukokutane Entzündungen in Erscheinung tritt. Ursprünglich wurde die Erkrankung bei japanischen Kindern festgestellt, die als Folge der Vaskulitis eine Herzerkrankung (z. B. Koronar­arterienaneurysma bzw. -dilatation) entwickelten.

Therapiestandard ist eine IVIG-Gabe von 2 g/kg KG als einmalige Infusion in Kombination mit Acetylsalicylsäure 80 bis 100 mg/kg/Tag, da sich hierdurch das Risiko des Aneurysmas von 25% auf 5% reduzieren lässt [8].

Idiopathisch thrombozytopenische Purpura

Bei der idiopathisch thrombozytopenischen Purpura (ITP)handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung mit der Folge einer niedrigen Thrombozytenzahl im Plasma. Die gebildeten Antikörper richten sich vor allem gegen die Glykoproteine IIb/IIIa und Ib/IX sowie die Glykolipide auf der Oberfläche der Thrombozyten. Sinkt die Plättchenzahl unter 20.000 pro µl, können schwere innere Blutungen bis hin zu intrakraniellen Hämorrhagien die Folge sein. Eine IVIG-Therapie (akut: 0,8 bis 2 g/kg/Tag über zwei Tage) ist bei über 85% der Betroffenen effektiv, etwa 65% erreichen, dadurch wieder Normwerte der Thrombozyten von ≥ 150.000/µl. Allerdings sind die Effekte transient, sodass wiederholte IVIG-Gaben (0,4 bis 0,8 g/kg alle zwei bis acht Wochen) vorzusehen sind [8].

IVIG- und SCIG-Präparate im Vergleich

Vergleicht man die handelsüblich verfügbaren Immunglobulin-­Präparate in Deutschland (Tabellen 4 und 5), so fällt auf, dass neben den verschiedenen Konzentrationen, Packungsgrößen und Lagerungsbedingungen vor allem die zugelassenen Indikationsspektren Unterschiede aufweisen. Allerdings ist diesbezüglich im kommenden Jahr eine Harmonisierung durch die European Medicines Agency (EMA) zu erwarten, sodass alle IVIG-Präparate (Tabelle 4) in absehbarer Zeit dieselben Indikationen aufweisen werden. Die Zusammensetzung (z. B. IgG-Subklassenverteilung) der Präparate kommt dem Durchschnitt der Bevölkerung sehr nahe, während durch gezielte Aufreinigungsschritte ein möglichst geringer Anteil an polymeren IgG- und IgA-Aggregaten sowie eine Abwesenheit von Hämolysinen und Präkallikreinaktivatoren gewährleistet werden soll [6].

Tab. 4: Immunglobuline zur intravenösen Anwendung (Stand 08/2018)
Präparat
verfügbare Konzentration und Lagerungsbedingungen
Firma
zugelassene Indikationen
AVK [Euro](bezogen auf 20 g)
Flebogamma DIF
5% (50 mg/ml), 10% (100 mg/ml)
2 °C bis 30 °C
Grifols
1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3
1686,69
Gammagard S/D
5 g, 10 g, Pulver zum Herstellen von Infusionen
2 °C bis 25 °C
Baxalta
1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3
1899,48
Gamunex
10% (100 mg/ml)
2 °C bis 8 °C
Grifols
1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3, 2.4
1948,58
Ig Vena
5% (50 mg/ml)
2 °C bis 8 °C
Kedrion
1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3, 2.4
1893,79
Intratect
5% (50 mg/ml), 10% (100 mg/ml)
2 °C bis 25 °C
Biotest Pharma
1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3
1969,41
Iqymune
10% (100 mg/ml)
2 °C bis 25 °C
LFB Pharma
1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3
1935,89
Kiovig
10% (100 mg/ml)
2 °C bis 25 °C
Shire
1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3, 2.5
1823,89
Octagam
5% (50 mg/ml), 10% (100 mg/ml)
2 °C bis 25 °C
Octapharma
1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3, 2.4
1935,33
Privigen
10% (100 mg/ml)
2 °C bis 25 °C
CSL Behring
1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3, 2.4
1969,41

Anmerkung: Der IgG1-Gehalt schwankt bei den Präparaten zwischen 57% – 71,2%, der IgG2-Gehalt zwischen 21,3 – 37%, der IgG3-Gehalt zwischen 2,4 – 4,5% und der IgG4-Gehalt zwischen 1,78 – 3,1% des IgG-Gesamtgehalts. Die längste Halbwertszeit weist die IgG1-Subklasse (ca. 21 Tage), gefolgt von IgG2 (ca. 20 Tage) und IgG3 (ca. 7 Tage) auf. Indikationen:1: Substitutionstherapie bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen (2 – 18 Jahre); 1.1: primäre Immunmangelkrankheiten mit eingeschränkter Antikörperproduktion; 1.2: Hypogammaglobulinämie und rezidivierende bakterielle Infektionen bei CLL, MM bzw. nach allogener PBSCT; 1.3: kongenitales Aids mit rezidivierenden bakteriellen Infektionen; 2.1: Primäre ITP bei hohem Blutungsrisiko oder prä-OP zur Korrektur der Thrombozytenzahl; 2.2: Guillain-Barré-Syndrom; 2.3: Kawasaki-­Syndrom; 2.4: chronische inflammatorische demyelinisierende Polneuropathie (CIDP); 2.5: multifokale motorische Neuropathie; AVK: Apothekenverkaufspreis

HandelsnameFirmaKonzentration und Lagerungsbedingungenzugelassene Indikationen
BeriglobinCSL Behring16% (2 — 5 ml); 2 – 8 °C1.1 – 1.3
CuvitraShire20% (5 – 40 ml); 2 – 25 °C1.1 – 1.3
GammanormOctapharma16,5% (6 – 48 ml);  2-8 °C1.1 – 1.3
HizentraCSL Behring20% (5 – 50 ml); 2 – 25 °C1.1 – 1.3, 2.4
Hyqvia*Shire10% (2,5 – 30 g); 2 – 8 °C1.1 – 1.3
SubcuviaShire16% (5 – 10 ml)1.1 – 1.3
*Durch den Einsatz von Hyaluronidase kann die Gewebepermeabilität deutlich erhöht werden, sodass die subkutane Infusion mittels Pumpe von circa vier Stunden (ohne Hyaluronidase) auf circa zwei Stunden reduziert werden kann. Legende Indikationen siehe Tabelle 4.

Liegt eine selektive IgA-Defizienz vor, besteht das Risiko eines anaphylaktischen Schocks, wenn ein IgA-haltiges IVIG gegeben wird, da es über Anti-IgA-Antikörper zu makromolekularen Komplexen kommt. Aufgrund seines außerordentlich niedrigen IgA-Gehalts (< 0,0003%) ist in solchen Fällen das Präparat Gammagard® Mittel der Wahl [6].

Verträglichkeit

In der Regel werden IVIG-Präparate bei der Einhaltung der vorgegebenen Infusionsgeschwindigkeiten gut vertragen. Thromboembolische Ereignisse treten vor allem dann auf, wenn mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren vorliegen [11]. Bei den verwendeten Stabilisatoren ist zu berücksichtigen, dass je nach verwendetem Präparat Sorbitol (cave! Fructose-Intoleranz), Glucose, Maltose oder Glycin Anwendung finden [6].

Bei Patienten mit hohem IgG-Bedarf können besondere Faktoren, wie ein möglichst niedriger Isoagglutinin-Gehalt, eine wichtige Rolle spielen, was letztendlich durch die Implementierung einer speziellen Immunaffinitäts-Chromatographie-Säule realisiert werden kann [1].

(Teil-)Stationäre Versorgung im Krankenhaus

Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken (KVA) können ihre Einkaufskonditionen direkt mit dem pharmazeutischen Hersteller vereinbaren.

Angesichts hoher Jahresabnahmemengen bei den IVIG ­waren in den letzten Jahren Durchschnittspreise von circa 38 bis 40 Euro/g (inkl. MwSt.) in Krankenhäusern der Maximal-versorgung durchaus üblich, was sich unmittelbar in den vorgegebenen Zusatzentgelten des Instituts für Entgeltkalkulation (InEK) widerspiegelt und aktuell im Rahmen eines (teil-)stationären Verbrauchs je nach OPS-Kode (Operationen- und Prozedurenschlüssel, OPS) in Gramm-Klassen (g-Klassen) die Erstattung annähernd deckt (Tabelle 6).

Tab. 6: Zusatzentgelt für Immunglobuline
Zusatz­entgelt
OPS-Version 2018
Betrag
[Euro]
OPS-Kode
OPS-Text
ZE93.01*
8-810.w0
2,5 g bis unter 5 g
119,46
ZE93.02*
8-810.w1
5 g bis unter 10 g
238,93
ZE93.03
8-810.w2
10 g bis unter 15 g
363,77
ZE93.04
8-810.w3
15 g bis unter 25 g
657,05
ZE93.05
8-810.w4
25 g bis unter 35 g
1015,45
ZE93.06
8-810.w5
35 g bis unter 45 g
1373,84
ZE93.07
8-810.w6
45 g bis unter 55 g
1732,23
ZE93.08
8-810.w7
55 g bis unter 65 g
2090,63
ZE93.09
8-810.w8
65 g bis unter 75 g
2449,02
ZE93.17
8-810.wg
205 g bis unter 225 g
7524,10
ZE93.18
8-810.wh
225 g bis unter 245 g
8302,77
ZE93.19
8-810.wj
245 g bis unter 285 g
9258,49
ZE93.20
8-810.wk
285 g bis unter 325 g
10.692,06
ZE93.26
8-810.ws
685 g bis unter 765 g
25.983,49
ZE93.27
8-810.wt
765 g bis unter 845 g
28.850,64
ZE93.28
8-810.wu
845 g oder mehr
31.717,79

*eingegrenzte Erstattung (z. B. Pädiatrie)

Im Vergleich zum offiziellen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens (ApU) abzüglich 7% Herstellerrabatt gemäß § 130 a SGB V entspricht dieser Abgabepreis in Krankenhäusern einem Barrabatt von mehr als 50% gegenüber dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens.

Insbesondere in den letzten zwei Jahren ist allerdings eine zunehmend angespannte Lage in der Liefersituation für Krankenhäuser zu beobachten, da die pharmazeutische Industrie zum einen mit den besseren Margen im ambulanten Bereich vor Augen, zum anderen vor dem Hintergrund des weltweit ansteigenden Bedarfs (z. B. USA, Asien) an ­rabattierten Abgabepreisen in Deutschland immer weniger Interesse hat.

Vor Kurzem führte nun die Firma Shire in einer mündlichen Mitteilung zu erheblichen Verunsicherungen. Eine große Einkaufsgemeinschaft von neun Universitätsklinika hat damit zu rechnen, dass im kommenden Jahr 2019 gegenüber der vereinbarten Menge 2018 etwa 40% weniger Immunglobulin-Mengen (IVIG) bereitgestellt werden. Hintergrund ist eine gewonnene Ausschreibung in Kanada, die sehr große Liefermengen zur Folge hat und die nun für 2019 vom internationalen Markt abgezogen werden. Da mit Kiovig® von Shire ein außerordentlich umsatzstarkes Präparat gemeint ist, ist davon auszugehen, dass die anderen pharmazeutischen Hersteller diesen Rückzug der Firma Shire auf keinen Fall kompensieren können, zumal schon jetzt monatliche Kontingentierungen von IgG-Mengen pro Hersteller die Regel sind.

Ausblick 2019

Es stellt sich derzeit die Frage, wie angesichts des überall erkennbaren steigenden IgG-Bedarfs absehbare Versorgungseinschränkungen in Deutschland bewältigt werden sollen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch im ambulanten Sektor in Deutschland keine Ausweitungen des IgG-Angebots zu erwarten sind, da die IgG-Mengen in einem globalisierten Markt übergeordnet von den international agierenden pharmazeutischen Unternehmen relativ intransparent zugeteilt wurden.

Was heißt das nun für die Patientenversorgung in Deutschland im kommenden Jahr? Setzt man voraus, dass die meisten IgG-Anwendungen (IVIG und SCIG) nicht nur den Stand von 2018 erreichen, sondern noch weiter zunehmen werden, so ist bei dem absehbar eingeschränkten Angebot eine Rationierung von IgG-Anwendungen zu befürchten.

DGN: Probleme bei CIPD und MNN

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) nimmt zu den drohenden Versorgungsengpässen wie folgt Stellung:

Intravenöse Immunglobuline (IVIG) spielen in der Neurologie bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen eine wichtige Rolle.

Das Guillain-Barré-Syndrom stellt wegen der zeitlich begrenzten Gabe im Akutfall vermutlich kein Problem dar, wohl aber die chronischen Varianten der Poly­neuritis.

Die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) ist die häufigste chronische immunvermittelte Polyneuropathie – hier sind Corticosteroide oder IVIG Therapie der Wahl. IVIG werden initial in einer Dosis von 2 g/kg Körpergewicht über zwei bis fünf Tage gegeben, danach Erhaltungstherapie mit 1 g/kg Körpergewicht alle drei bis vier Wochen. Trotz des höheren Nebenwirkungsrisikos der Corticosteroide wird hier bei einem Engpass darauf ausgewichen werden müssen – zum Nachteil der Patienten.

Bei der multifokalen motorischen Neuropathie (MMN) – einer immunvermittelten, rein motorischen, asymmetrischen und distal betonten peripheren Neuropathie mit Leitungsblöcken – ist Kiovig® der Firma Shire das einzige zugelassene Immunglobulinpräparat. Da diese Patienten einer Langzeittherapie bedürfen und hier alternativ Corticosteroide oder eine Plasmapherese nicht helfen, ist ein Engpass zu befürchten.

Weitere mögliche Indikationen für IVIG in der Neurologie sind Myositiden, die myasthenen Syndrome und die multiple Sklerose. Bei Autoimmunenzephalitiden werden initial 0,4 g/kg Körpergewicht/Tag an fünf aufeinanderfolgenden Tagen gegeben, anschließend einmal monatliche Gabe. Bei allen diesen Indikationen gelten IVIG nicht als Mittel der ersten Wahl, sodass hier eher keine Probleme zu erwarten sind.

Bei der zunehmenden Nachfrage und dem begrenzten Angebot steigen absehbar 2019 die Preise im Krankenhaus erheblich. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass ab dem 1. Januar 2019 Preise von 48 bis 60 Euro pro Gramm (inkl. MwSt) die Regel sein werden. Bereits jetzt muss daran gearbeitet werden, dass die bisher bewerteten Zusatzentgelte (ZE) (Tabelle 6) für polyvalente IgG im Vorfeld angepasst oder in nicht­bewertete Zusatzentgelte 2019 umgewandelt werden, da letzteres den Krankenhäusern vor Ort die Möglichkeit an die Hand gäbe, dynamische Veränderungen von Einkaufspreisen besser zeitnah mit den Krankenkassen verhandeln zu können. Spannend ist die Frage, ob die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) diese Entwicklung so hinnehmen kann bzw. wie sie sich 2019 darauf einstellen wird. Einziger Lichtblick ist derzeit die weltweit steigende Inbetriebnahme von Plasmapherese-Zentren, die allerdings eine zunehmende Anzahl von Spendern voraussetzt. Über eine daraus resultierende mögliche Senkung von Einkaufspreisen pro Gramm ab 2020 oder später kann nur spekuliert werden. Denn schließlich könnte parallel eine Anhebung der Vergütung der Spender wiederum neue Maßstäbe setzen. |

Literatur

 [1] Bellac CL, Hottiger T, Jutzi MP et al. The role of isoagglutinins in intravenous immunoglobulin-related hemolysis. Transfusion 2015;55:13-22

 [2] Flachenecker P. Epidemiology of neuroimmunological diseases. J Neurol 2006;253(Suppl 5):V/2-V/8

 [3] Gürcan HM, Ahmed AR. Efficacy of Various Intravenous Immunoglobulin Therapy, Protocols in Autoimmune and Chronic Inflammatory Disorders. Ann Pharmacother 2007;41:812-23

 [4] Quinti I, Coluzzi S, Pulvirenti F et al. Polyvalent immunoglobulins: challenges and perspectives. Blood Transfus 2013;11(Suppl 4):40-44

 [5] Robert P, Hotchko M. Polyvalent immune globulin usage by indication in the United States, 2012. A quantitative analysis of the use of polyvalent immune globulin (intravenous and subcutaneous) by medical indication in the United States in 2012. Transfusion 2015;55:6-12

 [6] Scholze K, Fenske D. Gegenüberstellung von intravenösen Immunglobulinen. Krankenhauspharmazie 2009;30:298-304

 [7] Stangel M, Gold R. Einsatz intravenöser Immunglobuline in der Neurologie. Nervenarzt 2011;415-420

 [8] Stangel M, Pul R. Basic principles of intravenous immunoglobulin (IVIg) treatment. J Neurol 2006;253(Suppl 5):V/18-V724

 [9] Stump SE, Schepers AJ, Jones AR et al. Comparison of Weight-Based Dosing Strategies for Intravenous Immunoglobulin in Patients with Hematologic Malignancies. Pharmacotherapy 2017;37:1530-1536

[10] Tumani H. Rare indications of IVIG therapy in neurological diseases based on case reports and small studies. J Neurol 2006;253(Suppl 5):V/66-V/69

[11] Wittstock M, Zettl UZ. Adverse effects of treatment with intravenous immunoglobulins for neurological diseases. J Neurol 2006;253(Suppl 5):V/75-V/79

Autor

Prof. Dr. rer. nat. Hans-Peter Lipp,

Leiter der Universitätsapotheke Tübingen, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Röntgenweg 9, 72076 Tübingen

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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