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Arzneimittel und Therapie
SGLT-2-Inhibitoren unter Verdacht
Genitalinfektionen und Fußhygiene im Auge behalten
Inhibitoren des Natrium-Glucose-Cotransporters 2 (SGLT-2) werden zur Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt. In Deutschland sind derzeit drei Vertreter der Substanzklasse im Handel: Dapagliflozin (Forxiga®; Kombination mit Metformin: Xigduo®), Empagliflozin (Jardiance®) und Ertugliflozin (Kombination mit Sitagliptin: Steglujan®). In den USA ist zusätzlich Canagliflozin auf dem Markt. Zu den bekannten Nebenwirkungen zählen Genital- und Harnwegsinfektionen – insbesondere Vaginalmykosen und Balanitiden (Eichelentzündungen). Diese werden vermutlich durch die erhöhte Glucose-Ausscheidung im Urin, auf der auch die blutzuckersenkende Wirkung der Substanzen beruht, begünstigt. Meist sind die Infektionen leicht bis moderat und mit Standardtherapien gut behandelbar.
FDA warnt vor Nekrose
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnt nun jedoch vor seltenen, aber schwerwiegenden Komplikationen. Insgesamt sind in den letzten fünf Jahren zwölf Fälle einer Fournier-Gangrän (s. Kasten „Fournier-Gangrän“) unter SGLT-2-Inhibitoren bekannt geworden. Sieben Männer und fünf Frauen waren betroffen und mussten stationär behandelt werden. Bei allen Patienten war mindestens eine chirurgische Exzision erforderlich. Ein Patient verstarb. Fälle einer Fournier-Gangrän traten mit Ausnahme von Ertugliflozin unter allen SGLT-2-Inhibitoren auf. Ertugliflozin ist jedoch erst seit Kurzem verfügbar. Es wird angenommen, dass sich die Substanz in ihrem Risiko nicht von den anderen Wirkstoffen unterscheidet. Diabetes an sich stellt bereits einen Risikofaktor für die Entstehung einer Fournier-Gangrän dar. Unter anderen Antidiabetika scheint das Risiko jedoch kaum erhöht zu sein. Zum Vergleich: In den letzten 34 Jahren wurden lediglich sechs zusätzliche Fälle in der FDA-Datenbank registriert, keiner davon bei einer Frau. In der Allgemeinbevölkerung ist die Inzidenz gering und wird in den USA auf 1,6 pro 100.000 Männer pro Jahr geschätzt. Frauen sind deutlich seltener betroffen als Männer.
Fournier-Gangrän
Bei einer Fournier-Gangrän handelt es sich um eine sehr seltene, aber potenziell lebensbedrohliche bakterielle Infektion des Genitalbereichs und/oder des Perineums, dem Bereich zwischen Anus und äußeren Geschlechtsorganen. Dabei kommt es zu einer nekrotischen Entzündung der Unterhaut und der Faszien, die rasch fortschreitet. Bei Verdacht auf solch eine Infektion muss schnellstmöglich mit einem Breitspektrum-Antibiotikum behandelt werden, gegebenenfalls ist eine chirurgische Entfernung des nekrotischen Gewebes erforderlich.
Erste Anzeichen einer Fournier-Gangrän sind Schmerzempfindlichkeit, Rötung oder Schwellung im Genitalbereich oder Perineum. Im Gegensatz zu vergleichsweise harmlosen Pilzinfektionen treten auch Fieber und allgemeines Unwohlsein auf. Entwickeln Patienten unter SGLT-2-Inhibitoren solche Symptome, sollten sie umgehend einen Arzt konsultieren. In Absprache mit dem Arzt sollte der SGLT-2-Hemmer gegebenenfalls abgesetzt und der Patient auf ein anderes Antidiabetikum umgestellt werden.
Mehr Amputationen
Auch das Risiko von Amputationen der unteren Gliedmaßen – vor allem der Zehen – könnte unter SGLT-2-Inhibitoren erhöht sein. So wurden in zwei großen randomisierten Langzeitstudien unter Canagliflozin etwa doppelt so viele Fälle berichtet wie unter Placebo (6,3 vs. 3,4 Fälle pro 1.000 Patientenjahre). Die kürzlich publizierten Ergebnisse einer retrospektiven Kohortenstudie weisen in eine ähnliche Richtung. Dazu wurden Krankenkassendaten von knapp einer Million US-Amerikanern ausgewertet. Davon hatten 39.869 Patienten einen SGLT-2-Inhibitor verordnet bekommen – rund 70% erhielten Canagliflozin. Unter Berücksichtigung möglicher Verzerrungsfaktoren zeigte sich gegenüber anderen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe, Metformin, Thiazolidindione) ein signifikant erhöhtes Risiko für Amputationen (Hazard-Ratio 2,12; 95%-Konfidenzintervall 1,19 – 3,77). Im Vergleich zu DPP-4-Inhibitoren sowie GLP-1-Rezeptoragonisten wurde ebenfalls ein Trend zu einem erhöhten Risiko beobachtet. Ob aus diesen Ergebnissen auf einen Klasseneffekt geschlossen werden kann, bleibt unklar. Für Empagliflozin, Dapagliflozin und Ertugliflozin ist bislang keine Häufung von Amputationen bekannt geworden. Ebenso ist der zugrunde liegende Mechanismus, der zu einer erhöhten Rate an Amputationen unter SGLT-2-Inhibitoren führen könnte, unbekannt. Dennoch hat die europäische Arzneimittelagentur EMA einen entsprechenden Warnhinweis in alle Fachinformationen aufnehmen lassen. Wie alle Diabetespatienten sollten auch Patienten, die mit SGLT-2-Inhibitoren behandelt werden, auf die regelmäßige präventive Fußpflege achten (s. Kasten „Prävention von Ulzera“). Falls dem Patienten Wunden oder Verfärbungen im Fußbereich auffallen oder eine erhöhte Berührungs- oder Schmerzempfindlichkeit besteht, sollte ein Arzt informiert werden.
Prävention von Ulzera
Rund 70% aller Amputationen in Deutschland werden bei Patienten mit Diabetes durchgeführt. Der Prävention eines diabetischen Fußsyndroms kommt daher eine entscheidende Bedeutung zu:
- Regelmäßige Untersuchung der Füße unter Berücksichtigung des individuellen Risikostatus
- Rechtzeitige Behandlung von neu aufgetretenen Schwielen und Rötungen
- Tragen von druckentlastendem Schuhwerk (ausreichend Platz, geeignete Fußbettung mit gleichmäßiger Druckverteilung) sowie regelmäßige Prüfung auf Verschleiß
- Podologische Komplexbehandlung
- Schulung aller Beteiligten
- Psychosoziale Betreuung
Quelle
Drug Safety Communication der Food and Drug Administration (FDA) vom 29. August 2018. FDA warns about rare occurrences of a serious infection of the genital area with SGLT2 inhibitors for diabetes. www.fda.gov, Abruf am 05. September 2018
Chang HY et al. Association Between Sodium-Glucose Cotransporter 2 Inhibitors and Lower Extremity Amputation Among Patients With Type 2 Diabetes. JAMA Intern Med 2018;doi:10.1001/jamainternmed.2018.3034
Pressemitteilung der European Medicines Agency (EMA) vom 24. Februar 2017. SGLT2 inhibitors: information on potential risk of toe amputation to be included in prescribing information. http://www.ema.europa.eu; Abruf am 05. September 2018
Morbach S et al. Diabetisches Fußsyndrom. Diabetologie 2017;12(Suppl2):S181–S189
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