Arzneimittel und Therapie

Deprimierende Zusammenhänge

Wenn Arzneimittel Depressionen auslösen

Viele prominente und häufig eingesetzte Wirkstoffe können eine besonders besorgniserregende Nebenwirkung auslösen – die Depression. Neben hormonellen Kontrazeptiva stehen auch Protonenpumpenhemmer, Analgetika und bestimmte Antihypertensiva sowie viele hundert weitere Wirkstoffe unter „Tatverdacht“.
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Es verwundert daher wenig, dass bei mehr als jedem dritten erwachsenen Amerikaner (37,2%), der Arzneimittel einnimmt, einer aktuellen Studie zufolge mindestens eines dabei ist, das Depression als potenzielle unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) aufweist [1]. Der Gebrauch potenziell Depressions-auslösender verschreibungspflichtiger Arzneimittel nahm dabei innerhalb weniger Jahre von 35,0% (2005 bis 2006) auf 38,4% (2013 bis 2014) zu. Ungefähr jeder zehnte Studienteilnehmer wendete sogar drei und mehr Wirkstoffe mit der Nebenwirkung Depression gleichzeitig an.

Assoziation vorhanden

Erschreckend sind hingegen die darauf aufbauenden Studienergebnisse, dass mit dem Gebrauch dieser Wirkstoffe tatsächlich ein gehäuftes Auf­treten von Depressionen verbunden ist. Zur Abschätzung der Depressivität wurde dabei der Fragebogen PHQ-9 eingesetzt, welcher ein anerkanntes Instrument zur Messung des Schweregrades der Major Depression ist. 7,6% aller Studienteilnehmer wurde eine Depression attestiert. Während Patienten, die keinerlei Depressions-auslösende Wirkstoffe einnahmen, zu 4,7% unter einer Depression litten, waren es 15,3% unter denjenigen, die drei oder mehr Arzneimittel mit der gleichen potenziellen UAW einnahmen. Aufgrund des Studiendesigns ist es hier jedoch nicht möglich, von einem kausalen Zusammenhang zu sprechen, schließlich konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Patienten vor der Arzneimitteleinnahme nicht schon an einer (nicht therapierten) Depression erkrankt waren. Um diesen möglichen Effekt abzumildern, wurden Anwender von Antidepressiva von diesen Analysen ausgeschlossen.

Multimedikation per se nicht im Verdacht

Der Gedankenschluss liegt nahe, dass Patienten eher eine Depression entwickeln, wenn sie mit vielen Arzneimitteln versorgt werden. Eine wichtige Erkenntnis der Studie, welche Daten von 26.192 Patienten umfasst, ist allerdings, dass Multimedikation per se nicht das Problem ist. Die Ausprägung einer Depression stieg nicht an, wenn Patienten entweder keine, ein, zwei, drei und mehr Arzneimittel einnahmen, die keine Depressionen auslösen, wohl aber, wenn es sich bei diesen Arzneimitteln um solche handelte, die Depression als potenzielle un­erwünschte Arzneimittelwirkung aufwiesen.

Verdachtsmomente ernst nehmen

Ein wichtiger Rückschluss der Studie ist, dass Patienten und Ärzte die potenzielle Nebenwirkung Depressivität nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten, besonders dann nicht, wenn mehrere gleichermaßen betroffene Wirkstoffe eingesetzt werden. Oft besteht die Möglichkeit, auf alternative Wirkstoffe zu wechseln und so das entsprechende Risiko zu minimieren. |

Quelle

Quato DM et al. Prevalence of Prescription Medications With Depression as a Potential Adverse Effect Among Adults in the United States. JAMA 2018;319(22):2289-2298, doi:10.1001/jama.2018.6741

Apothekerin Dr. Verena Stahl

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