Arzneimittel und Therapie

Zu schwer für niedrig dosierte ASS

Körpergewicht entscheidet über Schutzwirkung

Bei der langfristigen Vorbeugung kardiovaskulärer Ereignisse hat die tägliche Einnahme niedriger Dosierungen von Acetylsalicylsäure (ASS) nach dem Motto „Eine Dosis für alle“ bisher nur mäßigen Nutzen gebracht. Die Ursache für den mäßigen Erfolg der prophylaktischen Behandlung mit niedrig dosierter ASS könnte in einer Unter- oder Überdosierung liegen.

In einer Metaanalyse aus mehreren Studien haben Forscher um Prof. Dr. Peter Rothwell von der Universität Oxford (UK) den Einfluss des Körpergewichts auf den präventiven Effekt von ASS untersucht. Dazu wurden randomisierte Studien herangezogen, in denen der Effekt von niedrigen (≤ 100 mg) und höheren (300 – 325 mg oder ≥ 500 mg) ASS-Tagesdosen auf die Primärprophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auf die Sekundärprophylaxe von Schlaganfällen analysiert wurde. Darüber hinaus wurde auch der langfristige Effekt von ASS auf das Darmkrebsrisiko betrachtet.

Foto: Gina Sanders – stock.adobe.com

Ergebnisse von mehr als 100.000 Teilnehmern zeigen, dass die Schutz­wirkung von niedrig dosierter ASS (75 – 100 mg) bei der Vorbeugung primärer kardiovaskulärer Ereignisse mit zunehmendem Körpergewicht abnimmt. Ein protektiver Effekt wurde nur für Personen mit einem Gewicht zwischen 50 und 69 kg nachgewiesen, nicht jedoch für Personen mit einem Körpergewicht ≥ 70 kg oder ≤ 50 kg. Für Probanden mit einem Gewicht ≥ 70 kg war eine niedrige ASS-Dosis sogar mit einer erhöhten Sterblichkeit durch primäre kardiovaskuläre Ereignisse verbunden. Bei Personen mit einem Körpergewicht ≤ 50 kg war die Gesamtsterblichkeit erhöht.

Faktoren wie Diabetes, Alter oder Geschlecht spielten keine Rolle. Für Raucher ergab sich jedoch zusammen mit dem Gewicht eine additive negative Wirkung auf den prophylaktischen Effekt von niedrigen ASS-Dosierungen. In Bezug auf die Sekundärprävention wurden ähnliche Ergebnisse erzielt. Niedrig dosierte ASS reduzierte auch hier das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse bei Personen ≤ 70 kg, und die protektive Wirkung nahm mit steigendem Körpergewicht ab.

Der langfristige protektive Effekt von ASS bei der Entstehung von Darmkrebs war ebenfalls gewichtsabhängig. Geringe Dosierungen reduzierten das Darmkrebsrisiko bei einem Gewicht ≤ 70 kg, nicht aber bei einem Gewicht über 70 kg. Bei einem Gewicht bis zu 80 kg konnte das Darmkrebs­risiko jedoch durch höhere Dosierungen gesenkt werden.

Erhöhte Sterblichkeit durch suboptimale Dosierung

Da der Wirkverlust mehr mit dem Körpergewicht und der Größe der Probanden assoziiert war als mit dem BMI (body mass index), vermuten die Forscher, dass bei niedrigen Dosen die systemische Bioverfügbarkeit von ASS unzureichend ist. Diese Hypothese wird dadurch gestützt, dass der protektive Effekt magensaftresistenter und Retard-Tabletten im Vergleich zu Standard-ASS bei Personen ≥ 70 kg noch stärker eingeschränkt war.

Bei höheren ASS-Dosen war der Zusammenhang mit dem Gewicht dagegen umgekehrt, und eine prophylak­tische Wirkung wurde hier nur für Personen mit einem Körpergewicht ≥ 70 kg beobachtet. Mit zunehmendem Gewicht vergrößerte sich zudem die Fähigkeit der ASS, das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse zu senken.

So wie zu geringe Dosierungen mit einem Wirkverlust einhergehen, können zu hohe Dosierungen zu erheblichen unerwünschten Wirkungen führen. Das Risiko für plötzlichen Herztod erhöhte sich durch ASS, wenn die Dosis die aus den Daten abgeleiteten gewichtsabhängigen Dosierungen überschritt, das heißt über 75 mg bis 100 mg bei weniger als 50 kg, über 325 mg bei weniger als 70 kg und über 500 mg bei weniger als 90 kg.

Eine optimale Dosierung von ASS führte zu einer beträchtlichen Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse sowie der Gesamtsterblichkeit. Der Zusammenhang zwischen Dosierung und Gewicht könnte auch den zuvor beschriebenen Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt durch ASS erklären.

Eine individuell an Körpergewicht und Größe angepasste Dosierung von ASS könnte die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich verbessern. |

Quelle

Rothwell PM et al. Effects of aspirin on risks of vascular events and cancer according to bodyweight and dose: analysis of individual patient data from randomized trials. Lancet, published online 12. Juli 2018

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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