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Arzneimittel und Therapie
Mit Ölbädern gegen Neurodermitis?
Nutzen rückfettender Badezusätze bleibt umstritten
Hauttrockenheit ist bei Neurodermitis ein zentrales Problem: Sie ist nicht nur für das quälende Jucken und Brennen verantwortlich, sondern führt auch direkt zu Entzündungen der Haut. Biochemische Untersuchungen zeigen, dass Patienten mit Neurodermitis eine abnormale Zusammensetzung von Hautlipiden aufweisen. Die Idee, der Haut Fette über Externa zuzuführen, ist naheliegend und seit Jahren neben der Vermeidung individueller Provokationsfaktoren und einer antiinflammatorischen Therapie im Schub fester Bestandteil der Behandlungsstrategie. Ziel ist es, einen Okklusionseffekt zu erzeugen und somit den Wasserverlust aus den äußeren Schichten der Haut zu verhindern.
Die Anwendung von Basistherapeutika hält jedoch einige Stolpersteine bereit: Zum einen, weil sich automatisch die Frage der Erstattungsfähigkeit stellt, zum anderen, weil der Nachweis der Wirksamkeit über prospektive randomisierte klinische Studien nicht per se gefordert wird. Die Evidenzlage ist dementsprechend dünn, und es bleibt die Frage: Lohnt es sich, diese Maßnahme aus eigener Tasche zu bezahlen?
Das sagt die Leitlinie
Die Autoren der S2k-Leitlinie Neurodermitis jedenfalls sind generell von einer Basistherapie überzeugt und empfehlen ihre Anwendung bei Neurodermitis – angepasst an den Hautzustand (z. B. fette Salbengrundlagen auf trockener Haut oder hydratisierende Öl-in-Wasser-Emulsionen bei weniger trockener Haut) – auch bei fehlenden Zeichen der Entzündung. Für rückfettende Salben und Cremes gibt es immerhin mehrere Studien, die einen Nutzen bescheinigen. So kam eine schwedische Studie 2009 zu dem Ergebnis, dass die Anwendung einer konsequenten Basistherapie den Zeitraum bis zum Auftreten eines Krankheitsrezidivs verlängern kann.
Dagegen ohne wissenschaftlichen Beweis eröffnet die Leitlinie die Möglichkeit, rückfettende Badezusätze in die Behandlung zu integrieren. In Deutschland sind Ölbäder und andere Pflegeprodukte für Erwachsene nicht erstattungsfähig. Lediglich apothekenpflichtige Präparate können für Kinder unter zwölf Jahren und Kinder mit Entwicklungsstörungen bis 18 Jahre zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden, wenn der medizinische Aspekt im Vordergrund steht. Auch in Großbritannien empfiehlt das National Institute for Health (NHS) weichmachende Waschprodukte bei Kindern. Dem englischen Gesundheitswesen kostet diese Maßnahme jedes Jahr mehr als 17 Millionen Pfund. Dabei ist nach wie vor unklar, ob Badezusätze wirklich einen Beitrag zur Verbesserung der Symptomatik bei Neurodermitis und dadurch der Lebensqualität der Erkrankten leisten.
Das sagt die Studie
Nach Ansicht der Arbeitsgruppe um Miriam Santer von der Universität Southampton wurde es höchste Zeit, Licht ins Dunkel zu bringen. In einer randomisierten kontrollierten Studie mit 482 an Neurodermitis erkrankten Kindern im Alter von ein bis elf Jahren wurde die Standardtherapie mit und ohne Anwendung von Badezusätzen verglichen. In der Interventionsgruppe verschrieben die Hausärzte für ein Jahr rückfettende Badezusätze. Die Eltern der Kinder hatten dabei freie Wahl zwischen den drei Produkten Oilatum®, Balneum® und Aveeno® mit unterschiedlichen Konzentrationen von Paraffin- oder Sojaöl, um eng an der Verschreibungspraxis zu bleiben. Der Kontrollgruppe wurde von der Anwendung von Badezusätzen abgeraten. Rückfettende Cremes, Salben und Seifen waren in beiden Gruppen erlaubt, ebenso Externa auf Cortison-Basis bei Bedarf. Primärer Endpunkt der Studie war die Veränderung der Haut nach 16 Wochen. Zur Bewertung wurde der krankheitsspezifische Fragebogen POEM (Patient Oriented Eczema Measure) herangezogen, der sieben Aspekte der Erkrankung von 0 bis 4 bewertet, wobei eine hohe Punktzahl einen größeren Schweregrad der Erkrankung bedeutet.
Der am Ende der Studie für die Interventionsgruppe errechnete Vorteil lag bei 0,41 Punkten und war nicht signifikant. Lediglich Kinder unter fünf Jahren scheinen einer Subgruppenanalyse zufolge leicht von der Anwendung von rückfettenden Badezusätzen zu profitieren. Auch häufiges Baden von mehr als fünfmal pro Woche und die Überzeugung der Eltern, dass Badezusätze helfen, steigerte den Nutzen. Aufgrund der fehlenden klinischen Relevanz waren die Studienautoren am Ende jedoch nicht überzeugt und raten in ihrem Fazit von rückfettenden Badezusätzen ab.
In einem begleitenden Kommentar zur Studie im Britischen Ärzteblatt wird vom „Schließen einer wichtigen Evidenzlücke“ gesprochen, obwohl man sich der Limitationen der Studie durchaus bewusst ist. So war ein Vergleich mit Placebo nach Angaben der Autoren nicht möglich. Zwei weitere Faktoren könnten zudem den Vorteil der Intervention geschmälert haben: Nur 36% der Teilnehmer aus der Interventionsgruppe badeten konsequent mindestens fünfmal die Woche, dafür wendeten (mindestens) 13% der Probanden der Kontrollgruppe trotz Abratens einen Badezusatz an. Die Studie war nicht darauf ausgelegt, Unterschiede zwischen den Präparaten festzustellen. Ob man ihre Ergebnisse generell auf alle rückfettenden Badezusätze übertragen kann, darf bezweifelt werden.
Das sagen die Hersteller
Da die Wirksamkeit von Ölbädern nicht zum ersten Mal infrage gestellt wird, reagierte man bei Dr. August Wolff, Hersteller von Linola Fett N Ölbad, gelassen auf die neuen Erkenntnisse. „Für uns ist einzig entscheidend, dass der Nutzen des zugelassenen Arzneimittels Linola® Fett N Ölbad zur unterstützenden Behandlung trockener oder schuppender Hauterkrankungen, wie z. B. Schuppenflechte (Psoriasis) und Neurodermitis, in klinischen, nicht öffentlichen Studien, die dem BfArM vorliegen, belegt worden ist.“ Einsicht in diese Studien gewährte Wolff nicht.
Auch die Produkte der Balneum Hermal®-Reihe wurden vor langer Zeit von behördlicher Seite zugelassen zur unterstützenden Behandlung bei trockener und juckender Haut. Hersteller Almirall führte Wirksamkeitsbelege aus den 80er- und 90er-Jahren als Reaktion auf die britische Studie ins Feld. Eine etwas jüngere Untersuchung mit insgesamt 3566 Patienten (davon 94% Kinder unter 15 Jahren) stammt aus dem Jahr 2005. In nahezu 60% der Fälle konnte unter Anwendung von Balneum die Begleittherapie mit topischen Steroiden bzw. Antihistaminika nach Einschätzung der beteiligten Ärzte reduziert werden. 14,3% der Patienten waren nach 42 Tagen symptomfrei. Da in der aktuellen Studie von Santer et al. nur zwölf Patienten mit Balneum behandelt wurden, lässt Almirall die Schlussfolgerung, sein Präparat sei unwirksam, nicht gelten.
Das sagt die Expertin
Die Gültigkeit der S2k-Leitlinie Neurodermitis wurde nach inhaltlicher Überprüfung bis Ende 2018 verlängert. Zur Frage, ob die vorliegende Studie Auswirkungen auf die Empfehlungen haben könnte, äußerte sich Prof. Dr. med. Claudia Pföhler, Oberärztin an der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum des Saarlandes: „In meinen Augen werden die Publikationen keinen Einfluss auf eine deutsche Leitlinie haben, die zum Teil natürlich immer noch Expertenmeinungen beinhaltet und auch wenig Evidenz bietet. Das Studiendesign mancher Studien lässt aber auch zu wünschen übrig. Nur nach dem Effekt eines rückfettenden Bades zu schauen, wird einer komplexen und multifaktoriellen Erkrankung wie der Neurodermitis nicht gerecht. Hier braucht es natürlich Basistherapie und spezifische externe Therapie und Eradikation einer Superinfektion mit zum Beispiel Staphylococcus aureus.“ Für die Dermatologin gehört die korrekte Wasch- und Badetherapie ganz essenziell zur Behandlung einer Neurodermitis und zur Basistherapie der Patienten, auch wenn die Kosten für Erwachsene bedauerlicherweise nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. „Ich empfehle immer Badezusätze, wenn möglich rückfettende, nicht parfümierte Ölbäder, wie Eucerin® Atopi Control Dusch- und Badeöl (ohne daran Aktien zu haben). Hier gibt es aber auch eine Vielzahl an anderen gleichwertigen Produkten.“ Eine Auswahl von entsprechenden Arzneimitteln zeigt die Tabelle. |
Präparat |
Wirksamkeits-relevante Bestandteile |
Indikation |
---|---|---|
Balneum Hermal®
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Zur unterstützenden Behandlung von trockener und leicht juckender Haut, wie z. B. beim atopischen Ekzem, Psoriasis, Ichthyosis, Pruritus senilis und Exsikkationsekzem |
Balneum Hermal® F |
|
Zur unterstützenden Behandlung von trockenen Hauterkrankungen, z. B. atopisches Ekzem oder chronischem Ekzem |
Balneum Hermal® Plus |
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Zur unterstützenden Behandlung bei trockener, schuppender, juckender und empfindlicher Haut, wie z. B. atopisches Ekzem, Psoriasis und Ichthyosis |
Linola® Fett N Ölbad |
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Zur unterstützenden Behandlung trockener oder schuppender Dermatosen, wie z. B. Psoriasis und Neurodermitis (endogenes Ekzem) |
Neuroderm® Mandelölbad |
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Zur unterstützenden Behandlung von Dermatosen mit trockener, juckender Haut wie z. B. atopisches Ekzem, Psoriasis, Ichthyosis, Pruritus senilis, Windelekzem, Waschekzem |
Quelle
Santer M et al. Emollient bath additives for the treatment of childhood eczema (BATHE): multicentre pragmatic parallel group randomised controlled trial of clinical and cost effectiveness. BMJ 2018; doi: 10.1136/bmj.k1332
Flohr C, Ahmed A. New evidence challenges use of bath emollients for children with eczema. BMJ 2018; doi: 10.1136/bmj.k1791
S2k-Leitlinie Neurodermitis, Version 2014, Gültigkeit verlängert bis 31. Dezember 2018
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