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Warum Apotheker kein „Bullshit-Job“ ist
Eröffnung des Pharmacon Schladming 2018
Am Sonntag wurde im österreichischen Schladming der Pharmacon eröffnet. Bereits zum 48. Mal organisiert die Bundesapothekerkammer (BAK) den Winterkongress, der bis 2014 noch im Schweizer Davos seine Heimat hatte. Neben den deutschen Teilnehmern, unter denen sich rund 70 Pharmaziestudierende aus Frankfurt, Würzburg und Tübingen befinden, nehmen auch Apothekerinnen und Apotheker aus der Schweiz und Österreich teil. Obwohl sich der Kongress Internationalität auf die Fahnen geschrieben hat, kommen die Referenten dieses Jahr alle aus Deutschland. Die wissenschaftlichen Vorträge und Seminare zu neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen moderieren Prof. Dr. Thomas Weinke vom Klinikum Potsdam sowie Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Universität Frankfurt.
„Wir haben wenigstens eine Regierung“
Den Vortritt zu politischen Statements ließ BAK-Präsident Kiefer seinen Amtskollegen aus den Nachbarländern. Dr. Gerhard Kobinger, Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Apothekerkammer, begann seine Grußworte augenzwinkernd mit dem Hinweis, dass man in Österreich immerhin eine Bundesregierung hätte. Doch im Folgenden machte er den deutschen Apothekern deutlich, dass es in der Alpenrepublik ganz andere Schwierigkeiten für den pharmazeutischen Berufsstand gebe. So seien viele Punkte bei der Apothekenhonorierung bei Weitem nicht so klar geregelt wie in Deutschland. Die Aufschläge auf Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenkassen würden die laufenden Kosten nicht decken können, die Differenz müsse längst aus Privatverordnungen finanziert werden. Auch Notdienste seien weder durch Arzneimittelpreise noch durch einen Fonds ausreichend honoriert. Zudem käme die besondere Situation in Österreich, dass Ärzte mit eigenen Hausapotheken dispensieren dürfen. Mit neuen Gesundheitsdienstleistungen, wie Screening-Aufgaben oder Impfen, wolle man versuchen, sich weitere Kompetenzen zu erarbeiten. Kobinger sieht mit dem Inkrafttreten der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung, der Einführung von elektronischen Rezepten sowie dem EU-Dienstleistungspaket auf alle europäische Apothekensysteme große Herausforderungen zukommen.
International analysieren und lokal anpassen
Auch für Fabian Vaucher, Präsident des Schweizer Apothekerverbandes pharmaSuisse, gibt es zwar fundamentale Unterschiede bei den Versorgungsstrukturen und Marktvoraussetzungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Doch für die Therapie von Patienten mit psychiatrischen oder neurologischen Erkrankungen müssten gleiche Regeln herrschen. So könne die Arzneimittelversorgung dieser Gruppe nicht mit einem „Einlesen von Strichcodes“ erledigt sein, es müsse vielmehr individuell auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten jedes Einzelnen eingegangen werden. Gerade bei Fällen von Multimedikation müsste das kritische Hinterfragen an erster Stelle stehen. Das „Deprescribing“, also das Wegstreichen unnötiger oder schädlicher Verordnungen, sei in vielen Fällen angebracht und die Kompetenz des Apothekers vor Ort gefragt. Das könne der Versandhandel nicht leisten. Für Vaucher steht fest, dass das Schweizer Gesundheitswesen auch in Zukunft von etablierten und bewährten Strukturen, die im Ausland herrschen, profitieren soll. Dafür wolle man internationale Modelle analysieren und auf lokale Begebenheiten anpassen.
„Region first“ und keine „Bullshit-Jobs“
BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer ließ in seiner Rede keinen Zweifel daran, dass sich die Spitze der deutschen Standespolitik nach wie vor und mit Nachdruck dafür einsetze, dass ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Politik auf den Weg gebracht wird. Es sei ein „kapitalorientiertes Eigeninteresse“, das letztendlich der Solidargemeinschaft schade. Mit Boni würden Patienten gelockt werden und mit Scheinargumenten die Politiker. „Wer meint, dass der Arzneimittelversandhandel nötig sei, redet einen Notstand aus Eigeninteressen herbei“, fasste Kiefer zusammen. „Sollte es in der Zukunft zu Engpässen kommen, werden die Apothekerkammern regionale Lösungen finden.“ Bei den politischen Argumentationen sei es schwierig überhaupt zu definieren, was Flächendeckung oder urban und ländlich bedeute. Untersuchungen hätten ergeben, dass weniger als ein Prozent der Bundesbürger mehr als vier Minuten mit dem Auto zur nächsten Apotheke bräuchten. Damit zukünftige Versorgungsmissstände effektiv gelöst werden könnten, müsse der Ermessensspielraum der Kammern erweitert werden. „So was kann nur regional gelöst werden und nicht bundes- geschweige denn europaweit.“
Als weiteren Aspekt führte der Kammerpräsident das Gemeinwohl an, zu dem sich die Apotheker von Berufs wegen verpflichtet fühlen. Dazu zählte er die Botendienste, Rezepturen, den Kontrahierungszwang und ständige Dienstbereitschaft. „Dies zu erfüllen, fußt letztlich auf der inneren Haltung und bedeutet für Apotheker deshalb eine hohe individuelle Verantwortung.“ Deshalb könne es seiner Ansicht nach auch keine Egoisten unter den Apothekern geben. Als „Thema verfehlt“ und „nicht zu korrigieren“ bezeichnete Kiefer das vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Honorargutachten und kommentierte es nicht weiter. Die Wertigkeit von Berufen und die entsprechende Honorierung richtig einzuschätzen, sei in vielerlei Hinsicht problematisch. Aus einer englischsprachigen Veröffentlichung zitierte er den Begriff „Bullshit-Jobs“, womit gut bezahlte Tätigkeiten gemeint sind, auf die die Gesellschaft auch verzichten könnte, zu denen er die Apotheker definitv nicht zähle. In dem Artikel wurde dargestellt, dass je nützlicher die Arbeit sei, sie umso schlechter bezahlt werde. Zum Abschluss seiner Rede forderte er mehr Verantwortung und Freiräume für den Berufsstand im Sinne der Patienten und der Arzneimitteltherapiesicherheit, sowie eine bedarfsgerechte Versorgung, die vor allem durch die Kammern organisiert wird.
Lesmüller-Medaille für Klaus Meier
Im Rahmen der Eröffnung des Pharmacon in Schladming wurde Klaus Meier (re.), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP), für seine Verdienste geehrt. Er habe die Onkologische Pharmazie in Deutschland wie kaum jemand sonst geprägt, so BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer in seiner Laudatio. Ziel der DGOP ist es, die Menschen mit Krebserkrankungen auch pharmazeutisch bestmöglichst zu unterstützen.
Fortbildung mit Alpenpanorama
Die 48. Pharmazeutische Fortbildungswoche Pharmacon der Bundesapothekerkammer (BAK) findet vom 14. bis 19. Januar in Schladming statt. Der Kongress mit seinen 15 Fachvorträgen beschäftigt sich in diesem Jahr mit neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Referenten aus den pharmazeutischen und medizinischen Fakultäten sowie der Apotheke werden den Teilnehmern pathophysiologische Grundlagen sowie die Pharmakotherapie der Depressionen, Angst- und Schlafstörungen, Multiplen Sklerose und Epilepsie vorstellen. Jeweils am Folgetag können die Themen dann diskutiert und mit den Fragen aus dem Publikum vertieft werden. Im Vorraum des Kongresszentrums befinden sich während der Veranstaltung zudem Infostände der Sponsoren und ABDA-Tochterunternehmen. Den berufspolitischen Höhepunkt bildet die Podiumsdiskussion am Donnerstagnachmittag, zu der die Spitzenvertreter der Standesvertretung erwartet werden. Neben BAK-Präsident Dr. Andraes Kiefer werden die Präsidenten von ABDA und DAV Friedemann Schmidt bzw. Fritz Becker sowie der ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz auf der Hauptbühne Platz nehmen. Den Kongressteilnehmern soll die Möglichkeit gegeben werden, ihre Fragen vorab einzureichen, sodass sie gebündelt und gezielt in die Runde eingebracht werden können. |
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