Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Warten auf Godot – der Kurzkommentar zu 2018

Andreas Kaapke

Wer hat 2018 nicht alles aufeinander gewartet. Die ABDA argumentierte – nachdem Spahn Gesundheitsminister wurde –, man wolle auf die Entscheidung der Politik zum Rx-Versandhandelsverbot warten. Das Warten fing schon deutlich früher an – in der Unzeit zwischen September-Wahl 2017 und Regierungsbildung im Frühjahr 2018 – und hielt vor bis zum 11. Dezember. Dann war die Katze aus dem Sack. Die Basis der Apotheker wartete das ganze Jahr auf Vorschläge der ABDA, wie man mit diesem „Unzustand“ des Aussitzens denn umzugehen gedenke. Die Politik wartete auf alternative Vorschläge der Apothekerschaft, was denn aus deren Sicht zu tun sei.

Wir alle warteten auch im Jahr 2018 auf Konsequenzen, die die Politik aus dem Honorargutachten oder aus dem Gutachten der Monopolkommission zu ziehen oder nicht zu ziehen gedachte. Alle warteten auf einen Plan B der ABDA, eine Kommentierung der Standesvertretung und eine Kommunikation, die dem Thema und dem Anspruch der Mitglieder gerecht werden könnte.

Demnach kann das Jahr 2018 als ein Jahr des Wartens etikettiert werden. Derlei Jahre können im positiven Sinne als Übergangs­jahre bezeichnet werden. Das Ausharren muss nicht immer negativ sein, Kanzler Kohl und auch Kanzlerin Merkel haben beste Erfahrungen mit dem Aussitzen von Entscheidungen gemacht und auch der Volksmund sagt, gut Ding will Weile haben. Im negativen Sinne könnte man aber das Wartejahr 2018 als verlorenes Jahr verstehen. Ein Jahr, in dem man auf den Staat gesetzt und abgewartet hat in der Hoffnung, er möge sich genau so entscheiden, wie man es selbst als am besten empfinden würde. Wenn es dann anders kommen sollte, könnte man Plan B – so er denn faktisch und vorzeigbar existiert – vorlegen. Nur dabei hat man Folgendes ausgeblendet: Wenn sich die Politik erst einmal bewegt hat, ist „der Drops in der Regel gelutscht“, die Strippen sind gezogen und die Deals ausgehandelt. Dann aus dem Gebüsch zu kommen und der Hoffnung Nahrung zu geben, nochmals Verhandlungen anstoßen zu können, mutet ambitioniert an.

Alle warteten also auf alle, sodass dem Bundesgesundheitsminister das Heft des Handelns überlassen blieb. Dass dieser vier Tage vor Bekanntgabe seiner Pläne auch noch die Frage beantwortet bekam, ob er oder jemand anders Vorsitzender der CDU würde, zeigt die Brisanz des Wartens auf. So hing die Laune des Ministers von einer aus Sicht Spahns viel bedeutsameren Spielwiese ab. Seit dem 11. Dezember hat das Warten ein Ende, denn der Minister hat aufgezeigt, wie er sich die Zukunft der Apotheken vorstellt. Hatte wirklich noch jemand auf ein Rx-Versandverbot gesetzt? Ist vor diesem Hintergrund der vermeintliche Geldregen ein Geldsegen? Die Strukturen und Symptome werden damit von Spahn nicht verändert. Der rabattierfähige Rx-Versand wird nicht verboten, seine Begrenzung zu exekutieren wird sportlich, da darf man gespannt sein, wie das Ministerium dies hinbekommen will. Sollte so etwas wie ein veritabler Plan B in der Schublade liegen, ist seine Zeit nun allerspätestens gekommen. Oder wird wieder gewartet?

Der irische Schriftsteller Samuel Beckett hat zum Phänomen des Wartens ein Theaterstück verfasst, in dem die zwei Protagonisten an einer Kreuzung auf einen Mann namens Godot warten, doch dieser kommt nicht. Das Stück zählt zum absurden Theater und passt alleine vor diesem Hintergrund gut zum Jahr 2018. Ob dieser Mensch namens Godot kommt und wenn ja, wann, um wen es sich eigentlich handelt und was mit ihm anzustellen ist, bleibt dem Zuschauer verborgen. Am Ende des Stücks offenbart ein Ziegenjunge als vermeintlicher Bote von Godot, dass sich dessen Erscheinen weiter verzögern wird.

So nahm das Jahr erst zwei Wochen vor Weihnachten Fahrt auf und hielt in ökonomischer Hinsicht 50 Wochen still. Und ansonsten: Nahm die Zahl der Apotheken weiter ab, der Versandhandel durfte auch 2018 weiter liefern, das Verhältnis Krankenkasse und Apotheke blieb weiter angespannt. Dies vor Augen hat sich auch mit einer neuen, alten Regierung mit neuen oder alten Ministern wenig verändert. Die Erkenntnis, dass ein anderer Minister aus der gleichen Partei zum gleichen Thema völlig andere Rückschlüsse zieht, kann als Learning abgespeichert werden, denn es zeigt, dass es am Ende weniger die Organe oder Institutionen, sondern vielmehr die handelnden Personen sind, die oftmals die Entscheidungen alleine treffen.

So werden sich viele Apotheker 2018 nicht selten von der Politik alleine gelassen gefühlt haben und leicht beklommen mit der Frage im Gepäck zurückblicken: Wer um Gottes Willen ist dieser Godot und lohnt es sich, auf ihn noch länger zu warten? |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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