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Gesundheitspolitik
Vergabekammer kippt Impfstoffvereinbarung
AOK Nordost hätte Vergaberecht anwenden müssen – AOK verweist auf Gesetzgeber
Zwar pflegen Kassen und Apotheker im Nordosten der Republik dieses Modell bereits seit dem Jahr 2011, ohne dass es großes Aufsehen erregt hätte. Doch in diesem Jahr änderte sich das: Erstmals wurde ein Erstattungsfestpreis für einen tetravalenten Impfstoff vereinbart. Allerdings gibt es nur einen Hersteller, der bereit ist, den Apotheken hier noch eine Gewinnmarge zu bieten – Mylan. Mitbewerber GlaxoSmithKline (GSK) wollte das nicht auf sich sitzen lassen und stellte einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer. Die entschied nun: Die Kasse hätte das Vergaberecht beachten müssen. Die AOK Nordost bedauert den noch nicht bestandskräftigen Beschluss. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht sich hingegen in seiner Kritik an dem Festpreismodell bestätigt.
Die Vereinbarung der AOK Nordost mit den Apothekerverbänden in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sorgt seit Februar für Unruhe bis in die Politik hinein. Erstmals wurde im Nordosten ein Erstattungsfestpreis für Vierfach-Impfstoffe ausgehandelt. 10,95 Euro inkl. MwSt. bekommt die Apotheke, wenn der Arzt den Grippeimpfstoff generisch verordnet. Dabei läuft es de facto darauf hinaus, dass der Mylan-Impfstoff Influvac Tetra zum Einsatz kommt. Grund ist eine Rahmenvereinbarung zwischen der Tochterfirma D.S.C. des Berliner Apotheker-Vereins und dem Hersteller, die Apotheken einen günstigen Bezug ermöglicht. Andere Hersteller tetravalenter Impfstoffe könnten dieser Vereinbarung ebenfalls beitreten. Das wollen sie jedoch nicht, sie halten sie nicht für auskömmlich.
Kritische Lenkungswirkung
Nun entschied die Vergabekammer: Beim Vertrag der AOK Nordost mit den Apothekerverbänden handele es sich um einen öffentlichen Auftrag, für den das Vergaberecht hätte beachtet werden müssen. Er beschränke sich nicht auf eine Festpreisvereinbarung. Vielmehr sehe er vor, dass sich die Kasse verpflichte, „die Vertragsärzte über die Ziele dieser Vereinbarung und die Bestimmungen zur Verordnung von Grippeimpfstoffen zu informieren und deren Umsetzung aktiv zu fördern“. Die vorausgehende Information der AOK, dass es die Liefervereinbarung mit Mylan gibt, sowie das weitere in der Erstattungsvereinbarung geregelte Prozedere „dürfte beim Arzt dazu führen, dass er sich gehalten sieht, eine generische Bestellung in seiner Verordnung vorzunehmen“. Und dann liefere die Apotheke das Mylan-Produkt, weil es die beste Gewinnmarge ermögliche. Damit nehme die AOK Einfluss, welcher Impfstoff zum Einsatz kommt. Zwar sei eine solche „Lenkungswirkung“ zum günstigsten Produkt legitim, immerhin gehe es um die finanzielle Stabilität des GKV-Systems. Aber nur, wenn es vergaberechtlich korrekt läuft. Dafür gibt es der Kammer zufolge folgende Alternativen: Ein Vergabeverfahren mit Apotheken als Ausschreibungsadressaten oder eines den Herstellern gegenüber. Auch wenn die sozialrechtliche Norm, in der letzteres Verfahren geregelt war, gestrichen wurde, gebe es kein vergaberechtliches „Ausschreibungsverbot“ den Herstellern gegenüber. Einer sozialrechtlichen Rechtsgrundlage bedürfe es nicht. Dritte Variante wäre ein Open-house-Verfahren gegenüber Apotheken oder Herstellern.
AOK: Nicht nachvollziehbar
Insbesondere diese Hinweise sind für die AOK Nordost nicht nachvollziehbar. Sie prüft nun, ob sie gegen diese Entscheidung, „die dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderläuft“, sofortige Beschwerde einlegt.
Der BPI sieht den Gesetzgeber gefordert: Er müsse über die bestehende Regelung hinaus klarstellen, dass Ausschreibungen für Impfstoffe unzulässig sind.
Solange der Beschluss nicht bestandskräftig ist, hat er keine unmittelbare Auswirkung auf das Versorgungsgeschehen. Für die kommende Saison sind die Bestellungen ohnehin bereits gelaufen. |
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