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Arzneimittel und Therapie
Gurgeln gegen Gonorrhö
Kann eine Mundspüllösung helfen, die Ausbreitung der Infektion einzudämmen?
Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in etwa gleich häufig wie Chlamydien-Infektionen und gehören damit nach Trichomonas-vaginalis-Infektionen zu den dritthäufigsten sexuell übertragenen Infektionen weltweit. Nachdem in Deutschland seit 2001 keine Meldepflicht für Gonorrhö mehr besteht, gibt es kaum aktuelle epidemiologische Daten. Nur in Sachsen besteht eine Labormeldepflicht. Hier wurde eine Verdoppelung der gemeldeten Infektionen von 6,8 Infektionen/100.000 Einwohner im Jahr 2003 auf 13,7/100.000 im Jahr 2011 beobachtet.
Verlauf häufig symptomlos
Die Gonorrhö kommt ausschließlich beim Menschen vor. Die Übertragung erfolgt durch direkten Schleimhautkontakt, z. B. beim Geschlechtsverkehr (oral, genital) oder beim Geburtsvorgang. Bei Männern verursacht die urethrale Infektion meist akute Symptome, die in der Regel zu frühzeitiger Behandlung führen. Häufig bestehen gleichzeitig rektale und/oder pharyngeale Infektionen, die jedoch meist unerkannt bleiben. Bei Frauen verläuft die Infektion häufig asymptomatisch mit einem deutlich erhöhten Risiko aufsteigender Infektionen. Die Gonorrhö ist neben der Chlamydien-Infektion bei der Frau eine wesentliche Ursache chronischer Entzündungen des kleinen Beckens, tubarer Sterilität oder ektoper Schwangerschaften. Entscheidend für die Verbreitung ist der häufig symptomlose Verlauf.
Therapie der ersten Wahl ist heute die Einmalgabe von Ceftriaxon (1 g i. m./i. v.) plus Azithromycin (1,5 g p. o.). Nachdem sich in der Vergangenheit bereits eine Resistenzrate von bis zu 73% gegen Chinolone gezeigt hat, wird heute auch von Resistenzen gegen Azithromycin und Cephalosporine berichtet.
Listerine zur Prävention?
Ein ganz neuer Ansatz kommt aus Australien: Die Mundspüllösung Listerine soll zur Prävention und Kontrolle der Gonorrhö eingesetzt werden. Der Hersteller hat bereits 1879 die Therapie von Gonorrhö als mögliches Einsatzgebiet von Listerine beworben. Über 130 Jahre später zeigte eine In-vitro-Studie, dass die Behandlung mit Listerine (Cool Mint und Total Care) zu einer signifikanten Reduktion von N. gonorrhoeae auf der Agarplatte führte. Die eingesetzten Mundspüllösungen enthalten neben Ethanol die ätherischen Öle Thymol, Cineol, Menthol und Methylsalicylat.
In einer randomisierten klinischen Studie wurde der Ansatz mit 196 Männern, die Sex mit Männern haben, untersucht. Bei 58 (30%) von ihnen wurde eine pharyngeale Gonorrhö diagnostiziert. Diese Probanden spülten ihren Mund eine Minute lang entweder mit Listerine Cool Mint oder Kochsalz-Lösung. Bei 52% der Probanden aus der Listerine-Gruppe wurde danach ein auf N. gonorrhoeae positiver Abstrich festgestellt verglichen mit 84% in der Kontrollgruppe.
Insgesamt wäre der tägliche Gebrauch einer Mundspüllösung bei Risikopersonen als kostengünstige Präventionsstrategie zu bewerten. Wie Dr. Petra Spornraft-Ragaller vom Universitätsklinikum Dresden die Idee einschätzt, lesen Sie im Interview ab S. 29.
Der Hersteller Johnson & Johnson jedenfalls distanziert sich auf Nachfrage von dieser Anwendung von Listerine und betont, die Studie weder initiiert noch finanziert zu haben. |
Quelle
Chow EPF et al. Sex Transm Infect 2017;93(2):88-93
Leitlinie „Gonorrhoe bei Erwachsenen und Adoleszenten“, AWMF-Register Nr. 059/004, Stand: 22.1.2014.
RKI-Ratgeber für Ärzte: Gonorrhö (Tripper)
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