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Apothekertage
Westfälisch-lippischer Apothekertag
tmb | Der 6. Westfälisch-lippische Apothekertag am 18. und 19. März in Münster stand unter dem Motto „Vertrauen und Vernetzung“. Gemeint waren das Vertrauen der Patienten in die Beratung der Apotheker und die Vernetzung im Gesundheitswesen, erklärte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Politisch stand die Rede von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) im Mittelpunkt, der die SPD wegen ihrer Blockadehaltung beim Rx-Versandverbot kritisierte. Mitte März bestand noch Aussicht, das Rx-Versandverbot vor der Bundestagswahl umzusetzen. Gröhe erklärte, es liege am (SPD-geführten) Bundeswirtschaftsministerium, die Notifizierung bei der EU einzuleiten. Gröhe würdigte die Apotheken, die für viele Menschen erste Anlaufstelle im Gesundheitswesen seien. Er bekannte sich zu Apothekenpflicht, Fremd- und Mehrbesitzverbot und Freiberuflichkeit und erklärte: „Wir brauchen mehr Wertschätzung von Beratung und nicht mehr Relativierung von Beratung.“ Gröhe beschuldigte die EU-Versandapotheken, den Kompromiss aufgekündigt zu haben, dass der Rx-Versand bei geltender Preisbindung erlaubt sein könne. Darum sei nun das Rx-Versandverbot nötig, ein milderes Mittel sei nicht zu finden. Der Minister sei überrascht, dass die SPD jetzt Marktradikalität einfordere. Dass er als „Apothekenminister“ bezeichnet werde, empfinde er nicht als Beschimpfung. Er sehe sich in erster Linie als „Versichertenminister“. Zum Medikationsplan stellte er den Apothekern eine Vergütung in Aussicht, wenn dieser in Apotheken künftig elektronisch bearbeitet werde.
Die Schirmherrin des Kongresses, die damalige nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Die Grünen), betonte den Stellenwert der wohnortnahen Versorgung und sagte den Apothekern: „Wir brauchen Sie. Wenn wir die Apotheken nicht hätten, hätten wir keine adäquate Versorgung in Stadt und Land.“ Beim Rx-Versandverbot sei sie mit Gröhe und ihrer bayerischen Amtskollegin Huml einig. „Ich finde es zutiefst bedenklich, dass die SPD dem EU-Notifizierungsverfahren immer noch im Wege steht“, mahnte Steffens. Sie habe das Gefühl, man sitze das einfach aus. „Wir gehen in eine wirklich unklare Situation“, wenn es nicht bis zur Bundestagswahl auf den Weg gebracht werde, erklärte Steffens damals. Außerdem plädierte sie für mehr Vernetzung und Digitalisierung im Gesundheitswesen. Beim Medikationsplan hätte sie die Patienten entscheiden lassen, ob sie ihre Arzneimitteltherapiesicherheit über ihre Apotheke steuern lassen möchten. Steffens erklärte, der Apotheker als Heilberuf habe eine andere Aufgabe, als möglichst billig zu sein. Sie forderte, das Berufsbild der Apotheker weiterzuentwickeln und Apotheke „breiter“ zu denken.
Die Kongressteilnehmer konnten über 50 Aussteller besuchen und erlebten ein vielfältiges Fortbildungsprogramm. Themen waren beispielsweise das Datensammeln als Schlüssel für die Zukunft, der wissenschaftliche Umgang mit großen Datenmengen, der Medikationsplan und verschiedene Aspekte des Umgangs mit Cannabis in der Apotheke. Zum Abendprogramm in der Jovel Music Hall gehörten ein Improvisationstheater mit dem Comedian Bernhard Hoëcker und Aktionen zum Kinderhilfsprojekt „Eine Dosis Zukunft“. (DAZ 12, S. 74) |
Sächsischer Apothekertag
Der 15. Sächsische Apothekertag fand am 1. und 2. April am Flughafen Dresden International statt. Nach der Begrüßung durch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, der als Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer Gastgeber war, folgte das politische Programm unter dem Titel „Quo vadis, Europa – Gesundheitspolitik am Scheideweg?“. Dr. Fritz Jaeckel, sächsischer Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, blickte dafür auf das EuGH-Urteil und die Bemühungen von Bundesgesundheitsminister Gröhe um das Rx-Versandhandelsverbot zurück. Prof. Dr. Klaus Rennert, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, betrachtete die freien Berufe im Licht der EU-Binnenmarktstrategie. Dabei ging es insbesondere um die Versuche der EU-Kommission, mehr Einfluss auf nationalstaatliche Regelungen zur Ausübung der freien Berufe zu nehmen. Diese Überlegungen griff Rennert später auch beim Deutschen Apothekertag in Düsseldorf auf (siehe unten). Beim Sächsischen Apothekertag wurden die europapolitischen Themen ebenfalls in einer Podiumsdiskussion vertieft. Außerdem wurden die Förderpreise der Sächsischen LAK verliehen.
Auch die Fortbildung gehörte zum Sächsischen Apothekertag. Beim pharmazeutischen Kongress unter dem Motto „Für mehr Durchblick“ ging es um die Prophylaxe und Therapie von Augenerkrankungen. Dazu gehörten auch Veranstaltungen für Pharmazie-Ingenieure und PTA, ebenfalls über Opthalmologika. |
Bayerischer Apothekertag
Beim Bayerischen Apothekertag vom 5. bis 7. Mai in Würzburg stand die Weiterentwicklung des Apothekerberufs im Mittelpunkt. Im politischen Teil setzte sich Landesgesundheitsministerin Melanie Huml für die Apotheker ein und erklärte, sie habe Apotheker „aus Fleisch und Blut“ lieber als jede Online-Apotheke. Versender würden „Rosinen herauspicken“. Da die Rx-Preisbindung „die Existenzgrundlage der Landapotheken“ sei, habe sie sich auch im Bundesrat für das Rx-Versandverbot eingesetzt. Außerdem forderte sie die dynamische und regelmäßige Anpassung des Festzuschlags. In der politischen Diskussionsrunde stellte Harald Weinberg (Die Linke) ähnliche Forderungen. Die Linken würden die Bürgerversicherung einführen und den Versandhandel sowie die Rabattverträge abschaffen. Dagegen erklärte die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar, es sei eine „Illusion“ zu diesem Zeitpunkt noch an das Rx-Versandverbot zu glauben. Der Gesetzentwurf bringe Probleme für den Botendienst und die Spezialversender mit sich. Doch auch Dittmar wolle auf die Apotheken vor Ort „niemals verzichten“ und forderte, das ARMIN-Modell in die Regelversorgung zu überführen.
Auf der Grundlage eines Vortrags von Prof. Dr. Hartmut Derendorf, University of Florida, wurde über die Weiterentwicklung des Pharmaziestudiums in Deutschland diskutiert. Derendorf stellte das US-amerikanische Pharmaziestudium vor, das seit 1990 in Richtung Patientenorientierung umstrukturiert worden sei. Im Mittelpunkt stehe der Patient und nicht das Arzneimittel. Daraufhin werde das Medikationsmanagement dort auch in öffentlichen Apotheken praktiziert. Beispielsweise im Ashville-Projekt habe sich auch der wirtschaftliche Vorteil gezeigt. Jeweils die Hälfte der Diabetiker im Ort sei dort konventionell oder mit Medikationsmanagement versorgt worden. Trotz höherer Kosten für Apotheker habe das Medikationsmanagement 500 Dollar pro Jahr und Patient eingespart und die Zahl der Krankheitstage reduziert. Diese Erfahrungen hatte der BPhD in ein Thesenpapier zur Reform des Pharmaziestudiums aufgenommen. BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer erklärte, Anfang 2018 werde klar sein, welche Auswirkungen die im Perspektivpapier 2030 gesteckten Ziele für die Ausbildung und die Approbationsordnung haben würden. Weitere Diskussionsteilnehmer waren die Hochschullehrer Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe, Würzburg, Prof. Dr. Kristina Friedland, Erlangen, und Prof. Dr. Jörg Heilmann, Regensburg sowie Willie Georgi als Vertreter des BPhD. Die Hochschullehrer waren sich einig, dass die naturwissenschaftliche Basis und die vielfältigen beruflichen Möglichkeiten nach dem Studium erhalten bleiben müssten. Im US-amerikanischen Curriculum vermisste Holzgrabe die Technologie und die Biologie. Heilmann und Holzgrabe wollten keinesfalls auf die Analytik verzichten, denn ein Fach müsse das naturwissenschaftliche Denken und Arbeiten vermitteln, erklärte Heilmann. Allerdings gab es einen Konsens mit Georgi, zu Beginn des Studiums die Gewichtung zu ändern. Einigkeit bestand auch, die Klinische Pharmazie zu stärken und endlich an jedem Pharmaziestandort einen Lehrstuhl dafür einzurichten. Die Länder müssten dafür zusätzliche Mittel bereitstellen oder die Hochschulen Umstrukturierungen vornehmen. Für weitere diskutierte Ideen erwies sich die Finanzierung als begrenzend. (DAZ 19, Seiten 18 und 76) |
Niedersächsischer Apothekertag
Beim 9. Niedersächsischen Apothekertag am 13. und 14. Mai in Celle konnten die etwa 400 Teilnehmer ein klares Bekenntnis der damaligen Landesgesundheitsministerin Cornelia Rundt zu den Apotheken und eine persönliche Positionierung des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt zur Apothekenhonorierung erleben. Neben dem politischen Programm gab es vielfältige Fortbildung, eine Ausstellung mit 60 Ständen und eine rustikale Abendveranstaltung auf einem historischen Bauernhof.
Ministerin Rundt wolle die flächendeckende Versorgung und die Beratung „face to face“ sichern. Darum sei sie für das Rx-Versandverbot. Mit einem neuen Krankenhausgesetz wolle sie in Niedersachsen als erstem Bundesland Stationsapotheker vorschreiben. Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, betonte das gute Vertrauensverhältnis zur Ministerin und beklagte, dass „Europa“ die Apotheker nur als Händler sehe. Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, hob den Einsatz der Apotheker für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS), auch in Zusammenarbeit mit den Ärzten hervor. Die Apotheker erhielten sogar Zustimmung von der Krankenkassenseite. Dr. Jürgen Peter, Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen, sprach sich für ein Rx-Versandverbot aus – zumindest „um Zeit zu gewinnen“. Außerdem bot er den Apothekern an, IT-Konzepte gemeinsam zu gestalten und dies nicht Internetkonzernen zu überlassen.
Im Festvortrag des ersten Veranstaltungstages vertiefte Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Bonn, die AMTS und verglich „Anspruch und Wirklichkeit“ der Pharmakotherapie in Alten- und Pflegeheimen. Wie die AMTS auch außerhalb von Heimen verbessert werden kann, wurde anschließend in einer Runde diskutiert, die inhaltlich auf das Hausarztmodell der AOK Niedersachsen und das dazugehörige AMTS-Projekt zielte. Dabei können Ärzte Apotheker mit der Durchsicht der Medikation beauftragen oder eine Verordnung darüber ausstellen.
Am zweiten Veranstaltungstag vermittelte DAZ-Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel, Ideen, wie sich die Apotheker auf das erwartete Gutachten zur Honorierung vorbereiten sollten und welche Optionen langfristig für die Weiterentwicklung der Honorierung bestehen. Er machte dabei die vielfältigen Möglichkeiten eines Fonds deutlich. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt gab einen Überblick über die apothekenrelevanten politischen Themen, wobei er die freiberufliche Leistungserbringung betonte. Als größte Herausforderung betrachte er das europäische Dienstleistungspaket. Zur Honorierung äußerte Schmidt erstmals seine persönliche Meinung. Er präferiere ein Einschreibemodell, weil es die flächendeckende Versorgung sichere. Apotheken nur in Notfällen zu nutzen, sichere nicht deren Bestand und bei einer „Kassenapothekerlichen Vereinigung“ sehe er die Gefahr einer Bedarfsplanung.
Im Festvortrag des zweiten Veranstaltungstages über „Alltagsthemen der Statistik“ präsentierte Prof. Dr. Björn Christensen, Kiel, nachdenkliche und humorvolle Beispiele zu den Tücken von Verhältniszahlen, Mittelwerten und Daten ohne intuitive Aussagekraft. Im letzten Vortrag verabschiedete sich Prof. Dr. Volker Fintelmann, Hamburg, von den Apothekern. Denn er werde sein Amt als Präsident der Deutschen Akademie für Homöopathie und Naturheilverfahren aus Altergründen abgeben. Er stehe für ein „sowohl als auch“ von Schulmedizin und Naturheilverfahren. An beiden Tagen gehörten außerdem mehrere Fortbildungsvorträge zum Programm. (DAZ 20, Seiten 15, 16, 68) |
Thüringer Apothekertag
Am 9. und 10. Juni fand im Comcenter Brühl in Erfurt der 14. Thüringer Apothekertag statt. Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes, präsentierte die ABDA-Kampagne „Näher am Patienten“, die auch eine Patientin aus seiner Apotheke beschreibt. Landessozialministerin Heike Werner (Die Linke) betonte das Engagement der Linkspartei für den Erhalt der inhabergeführten Apotheken. So war die rot-rot-grüne Landesregierung an der Bundesratsinitiative zum Rx-Versandverbot beteiligt. Birgit Dzuik (Barmer-Landesvertretung) erklärte, die künftigen Herausforderungen in der Arzneimitttelversorgung seien nur durch die enge Zusammenarbeit regionaler Partner zu lösen. Der Versand könne wohnortnahe Leistungen nicht ersetzen, aber eine sinnvolle Ergänzung sein, so Dzuik.
Dr. Reinhard Giese, langjähriger Geschäftsführer des Thüringer Apothekerverbandes, wurde mit der Trommsdorff-Medaille ausgezeichnet, mit der die Landesapothekerkammer Thüringen besondere Verdienste würdigt. Dazu verwies Kathrin Hoyer, Beigeordnete der Stadt Erfurt, auf den Namensgeber, der 1770 mit seinem „Apothekerkränzchen“ die Fortbildung für Apotheker ins Leben gerufen habe. Giese erklärte, Apotheker könnten Erstaunliches leisten, wenn sie bereit seien, Verantwortung zu übernehmen. Daher sollten die Krankenkassen den Apothekern mehr Verantwortung geben, forderte Giese. Ronald Schreiber, Präsident der Landesapothekerkammer Thüringen, bekräftigte die Forderung nach dem Rx-Versandverbot. Die Alternativvorschläge seien kontraproduktive Scheinlösungen. Für die flächendeckende Versorgung sei der Versand nicht nötig. Die Politik müsse handeln, weil der EuGH in Bereiche eingegriffen habe, die vertragsgemäß Sache der Mitgliedstaaten seien. Sonst bestehe die Gefahr, dass auch in anderen Bereichen in die Subsidiarität eingegriffen werde. Wenn Gerichte und nicht Parlamente Gesetze machen, würden die Interessen von Aktiengesellschaften über den Verbraucherschutz gestellt, kritisierte Schreiber. Zugleich plädierte er für ein von Vielfalt geprägtes Europa.
Um Europa ging es auch in den Festreden von prominenten Politikern. Gregor Gysi (Die Linke) suchte nach Lösungsansätzen für ein Europa in der Krise. Ministerpräsident a. D. Lothar de Maizière hinterfragte, ob große Koalitionen eine Gefahr für die Demokratie darstellen. In der anschließenden Runde diskutierten Politiker aus Thüringen zum Thema „Demokratie in Europa – ein Auslaufmodell?“. Teilnehmer waren Stephanie Erben (Die Grünen), Carsten Schneider (SPD), Marion Eich-Born (CDU), Jörg Kubitzki (Die Linke) sowie Jens Gobrecht vom Brüsseler ABDA-Büro und Stefan Fink. Dabei ging es auch um das Rx-Versandverbot, aber es ergaben sich keine neuen Erkenntnisse zu den Positionen der Parteien.
Zum Apothekertag gehörte wieder der traditionsreiche Thüringer Abend mit musikalischen Darbietungen von Apotheker Dr. Siegfried Schellin. Mit dem Song „Alle lieben ARMIN“ wurde das Modellprojekt sogar besungen. Am zweiten Tag fand die Fortbildung zu mehreren Aspekten der Digitalisierung und zu Cannabis in der Apotheke statt. (DAZ 24/62) |
Deutscher Apothekertag
Eröffnung. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bekräftigte seine Absicht, das Rx-Versandverbot in der nächsten Legislaturperiode durchzusetzen, und kritisierte erneut die Blockadehaltung der SPD dagegen. Gröhe erklärte, Sachleistungsprinzip und Schnäppchenjagd gingen nicht zusammen. Er lobte die Flexibilität der Apotheker und die Qualität ihrer Arbeit. Freiberuflichkeit, Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie die Rx-Preisbindung würden den nötigen Rahmen dafür bilden. Gröhe kritisierte das Verhalten der Krankenkassen in der Phase der Abschaffung der Zyto-Ausschreibungen und wiederholte einige für Apotheker positive Aussagen aus seiner Rede beim Westfälisch-lippischen Apothekertag im März (siehe oben), hielt sich aber mit konkreten Versprechen zur künftigen Honorierung der Apotheker beim Medikationsplan zurück.
Politikerrunde. In der politischen Runde mit Maria Michalk (CDU), Kathrin Vogler (Die Linke), ABDA-Vorstandsmitglied Cynthia Milz und BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer herrschte viel Einigkeit, insbesondere zum Rx-Versandverbot und zur notwendigen Anpassung des Apothekenhonorars. Vogler beklagte, es sei eine „Schande“, dass fast ein Jahr nach dem EuGH-Urteil noch nichts dagegen passiert sei. Michalk entgegnete, ihre Fraktion sei „jeden Tag bereit“ für den Gesetzentwurf von Gröhe gewesen, aber die SPD habe nicht gewollt. Kiefer erklärte, die Untätigkeit sei „ein fatales Signal“ und drücke die Stimmung der Apotheker. Milz betonte die Bedeutung der Apotheken für Alte und Kranke. Die Apotheke vor Ort sei der bequemste Versorgungsweg. Vogler forderte, die Zuzahlung der Patienten abzuschaffen, während Michalk darin ein bewährtes Instrument sieht. Beide zeigten sich offen für Präventionsmaßnahmen der Apotheken.
Lagebericht der ABDA. Der teilweise emotionale Lagebericht von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt war ein Plädoyer für das Persönliche. Von politischen Grundüberzeugungen und den tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen durch die Digitalisierung leitete Schmidt zu Apotheken-Themen über. Er sehe Modellprojekte für neue apothekerliche Dienstleistungen auf einem guten Weg, erklärte aber den Medikationsplan auf Papier und ohne Apotheker für gescheitert. Schmidt beklagte Lieferengpässe und kritisierte Apotheker, die durch Exportgeschäfte dazu beitragen würden. Als Folge des EuGH-Urteils drohe der Versand von der Ausnahme zur Regel zu werden und damit die Prinzipien des Versorgungssystems auszuhöhlen. Die einzig konsequente Antwort sei das Rx-Versandverbot. Schmidt mahnte, die Digitalisierung müsse den Patienten dienen und dürfe kein Selbstzweck werden.
Geschäftsbericht der ABDA. ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz forderte, Entscheidungen im Gesundheitswesen an der Nachhaltigkeit zu orientieren, anstatt zu experimentieren wie beim Arzneimittelausgabeautomaten in Hüffenhardt oder bei den Folgen des EuGH-Urteils zur Preisbindung. Als Erfolge der ABDA nannte er das ARMIN-Modell, die Gründung der NGDA, die begonnene Diskussion über die Weiterentwicklung des Pharmaziestudiums, die Kampagnenfähigkeit und das Engagement für erfolgreiche Gesetzgebungsverfahren.
Themenforum „Europa und Gesundheitspolitik“. Prof. Dr. Klaus Rennert, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, begründete die Regulierung der freien Berufe im Gesundheitswesen insbesondere mit dem Schutzbedürfnis der Patienten und kritisierte die dagegen gerichteten Initiativen der EU-Kommission, weil sie die Regelungshoheit der Mitgliedsländer geringschätzen, die Gewaltenteilung infrage stellen und auf untauglichen Begründungen aufbauen würden. ABDA-Syndikus Michael Jung warnte vor der Transparenzinitiative der EU-Kommission, die zu neuen Vertragsverletzungsverfahren führen könne. Daher sollte eine Bereichsausnahme für die Heilberufe angestrebt werden. Rolf-Dieter Krause, bis 2016 Leiter des ARD-Studios Brüssel, plädierte für eine Konsolidierung der EU, anstatt immer mehr zu vereinheitlichen. Die anschließende Diskussionsrunde blieb bei allgemeinen europapolitischen Themen.
Eröffnung der Expopharm. Der DAV-Vorsitzende Fritz Becker forderte von den Krankenkassen faire Kompromisse und von der Politik eine Rechtsgrundlage für die Abrechnung pharmazeutischer Dienstleistungen. Die Marktbeteiligten sollten Exportgeschäfte hinterfragen und dabei an mögliche Lieferengpässe denken. Der Phagro-Vorsitzende Dr. Thomas Trümper lobte die Leistungen des deutschen Apothekensystems im internationalen Vergleich. Der BAH-Vorsitzende Jörg Wieczorek bekräftigte die Unterstützung des BAH für inhabergeführte Apotheken und für das Rx-Versandverbot. Der stellvertretende vfa-Vorsitzende Frank Schöning würdigte den sicheren „Vertriebskanal Apotheke“ und betonte das gemeinsame Projekt Securpharm. Wolfgang Späth, Vorsitzender von Pro Generika, beklagte Lieferengpässe und forderte dagegen die Mehrfachvergabe von Rabattverträgen und ein Verbot von Ausschreibungen für versorgungskritische Wirkstoffe.
Anträge. Die folgenden (hier stark verkürzt dargestellten) Anträge wurden von der Hauptversammlung angenommen:
- Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln soll verboten werden.
- Es sollen zukunftsweisende Konzepte entwickelt und umgesetzt werden, um die wohnortnahe Versorgung durch Apotheken zu stärken. Damit soll die Arzneimittelversorgung besonders in ländlichen Regionen verbessert werden.
- Der Gesetzgeber soll sicherstellen, dass auch für Notfalldepots geeignete Arzneimittel zur Verfügung stehen, die europäische Standards erfüllen.
- Es sollen bessere Rahmenbedingungen gegen Lieferengpässe geschaffen werden. Rabattverträge sollen nicht nur auf den Preis zielen. Ausschreibungen für kritische Wirkstoffe sollen gestoppt werden.
- Die Lieferkette über den pharmazeutischen Großhandel soll sichergestellt werden.
- Rezepturmäßig hergestellte Parenteralia sollen an andere Apotheken weitergegeben werden dürfen.
- Die Ausnahmen in § 4 Absatz 1 Nr. 1f BtMG sollen so erweitert werden, dass gefüllte Schmerzpumpen zur Versorgung ambulanter Palliativpatienten an andere Apotheken weitergegeben werden dürfen.
- Parenteralia sollen in angemessenen Packungsgrößen und mit Informationen über die Stabilität angeboten werden.
- Die Bundesregierung soll sich für die Produktion von und die Forschung zu Antibiotika in Europa einsetzen.
- Das Studienplatzangebot in Pharmazie soll erhöht werden.
- Für Studienabsolventen der Pharmazie sollen Anreize zur Arbeit im ländlichen Raum geschaffen werden.
- Beim Medikationsplan soll pharmazeutische Kompetenz einbezogen und honoriert werden.
- Die Entscheider im Arzneimittelsektor sollen die Probleme geriatrischer Patienten noch stärker berücksichtigen.
- Die öffentlichen Apotheken sollen mehr in die Prävention einbezogen werden.
- Die niedersächsische Initiative für Apotheker auf Krankenhausstationen soll auf die Bundesebene ausgedehnt werden.
- Im Pharmaziestudium sollen verstärkt Kenntnisse zum evidenzbasierten Einsatz von OTC-Arzneimitteln vermittelt werden.
- Für Mediziner und Pharmazeuten im Praktikum sollen gemeinsame Ausbildungsinhalte und -veranstaltungen etabliert werden.
- Bundesregierung und europäische Institutionen sollen die nationale Verantwortung für die Gesundheitspolitik stärken und dabei Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit wahren.
- Bundesregierung und EU-Kommission sollen klarstellen, dass die Regulierung des Arzneimittelmarktes zum Gesundheitswesen und damit in die nationale Verantwortung gehört.
- Die freien Berufe sollen stärker unterstützt werden, um die Daseinsvorsorge der Bevölkerung zu sichern. Es soll erwogen werden, dieses Prinzip in der ganzen EU einzuführen.
- Apotheken sollen pseudonymisierte Daten für die Versorgungsforschung an das DAPI liefern dürfen.
- In den §§ 129 und 140a SGB V sollen Rechtsgrundlagen für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen von Apotheken geschaffen werden.
- Die Importquote für Arzneimittel soll abgeschafft werden.
- Bei der Digitalisierung soll die flächendeckende Versorgung durch Apotheken vor Ort erhalten bleiben.
- Der Nutzwert von EDV-Systemen zur wissensgestützten Entscheidungsfindung in Apotheken soll geprüft werden.
- Heilberufler und GKV sollen in einen kritischen Dialog über die Entwicklung der elektronischen Gesundheitsakte treten.
- Die Entwicklung der elektronischen Patientenakte und des elektronischen Patientenfachs soll intensiviert werden.
- Die Apotheker sollen alle sinnvollen Möglichkeiten der Digitalisierung zur Unterstützung der heilberuflichen Tätigkeit nutzen. Insbesondere der Aufbau eines eigenen sicheren Netzes ist eine Voraussetzung dafür.
- Es sollen Schnittstellen für die alltagstaugliche elektronische Kommunikation zwischen Apothekern und Ärzten definiert werden.
- Es soll geprüft werden, eine Schnittstelle für den Austausch von Retaxationsdaten zwischen Apotheken und Apothekerverbänden zu definieren.
- Daten über außer Verkehr gesetzte Arzneimittel und Medizinprodukte sollen fünf statt zwei Jahre zur Verfügung stehen.
- Die Apotheker sollen bei der EU stark und wahrnehmbar präsent sein.
Die folgenden Anträge wurden in Ausschüsse verwiesen:
- Die Aufsichtsbehörden sollen bei Revisionen in Labor und Rezeptur Augenmaß wahren.
- Die heilberuflichen Kräfte sollen gebündelt werden, um die Impfquote zu steigern.
- Medikationsdaten sollen in Apotheken für die Beratung und zur Verbesserung der AMTS gespeichert werden dürfen.
- Die ABDA-Datenbank soll auf mobilen Endgeräten zur Verfügung gestellt werden.
- Es soll eine App entwickelt werden, mit der andere Notdienstapotheken und Ärzte die Verfügbarkeit von verordneten Arzneimitteln in Notdienstapotheken in einem bestimmten Umkreis prüfen können.
Weitere Anträge wurden übergangen oder abgelehnt. (AZ 38 und DAZ 38, S. 46) |
Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern
Der Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern fand am 11. November wieder im Rahmen eines Fortbildungswochenendes zusammen mit der Scheele-Tagung statt, diesmal in Rostock-Warnemünde. Wie schon seit einigen Jahren gab es keine Grußworte von Politikern. Neu war, dass ein im engsten Sinne pharmazeutisches Thema gewählt wurde: „Wie apothekengerecht sind unsere Prüfvorschriften?“ Dass der weitaus größte Teil der etwa 270 Besucher der Scheele-Tagung auch zum Apothekertag kam, sprach für diese Wahl.
Dr. Dr. Georg Engel, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, erklärte, die Apotheken seien „24 Stunden 7 Tage“ immer da und unverzichtbar. Um diese Versorgung vor Ort zu sichern, fordere die Kammer das Rx-Versandverbot. Außerdem seien die Apotheker zuständig für Arzneimittel, die die Industrie nicht anbieten könne oder wolle. Die Qualität der dabei verwendeten Ausgangsstoffe war das Thema der fünf Impulsvorträge und der Diskussion.
Die Apothekenbetriebsordnung lässt andere Prüfmethoden als das Arzneibuch zu, wenn sie zu vergleichbaren Ergebnissen führen, erläuterte Dr. Andreas Toman, Rostock, und nannte als Beispiel die NIR-Spektroskopie, die Dr. Alexander Wolter, Geschäftsführer von HiperScan, Dresden, näher vorstellte. Wesentlich für das Ergebnis seien die chemometrische Auswertung und eine validierte Datenbank mit Vergleichsspektren, aber die Apotheker trügen die Verantwortung für den Einsatz. Prof. Dr. Andreas Link, Greifswald, zeigte das langfristige Potenzial für instrumentelle Analyseverfahren auf, auch für NMR-Geräte. Dr. Holger Reimann, Eschborn, beschrieb den Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) als apothekentaugliche Alternative zu vielen Arzneibuchmonographien und warb für einen risikobasierten Ansatz, bei dem das Restrisiko kalkulierbar sein müsse. Dem widersprach Dr. Andreas Schieweck, Leiter der Arzneimittelüberwachung in Schwerin. Er betrachte beispielsweise wirkstofffreie Grundlagen nicht als risikoarm, weil eine Untermischung mit einem Wirkstoff bei einer eingeschränkten Prüfung nicht erkannt werde. Schieweck beklagte, dass die Apothekenbetriebsordnung keine Lieferantenprüfung vorsehe. Auch Apotheken müssten ihre Lieferanten bewerten und in ihrem QMS Prüfvorschriften festlegen. Als Fazit stellte Engel fest, dass neue analytische Methoden auch in der Apotheke Fortschritt bringen. Um den Austausch zur Prüfung von Ausgangsstoffen zu fördern, werde die Apothekerkammer auf ihrer Internetseite ein Forum dafür einrichten.
Bei der Scheele-Tagung ging es um das Thema „Zwischen Missbrauch und Medizin: Von Cannabis auf Rezept bis zur Therapie chronischer Entzündungen“, wobei Cannabis einen Schwerpunkt bildete. Zum Programm des Wochenendes gehörten auch der Begrüßungsabend und der traditionsreiche Gesellschaftsabend der Scheele-Tagung. (DAZ 46, S. 80)
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