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Apothekenhonorierung
Kurzes Auf, viele Abs
Die Apothekenhonorierung war auch 2017 ein Dauerthema
tmb | Die Honorarforderungen sind ein berufspolitisches Dauerthema der Apotheker. 2017 war es vielfach präsent, aber die grundlegenden Probleme wurden nicht gelöst und die Zukunftsaussichten haben sich sogar erheblich verdunkelt. Der Mai bot mit erhöhten Honoraren für Rezepturen und BtM zunächst erfreuliche Aspekte für die Apotheker. Doch zum Jahresende sorgte die Vor-Version des Honorargutachtens im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums für den Tiefpunkt. Die Vorschläge zur Änderung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zielten auf eine Einbuße von durchschnittlich 45.000 Euro pro Apotheke. Über das Jahr hinweg wurde die Honorardiskussion durch zwei wesentliche Aspekte geprägt: die Reaktionen auf das EuGH-Urteil von 2016 zur Preisbindung und das Warten auf das Honorargutachten.
Mehr Geld für Rezepturen und BtM
Eine aus Apothekersicht positive Neuerung zur Honorierung war das GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG). Damit wurde der zuvor nur für Rx-Fertigarzneimittel angewendete Festzuschlag von 8,35 Euro gemäß AMPreisV auch für verschreibungspflichtige Rezepturen eingeführt. Außerdem wurden die Arbeitspreise für klassische Rezepturen um jeweils 1 Euro auf 3,50 Euro, 6 Euro und 8 Euro angehoben. Der seit Jahrzehnten unveränderte BtM-Zuschlag wurde von 26 Cent auf 2,91 Euro erhöht und auf T-Rezepte ausgedehnt. Ausschreibungen für Impfstoffe und Zytostatika-Zubereitungen wurden abgeschafft. Der Bundestag beschloss das Gesetz bereits im März, aber es trat erst am 13. Mai in Kraft.
Impfstoff- und Zyto-Ausschreibungen abgeschafft
Die Abschaffung der Zyto-Ausschreibungen hatte kurzzeitig ein problematisches Nachspiel. Eine dreimonatige Übergangsfrist, in der die bisherigen Verträge noch gelten sollten, interpretierten einige Krankenkassen so, dass in dieser Zeit auch die Exklusivität der Verträge bestehen bliebe. Sie drohten Apotheken mit Retaxationen, wenn sie in dieser Zeit Zytostatika-Zubereitungen ohne Vertrag abrechnen würden. Daraufhin kam diese Regelung erst drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Anwendung.
Zum Weiterlesen: Die wichtigsten DAZ-Beiträge zur Honorardebatte in diesem Jahr
Nach dem EuGH-Urteil stehen deutsche Apotheken in einem unfairen Preiswettbewerb mit ausländischen Versendern. Die Alternative wären Rx-Boni auch im Inland. Beide Szenarien haben dramatische Folgen, analysierte Thomas Müller-Bohn:
„Pest oder Cholera? Eine wirtschaftliche Analyse der Optionen nach dem EuGH-Urteil“, DAZ 3, S. 22.
Dazu kommt, dass das packungsbezogene Honorar der Apotheken seit 2004 nur sehr unzureichend angepasst wurde, wie Uwe Hüsgen eindrucksvoll zeigte:
„Von der Politik vergessen? Die Entwicklung des Apothekenhonorars seit Einführung des Kombimodells“, DAZ 43, S. 24.
Diese Situation macht es noch dringlicher, sich grundsätzliche Gedanken über eine sinnvolle Weiterentwicklung des Apothekenhonorars zu machen. Dazu wurden 2017 in der DAZ verschiedene Modelle diskutiert:
Müller-Bohn schlug eine Fonds-Lösung ähnlich dem Nacht- und Notdienstfonds vor, um einen Teil der Vergütung zur Finanzierung neuer Dienstleistungen und für eine Strukturkomponente zu verwenden:
„Ein neuer Weg zum sicheren Ertrag? Gedanken zur langfristigen Zukunft der Apothekenhonorierung“, DAZ 20, S. 26.
Viel grundsätzlicher möchte Franz Stadler die Honorierung umstellen. Er schlägt ein Kommissionsmodell vor, in dem die Arzneimittel bis zur Abgabe im Eigentum des Herstellers verbleiben:
„Auf ein neues Fundament stellen. Wie eine Neuordnung der ambulanten Zytostatikaversorgung aussehen könnte“, DAZ 23, S. 22.
Reinhard Herzog dagegen mahnt, die Vorteile des heutigen packungsbezogenen Kombimodells nicht zu vergessen. Eine Reform könnte der Konzentration auf wenige, dafür große Apotheken einen weiteren Schub verpassen:
„Drahtseilakt in luftiger Höhe. Apothekenhonorar – Nachjustieren statt Neugestalten?“, DAZ 44, S. 22.
Diese notwendige Diskussion wurde dann ab Mitte November von den durchgesickerten Ergebnissen aus dem Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums überdeckt. In der DAZ nahm Müller-Bohn die zuerst bekanntgewordene Vorab-Version ausgiebig unter die Lupe:
„Das Honorargutachten. Die DAZ-Analyse: Was sind die Probleme? Welche Lösungsansätze gibt es?“, DAZ 50, S. 11.
Dabei wurde klar: Viele Fragestellungen, die Müller-Bohn schon im Mai aufgeworfen hatte, als er die Fragen der Gutachter an die Apotheken analysierte, müssten dringend beantwortet werden – auch von der Apothekerschaft:
„Eckpfeiler setzen! Analyse zur Vorbereitung auf das Honorargutachten“, DAZ 20, S. 30.
Als Ersatz für die Zyto-Ausschreibungen wurden krankenkassenübergreifende Rabattverträge über die einzusetzenden Fertigarzneimittel eingeführt. Die ersten Verträge dieser Art traten zum 1. Oktober in Kraft. Außerdem beauftragte das AMVSG den Deutschen Apothekerverband und den GKV-Spitzenverband, neue Regeln für Zytostatika-Zubereitungen in der Hilfstaxe auszuhandeln. Doch die Verhandler einigten sich bis zum Fristende am 31. August nicht und riefen dann die Schiedsstelle an. Mit diesen Verhandlungen verbanden die Apotheker die Aussicht, auch über die seit vielen Jahren unveränderten Preise für Ausgangsstoffe klassischer Rezepturen in der Hilfstaxe sprechen zu können. Doch im Laufe des Jahres wurden dazu keine Ergebnisse erreicht. Auch alte Auslegungsfragen zur Rezepturtaxierung und neuere Fragen zur Preisbildung bei der Opiat-Substitution blieben offen.
Beliebige Skonti und Rabatte des Großhandels erlaubt
Eine wesentlich bedeutsamere Unsicherheit zu den Einkünften der Apotheken klärte sich allerdings. Der Rechtsstreit über die Konditionen des Großhändlers AEP hatte zunächst für Verunsicherung gesorgt. Es ging darum, ob Großhändler Skonti auf Rx-Arzneimittel geben dürften, die insgesamt zu höheren Einkaufsvergünstigungen führen als der 3,15-prozentige Großhandelsaufschlag gemäß AMPreisV („Ein Fall für den BGH“, DAZ 28, S. 20). Doch der BGH entschied am 5. Oktober, dass die Großhändler in ihrer Rabattgestaltung frei sind. Die Frage, ob Skonti und Rabatte unterschieden werden müssten, stellte sich damit nicht mehr. Die Apotheker nahmen das Urteil mit großer Erleichterung auf. Doch Politiker bedauerten, dass der BGH auch Rabatte auf den Festzuschlag des Großhandels zuließ (Reaktionen in DAZ 41, S. 11).
Mit Honorarideen gegen das EuGH-Urteil
Das EuGH-Urteil zur Preisbindung vom Oktober 2016 hatte eine Diskussion über die geeignete Reaktion ausgelöst. Besonders Politiker der SPD und der Grünen, die sich nicht der Forderung der CDU/CSU, der Linken und der Apotheker nach einem Rx-Versandverbot anschlossen, regten an, die durch das Urteil verursachte Bedrohung für die Apotheken über eine andere Honorierung abzuwenden. Zu den Ideen gehörten Boni-Verbot, Boni-Begrenzung und – vorgeschlagen von SPD-Fraktions-Vize Karl Lauterbach – ein zusätzliches Beratungshonorar. Doch neue Honorarkomponenten erschienen aussichtslos, weil der EuGH entschieden hatte, dass ausländische Anbieter an keine deutsche Preisbildungsregeln gebunden sind. Im März ging die Bundestagsfraktion der Grünen noch weiter und schlug ein Höchstpreismodell vor, um deutschen Apotheken die Teilnahme am Preiswettbewerb zu ermöglichen. Nach Ansicht der Arzneimittelexpertin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, würden feste Preise die ländlichen Apotheken sogar belasten.
Dagegen zeigte eine Analyse von Thomas Müller-Bohn schon im Januar die drohenden Belastungen für die Apotheken. Wenn durch den Preiswettbewerb mit ausländischen Versendern mittelfristig „nur“ 10 Prozent der Apothekenumsätze wegfielen, könnte dies die Existenz von bis zu 4400 Apotheken bedrohen. Doch die besonders von SPD und Grünen propagierte Idee, auch in Deutschland begrenzte Boni zuzulassen, würde die Apotheken ebenso belasten und zusätzlich die Margen der verbleibenden Apotheken senken. Diese als Kompromiss angepriesene Idee wäre also schlimmer, als vorläufig nichts zu ändern („Pest oder Cholera?“, DAZ 3, S. 22). Die enorme Bedrohung der Apotheken durch das EuGH-Urteil wurde später noch ausführlicher im wettbewerbsökonomischen Gutachten „Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ von Uwe Mai, Cosima Bauer und Heinz-Uwe Dettling dargelegt (s. „Viel Schatten, wenig Licht“ auf S. 16 dieses Jahresrückblicks). Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche schloss aus dem Gutachten jedoch, die Apotheker hätten insbesondere ein Verteilungsproblem zwischen guten und schlechten Lagen. DAZ-Geschäftsführer Christian Rotta warf ihr daraufhin vor, vom nötigen Rx-Versandverbot ablenken zu wollen („Grünes Ablenkungsmanöver“, AZ 32, S. 8). Dass Preiswettbewerb das Versorgungssystem nicht sichert, zeigte auch ein Gutachten im Auftrag des Bundesverbandes der freien Berufe. In Märkten mit asymmetrischer Information würden Preisuntergrenzen demnach die Qualität sichern („Qualitäts- statt Preiswettbewerb“, DAZ 39, S. 20).
Viele langfristige Vorschläge
Die durch das EuGH-Urteil angestoßene Diskussion über die Apothekenhonorierung bot die Chance, an die offenen Fragen zu diesem Thema zu erinnern. Denn einen zukunftssicheren Anpassungsmechanismus für den 2004 eingeführten Festzuschlag gab es auch 2017 noch nicht. Allerdings erstickte das Warten auf das vom Bundeswirtschaftsministerium 2016 in Auftrag gegebene Gutachten zur Apothekenhonorierung (siehe unten) fast jede Diskussion im Ansatz. Eine Ausnahme war der Niedersächsische Apothekertag am 14. Mai in Celle. Thomas Müller-Bohn erklärte dort und in einem DAZ-Beitrag, dass ein Fondsmodell die packungsbezogenen Einnahmen sichern würde und zugleich flexiblere Möglichkeiten für die Honorarausschüttung böte. So seien Strukturförderungen und mit neuen Einnahmen auch Honorare für neue Dienstleistungen möglich („Ein neuer Weg zum sicheren Ertrag?“, DAZ 20, S. 26; „Die Debatte muss weitergehen“, DAZ 25, S. 18). Daraufhin äußerte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erstmals – ausdrücklich als Privatperson – seine Priorität für ein Einschreibemodell. Doch die patientenabhängige Pauschale dürfe nur einen kleinen Teil der Apothekerhonorierung ausmachen. Beim Deutschen Apothekertag wurde zur Honorierung gefordert, eine Rechtsgrundlage für honorierte Dienstleistungen zu schaffen. Denn außerhalb von Modellprojekten verweigerten Krankenkassen die Honorierung von Apothekendienstleistungen mangels einer Grundlage im Sozialrecht.
Doch es gab noch mehr Ideen: Um die Apotheken von den wirtschaftlichen Risiken des Umgangs mit (teuren) Waren zu befreien, schlug Franz Stadler vor, die Arzneimittel in Kommission zu nehmen. Damit würden auch Retaxationen ihren Schrecken verlieren („Das Kommissionsmodell – die Zukunft der Apotheke?“, DAZ 32, S. 22). Dies hatte er zuvor schon im Zusammenhang mit weiteren Ideen für eine Neuordnung der ambulanten Zytostatikaversorgung angeregt („Auf ein neues Fundament stellen“, DAZ 23, S. 22). Zu Zytostatika-Zubereitungen wurde auch empfohlen, mit tagesaktuellen Herstellungen Verwürfe zu vermeiden und damit für Kosteneffizienz in der Herstellung zu sorgen („Tagesaktuell herstellen“, DAZ 5, S. 58). Dagegen stellten Uwe May und Cosima Bauer heraus, dass die Selbstbehandlung mithilfe der Apotheke bereits effektiv ist („Pharmazeutisch effektiv, ökonomisch effizient“, DAZ 7, S. 22).
Uwe Hüsgen erinnerte daran, dass die Anpassung des Festzuschlags weiter ungeklärt war, und forderte im Gutachten „Apotheken: Von der Politik vergessen?“ die überfällige Anpassung („Von der Politik vergessen?“, DAZ 43, S. 24). Reinhard Herzog mahnte, die Vorteile des geltenden Kombimodells zu würdigen, weil es langfristig immerhin für stabile Einnahmen sorgt. Das sei bei anderen Honorarkonzepten längst nicht gesichert („Drahtseilakt in luftiger Höhe“, DAZ 44, S. 22). Im November schlug Gabriele Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, vor, einen Teil des Festzuschlags in einen Fonds umzuleiten und nach anderen Kriterien auszuschütten. Kurz darauf kritisierte Ursula Funke, Präsidentin der Apothekerkammer Hessen, dass Overwiening einen solchen Vorschlag unterbreite, während die zuständige Arbeitsgruppe der BAK ihre Position noch nicht veröffentlicht habe. Doch auf die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe warteten die Apotheker schon sehr lange und erfuhren nichts. In der so angefachten Diskussion signalisierte die ABDA nur die Zielsetzung, allenfalls neue Honorarbestandteile umzuverteilen, aber das bisherige Honorar nicht anzutasten und sich stattdessen um neue honorierte Leistungsangebote zu bemühen.
Honorargutachten mit vernichtenden Vorschlägen
Eine Antwort auf viele Fragen zur Honorierung versprach zunächst ein vom Bundeswirtschaftsministerium im Frühjahr 2016 in Auftrag gegebenes Gutachten. Das Warten darauf war ein wesentlicher Grund, weshalb die ABDA und die Politik die Apothekenhonorierung 2017 nicht auf ihre Tagesordnung setzten. Sehr viele Apotheker wurden schon Anfang Februar mit der Vorarbeit für das Gutachten konfrontiert, als die ausführende Agentur 2HM & Associates per E-Mail umfangreiche Fragebögen an die Apotheken verschickt hatte. Darin wurden detaillierte Fragen zu zahlreichen Einzelaspekten des Apothekenbetriebs gestellt, einschließlich Zeitschätzungen für verschiedene Rezepturen. Da die Umfrage nicht angekündigt worden war, sorgte sie zunächst für Verwirrung. Aus den Fragen ließ sich teilweise auf das Konzept des Gutachtens schließen („Viele Fragen – schwierige Antworten“, DAZ 6, S. 26; „Kein Kindergarten“, DAZ 6, S. 32). Thomas Müller-Bohn mahnte daraufhin, die Apotheker sollten sich gezielt auf absehbare Diskussionen zum Gutachten vorbereiten, insbesondere zur Finanzierung des komplexen Versorgungsauftrags („Eckpfeiler setzen!“, DAZ 20, S. 30).
Die Veröffentlichung des Gutachtens wurde zunächst für September erwartet. Doch erst Ende November sickerten erste Inhalte durch. Demnach hätten die Apotheker bisher 1,1 Milliarden Euro jährlich zu viel erhalten. Mitte Dezember kursierte eine Vor-Version des Gutachtens vom 13. November. Die Gutachter konstatierten darin, dass fast die Hälfte aller Apotheken schon 2015 keinen auskömmlichen Unternehmerlohn erwirtschaftet hatte und daher mittelfristig von Schließung bedroht sei. Dennoch ermittelten die Gutachter aufgrund ihres Kostenrechnungsmodells, dass die Apotheken im Durchschnitt 45.000 Euro mehr als nötig erhalten würden. Sie errechneten zwar höhere kostendeckende Honorare für Notdienst, Standardrezepturen und BtM sowie einen prozentualen Aufschlag von 4,8 Prozent, aber der Festzuschlag auf Rx-Arzneimittel sollte von 8,35 Euro auf 5,80 Euro sinken. Auch die Zyto-Honorare sollten deutlich sinken. Die zu erwartende Schließung vieler Apotheken würde jedoch nach Einschätzung der Gutachter die Versorgung nicht gefährden. Allenfalls ausgewählte versorgungskritische Landapotheken sollten gezielt gefördert werden. So endete das Jahr mit einem entsetzlichen Schock und größtmöglicher Ungewissheit für die Apotheker („Das Honorargutachten“, DAZ 50, S. 11). |
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